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Michaels Mund legen wie ein dicker Schnurbart, er wirbelt und flattert zu
beiden Seiten feine? Ropfes.
Rann man es in alle Lwigkeit aushalten, keinen Atem zu schöpfen? Man
bringt es bestenfalls auf zwanzig oder dreißig Sekunden. dann klopft das
Blut wie ein Kammer und vor den Augen erscheinen farbige Rreise. Auch
Michael fchemt schon farbige Rreise vor den Augen zu haben, denn nun läßt
er wieder tust in die Lungen strömen, er saugt den Rauchschwaden gierig
in sich hinein, seine Lunge ist ein Abgrund,
Der Herr, der den Rauchschwaden ausgestoßen hatte, verweilte noch ein
ein wenig in der Türe, spitzte die tippen, zwischen denen er die Zigarre drehte,
damit das Deckblatt nicht abblättere, und überlegte. Man konnte ihm anjehen,
daß er im Ganzen mit der Welt zufrieden war, er hatte immerhin eine
Mahlzeit genossen, sein Magen knurrte nicht, und jetzt rauchte er eine Zigarre.
Hab' die Ehre," sagte er zu dem Rellner in einem satten Tonfall,
wie ihn zufriedene Bürger haben und trat auf den Gehsteig.
Auch Michael hielt nichts davon ab, das Lokal zu verlassen. Lr hatte
seinen Hunger gestillt, den Betrag für die Mahlzeit bar erlegt, jetzt
konnte er gehen. Wenn er alles in allem betrachtete, so hatte er auch
noch einen kleinen Spaß mit einer Biene gehabt und sich mit der
Beobachtung eines Rauchschwadens die Zeit vertrieben, nun war es
genug. Aus der Sraße wühlte er sich in den Menschenstrom und ließ
sich treiben, es war ihm gleichgültig, wohin er seine Schritte lenkte.
Das Leben ging in einem breiten Strom an ihm vorbei, aus dem
hin und wieder ein Lachen aufflog, hie und da ein Ldelstein auf ge-
pflegtem Damensleifch blitzte. Ha, es waren viele Menschen da, die
das über das Land hereingebrochene Unglück mit Anstand zu tragen
wußten, seht ihre prächtige Haltung! Man hat ein zerrissenes Herz, ein
Schluchzen würgt im Halse, daß er anschwillt. Aber man lacht und
dann sieht es wahrhastig aus, als fei der Hals vom Lachen ange-
schwollen.
Michael bummelte, er hatte noch eine ganze Stunde vor sich, über
die er nach Belieben verfügen konnte, so bummelte er. Llgentlich
war es ja nicht die richtige Zeit, sorglos zu bummeln und den An-
schein zu erwecken, als wäre man ein vollkommener Richtstuer, denn
nach einem verlorenen Rrieg soll man Arme und Beine tüchtig rühren,
hoho, nun wollen wir allerlei wieder gut machen. So nahm Michael
eine bescheidene Haltung an, er legte die Hände nicht herausfor-
dernd auf den Rücken, sondern verschränkte sie vorn wie beim Gebet.
Haja, dachte er und fürchtete sich, mehr zu denken, es konnte zu
nichts Gutem führen. Lr quälte sich damit ab, seine Gedanken recht-
zeitig zu zerbröckeln, um nur um Gottes Willen zu keinem Lnde zu
gelangen. Sollte man glauben, wie vieles man in dieser Zeit zu
Lnde zu denken nicht den Mut findet? Auch Michael fand nicht den
Mut und preßte die Hände zusammen wie zum Gebet.
wenn er ein wenig aufmerksamer gewesen wäre, so hätte er sest-
stellen müssen, daß der Herr vor ihm derselbe war, der srüher den
Rauchschwaden vor sich hingepafst hatte. Ha, es war kein Zweifel,
daß man es mit demselben Herrn zu tun hatte. Lr spazierte aus merk-
würdig kurzen und runden Beinen und verfügte wohl über keinen
erstklassigen Schneider, denn seine Hosen wiesen eine ganze Reihe
von Kehlern auf. Manchmal führte er die Hand zum Munde, legte
den Ropf ein wenig zurück und sog an seiner Zigarre. Dann flatterte
eine Rauchfahne im winde, bog sich steil empor und löste sich wie
durch Zauber in nichts auf. Michael folgte dem Herrn dicht auf den
Kerfen, es schien, daß sich die Schicksale der beiden in geheimnis-
voller weise für eine bestimmte Spanne Zelt verkettet hatten, und
es wäre wohl nicht klug gewesen, dagegen anzukämpfen.
