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ERICH WIE R F. ( M C N CHEN)



DER GUTE W I R TH, „Ich kriege den Milliardentopf nicht voll. Wie sag ich 's nur meiner Angtangt?"

T*1 ' K. tv1

KLASSISCHE ZEUGEN

In der von ersten Männern der Wissen*
Schaft bearbeiteten Pariser „Grande Ency»
clopedie“ ist als Beweis dafür, daß die
Deutschen sich stets mit Gewalt aneigne*
ten, was sie anderweitig nicht erhalten konn*
ten, die Stelle aus Goethes „Erlkönig“ an-
geführt „U nd bist du nicht willig,
so brauch ich Gewal t“.

Nur einer unverzeihlichen Oberflächlich-
keit der Forschung ist es zuzuschreiben,
daß die mit unverschämter Anmaßung ver-
bundene deutsche Hab-, Kaub- und Länder*
gier in der Enzyklopädie nicht besser be-
legt ist.

„Ach, wenn du wärst mein Eigen“
lautet schon der Anfang eines alten Volks-
liedes, aus dem uns die deutsche Unersätt-
lichkeit schamlos entgegenschreit, ebenso
wie das deutsche Trachten nach Weltherr-
schaft aus den arroganten Eichendorffschen
Zeilen:

„Wem Gott will rechte Gunst erweisen.

Den schickt er in die weite Welt“
mehr als deutlich hervortritt.

Die deutschen Eroberungsabsichten ver-
raten sich in zahllosen, bald offenen bald
versteckten Aufforderungen seiner das im-
perialistische Ideal propagierenden Hetzdich-
ter. Einige der krassesten Beispiele dieser

Art sind: „Auf nach Valencia!“ (Her-
der, Der Cid), „Kennst du das Land, wo
die Zitronen blüh n?“ (Goethe, Mig-
non), „Das Land der Griechen mit
der Seele suchend“ (derselbe, Iphigenie),
„Wie denken Sie über R u ß 1 a n d?“ (G.
v. Moser, Lustspiel 1861!) u. a. m.

Wie sich die Deutschen aber einerseits
als gewalttätige Räuber und Friedensstörer
erweisen, so ziehen sie sich andrerseits
feige von jeder Verantwortlichkeit für die
Folgen ihrer Frevel zurück. Unverkennbar
gegen die Versailler Strafbestimmungen
richtet sich z. B. die Aufforderung:
„N ichts von Verträgen, nichts
von Ubergab e!“ (Schiller, Jungfrau von
Orleans), und daß der Boche niemals be-
zahlen sondern sein Geld festhalten wird,
erhellt ohne weiteres aus seinem Lieblings*
liede „Seid umschlungen, M i 11 i o *
n e n!“ (Schiller, Lied von der Freude-) mit
der unverfrorenen Stelle „U nserSchuld*
buch sei vernichtet!“

Dieses deutsche Verhalten wäre für die
Franzosen verhängnisvoll, wenn sich das
edle Volk nicht längst über die Wertschät-
zung aller irdischen Güter hinweggesetzt
hätte, getreu den tiefempfundenen Worten
seines unsterblichen Komödiendichters
Scribe: „Oui, l’or est une chimere — Ja,
das Gold ist nur Chimär e!“ Gelja

IMMER NOCH SCHIMMERNDE WEHR

Dem französischen Kriegsminister, Herrn
Andre Lefevre, der täglich zwischen Früh-
stück und Mittagbrot ein geheimes dcut
sches Waffenlager entdeckt, ist eine neue
Entdeckung gelungen. Er behauptet allen
Ernstes, in Deutschland seien zwei neue
Maschinengewehre, die Modelle „Gast“ und
„Tuf“, erfunden worden, die an Vervoll-
kommnung alle bisherigen Modelle in den
Schatten stellen sollen.

Wir schätzen uns außerordentlich glück-
lich, Herrn Lefevre zu seiner Beruhigung
folgendes verraten zu können: Zwei neue
Maschinengewehre sind tatsächlich kon-
struiert worden, aber nicht jetzt, sondern
schon zu (jer Zeit, da Herr Gustav Noske
Reichswehrminister in Deutschland war. Die
Modelle heißen auch nicht ' „Gast“ und
„Tuf“, sondern in sinniger Anlehnung an
den Vornamen des Schöpfers der deutschen
Reichswehr „Gust“ und „Taf“. Der Irrtum
des Herrn Lefevre ist vermutlich darauf
zurückzuführen, daß sich der Name Gu-
stav auf französisch so schwer trennen läßt.
Die beiden Modelle sind übrigens von Herrn
Noske bei seinem Abgang zerstört worden,
da er aus Ärger seinem Nachfolger nicht
den Ruhm gönnen wollte, Frankreich mit
Revanche zu überziehen. Kranze aus Berlin

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Register
Erich Wilke: Der gute Wirth
Gelja: Klassische Zeugen
Franze aus Berlin: Immer noch schimmernde Wehr
 
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