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WALZWERKARBEITER HEINRICH KLEY

VOM DEUTSCHEN BERGBAU

VON NIKOLAUS OSTERROTH

Grau und sorgenvoll ist die Gegenwart. Krieg und „Friede“
haben unendlich viele Lebensmöglichkeiten zertrümmert. Sechzig
Millionen Deutscher sitzen auf einer Scholle, deren landwirtschaft-
licher Ertrag nur 35 Millionen ernährt. —

Wir müßten verhungern ohne die Arbeit, die wir in Schächten,
Hütten und Fabriken leisten.

Vor allem in Schächten! Aus ihnen haben wir die Rohstoffe, die
wir in den Industriewerkstätten verarbeiten und in Zahlungsmittel
ummünzen.

Kohle, Erze, Kalisalze sind das Fundament unserer Industrie-
wirtschaft, sichern das Leben der sechzig Millionen. Die feindliche
Macht, die sie herausstreichen könnte aus unserer Wirtschaft,
würde zwei Dutzend Millionen Menschen das Todesurteil sprechen.

»

Pessimisten bauen keine Zukunft auf. Kopfhänger gewinnen keine
Schlachten!

Ich glaube! Glaube an das Leben und an die Zukunft! Weil ich
an die sieghafte Macht der Arbeit glaube. Weil ich die Menschen
kenne da unten in der Tiefe, ihren Wagemut, ihren Opfergeist,
ihren unerschütterlichen Zukunftsglauben. Weil ich die primitive
Vergangenheit und die grandiose Entwicklung des deutschen Berg-
baus kenne.

Fünfzig kurze Erdenjahre! Sie zählen in der langen harten
Menschheitsgeschichte fast nicht mit. Und doch brachten die letz-
ten fünfzig Jahre eine Verelffachung der Steinkohlenförderung in
Deutschland. Die Braunkohle haben wir versiebzehnfacht, die Roh-
salze verachtzigfacht, die Eisenerze verzwölffacht. An die Stelle des
Handhaspels trat das gigantische Fördergerüst mit dem Förderkörper,
in vier Geschossen, die sechzig Knappen fassen. An die Stelle von

Schlägel und Fäustel traten die Bohrhämmer, aus armseligen
Schachthütten wurden Wunderbauwerke der Technik.

Du hast den Glauben an die bessere Zukunft verloren? Geh’
ins Ruhrrevier mit seinen tausend Schloten, seinen fauchenden
Maschinen, seinen faustisch tätigen Menschen — dort findest du
das Heilmittel!

Daran kannst und sollst du genesen zu gleichem Tun.

Du kennst die Mythe von Riesen Atlas, der am Weitende das
Himmelsgewölbe trug. Der Bergmann ist von gleicher Art; er
trägt auf seinen arbeitsharten Schultern den gewaltigen Überbau
der deutschen Industriewirtschaft.

Weißt du, daß im schweren Jahr 1920 jeder deutsche Steinkohlen-
bergmann wöchentlich zwei halbe Überschichten verfuhr, um den
anderen das Leben zu erhalten? 364 Überstunden wurden von
jedem Steinkohlenbergmann in Nacht und Gefahr verfahren, die
uns 24 Millionen Tonnen Kohle brachten und den Wiederaufbau
der Ausfuhr-Industrie ermöglichte.

Hast du ein ähnliches Opfer an Arbeit und Gefahr auf dich ge-
nommen? Meinst du nicht, daß es ganz anders um unser armes
Vaterland bestellt wäre, wenn alle — Landwirte, Händler, Kaub
leute, Industrieherren und vor allem die Steuerdrückeberger — zu
einem ähnlichen Opfer bereit wären? Wenn man weniger kra-
kehlte und nörgelte und mehr arbeitete, mehr opferte?

Eine halbe Million Kohlenhauer arbeiten bis tausend Meter unter
der Erde, in giftigen Schwaden, unter bröckelndem Gestein, in
Temperaturen, die oft bis zur Tropenhitze ansteigen — halbnackt,
Gefahr und Tod stets vor Augen — aber sie glauben ans Leben
und an die Zukunft.

Harte Pflichten lasten auf dem Mann der Tiefe — der sechste

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Register
Nikolaus Osterroth: Vom deutschen Bergbau
Heinrich Kley: Walzwerkarbeiter
 
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