Bei der Votivkirche bog Michael in den Park ein; ehe er sich's ver-
sah, war er mitten im park. Über ihm und neben ihm laubten die
Bäume, sie slossen über von Grün und schäumten, wo sie dunkie,
goldgestickte Grotten bildeten. Dort saßen Menschen, viele von ihnen
hatten beide Arme ousgestreckt auf die Banklehne gelegt und ließen
den Ropf herabhängen, doß sie aussahen, als seien sie gekreuzigt.
Still, stört sie nicht! Sie haben wohl alle ihre Rümmernisse, ein
ganzes Herz voll Rümmernisse, nun sitzen sie da und überlegen, wie
es werden soll.
Michael grüßte einen Herrn, neben dem er sich niederzulassen im
Begriffe war, und als er ihm dabei prüfend ins Gesicht schaute,
stellte es sich heraus, daß es wieder der Herr mit der Zigarre war. Lr faß
da und las eine Zeitung, es war ein konservatives Blatt mit einer Kamilien-
beilage. Oie kurzen, runden Beine hatte er übergeschlagen und bemühte sich,
sie in dieser Stellung zu erhalten, aber das oben liegende Bein rutschte
immer wieder herab, es sand keinen rechten Halt.
Übrigens konnte es Michael gleichgültig fein, wer neben ihm saß, und ob
dieser Herr einen bequemen Halt für seine Leine fand. Lr für seinen Teil
saß jedensalls hier recht behaglich und hatte noch immer eine halbe Stunde
Zeit, mit der er frei schalten und walten konnte. Die Zigarre des fremden
Herrn war bis zur Hälfte niedergebrannt, darauf faß ein grauer, rissiger
Aschenkegel. Lin kleiner Lustzug trug ihr süßliches Aroma zu Michael her-
über, der nun die Arme ausgestreckt auf die Banklehne legte und den Ropf
herabhängen ließ, von Zeit zu Zeit atmete er tief und schwer, es war wohl
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Michaels Mund legen wie ein dicker Schnurbart, er wirbelt und flattert zu
beiden Seiten feine? Ropfes.
Rann man es in alle Lwigkeit aushalten, keinen Atem zu schöpfen? Man
bringt es bestenfalls auf zwanzig oder dreißig Sekunden. dann klopft das
Blut wie ein Kammer und vor den Augen erscheinen farbige Rreise. Auch
Michael fchemt schon farbige Rreise vor den Augen zu haben, denn nun läßt
er wieder tust in die Lungen strömen, er saugt den Rauchschwaden gierig
in sich hinein, seine Lunge ist ein Abgrund,
Der Herr, der den Rauchschwaden ausgestoßen hatte, verweilte noch ein
ein wenig in der Türe, spitzte die tippen, zwischen denen er die Zigarre drehte,
damit das Deckblatt nicht abblättere, und überlegte. Man konnte ihm anjehen,
daß er im Ganzen mit der Welt zufrieden war, er hatte immerhin eine
Mahlzeit genossen, sein Magen knurrte nicht, und jetzt rauchte er eine Zigarre.
Hab' die Ehre," sagte er zu dem Rellner in einem satten Tonfall,
wie ihn zufriedene Bürger haben und trat auf den Gehsteig.
Auch Michael hielt nichts davon ab, das Lokal zu verlassen. Lr hatte
seinen Hunger gestillt, den Betrag für die Mahlzeit bar erlegt, jetzt
konnte er gehen. Wenn er alles in allem betrachtete, so hatte er auch
noch einen kleinen Spaß mit einer Biene gehabt und sich mit der
Beobachtung eines Rauchschwadens die Zeit vertrieben, nun war es
genug. Aus der Sraße wühlte er sich in den Menschenstrom und ließ
sich treiben, es war ihm gleichgültig, wohin er seine Schritte lenkte.
Das Leben ging in einem breiten Strom an ihm vorbei, aus dem
hin und wieder ein Lachen aufflog, hie und da ein Ldelstein auf ge-
pflegtem Damensleifch blitzte. Ha, es waren viele Menschen da, die
das über das Land hereingebrochene Unglück mit Anstand zu tragen
wußten, seht ihre prächtige Haltung! Man hat ein zerrissenes Herz, ein
Schluchzen würgt im Halse, daß er anschwillt. Aber man lacht und
dann sieht es wahrhastig aus, als fei der Hals vom Lachen ange-
schwollen.
Michael bummelte, er hatte noch eine ganze Stunde vor sich, über
die er nach Belieben verfügen konnte, so bummelte er. Llgentlich
war es ja nicht die richtige Zeit, sorglos zu bummeln und den An-
schein zu erwecken, als wäre man ein vollkommener Richtstuer, denn
nach einem verlorenen Rrieg soll man Arme und Beine tüchtig rühren,
hoho, nun wollen wir allerlei wieder gut machen. So nahm Michael
eine bescheidene Haltung an, er legte die Hände nicht herausfor-
dernd auf den Rücken, sondern verschränkte sie vorn wie beim Gebet.
Haja, dachte er und fürchtete sich, mehr zu denken, es konnte zu
nichts Gutem führen. Lr quälte sich damit ab, seine Gedanken recht-
zeitig zu zerbröckeln, um nur um Gottes Willen zu keinem Lnde zu
gelangen. Sollte man glauben, wie vieles man in dieser Zeit zu
Lnde zu denken nicht den Mut findet? Auch Michael fand nicht den
Mut und preßte die Hände zusammen wie zum Gebet.
wenn er ein wenig aufmerksamer gewesen wäre, so hätte er sest-
stellen müssen, daß der Herr vor ihm derselbe war, der srüher den
Rauchschwaden vor sich hingepafst hatte. Ha, es war kein Zweifel,
daß man es mit demselben Herrn zu tun hatte. Lr spazierte aus merk-
würdig kurzen und runden Beinen und verfügte wohl über keinen
erstklassigen Schneider, denn seine Hosen wiesen eine ganze Reihe
von Kehlern auf. Manchmal führte er die Hand zum Munde, legte
den Ropf ein wenig zurück und sog an seiner Zigarre. Dann flatterte
eine Rauchfahne im winde, bog sich steil empor und löste sich wie
durch Zauber in nichts auf. Michael folgte dem Herrn dicht auf den
Kerfen, es schien, daß sich die Schicksale der beiden in geheimnis-
voller weise für eine bestimmte Spanne Zelt verkettet hatten, und
es wäre wohl nicht klug gewesen, dagegen anzukämpfen.
Bei der Votivkirche bog Michael in den Park ein; ehe er sich's ver-
sah, war er mitten im park. Über ihm und neben ihm laubten die
Bäume, sie slossen über von Grün und schäumten, wo sie dunkie,
goldgestickte Grotten bildeten. Dort saßen Menschen, viele von ihnen
hatten beide Arme ousgestreckt auf die Banklehne gelegt und ließen
den Ropf herabhängen, doß sie aussahen, als seien sie gekreuzigt.
Still, stört sie nicht! Sie haben wohl alle ihre Rümmernisse, ein
ganzes Herz voll Rümmernisse, nun sitzen sie da und überlegen, wie
es werden soll.
Michael grüßte einen Herrn, neben dem er sich niederzulassen im
Begriffe war, und als er ihm dabei prüfend ins Gesicht schaute,
stellte es sich heraus, daß es wieder der Herr mit der Zigarre war. Lr faß
da und las eine Zeitung, es war ein konservatives Blatt mit einer Kamilien-
beilage. Oie kurzen, runden Beine hatte er übergeschlagen und bemühte sich,
sie in dieser Stellung zu erhalten, aber das oben liegende Bein rutschte
immer wieder herab, es sand keinen rechten Halt.
Übrigens konnte es Michael gleichgültig fein, wer neben ihm saß, und ob
dieser Herr einen bequemen Halt für seine Leine fand. Lr für seinen Teil
saß jedensalls hier recht behaglich und hatte noch immer eine halbe Stunde
Zeit, mit der er frei schalten und walten konnte. Die Zigarre des fremden
Herrn war bis zur Hälfte niedergebrannt, darauf faß ein grauer, rissiger
Aschenkegel. Lin kleiner Lustzug trug ihr süßliches Aroma zu Michael her-
über, der nun die Arme ausgestreckt auf die Banklehne legte und den Ropf
herabhängen ließ, von Zeit zu Zeit atmete er tief und schwer, es war wohl
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