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VOM DEUTSCHEN RHEIN

Der letzte Llberfelder Lisenbahnerstreik sollte
auf Anordnung der Leitung mit aller Schärfe
durchgeführt werden. Dagegen war die Parole
ausgegeben, sämtliche Transporte der Znteralli-
irtenKommissionpromptestenszu bewerkstelligen.

Der Streik selbst hat sich bekanntlich bald darauf
— gebrochen! *

Aus der Stadt Boppard wurde vor einiger
Zeit auf Grund marokkanischer „Vorkommnisse"
die gesamte französische Militärgarnison wegver-
legt.

Daß kürzlich eine bessere §irma eine Bitt-
schrift an das Dberkommando um Wiederbele-
gung Boppards verfertigt haben soll, beruht aus
Zrrtum.

Ls dreht sich vielmehr nur um eine Handlung
niedrigster Sorte! *

Der Kapitän eines Rheindampfers wurde vom
Kriegsgericht bestraft, weil auf seinem Schiss je-
mand gepfiffen hatte: „Lieb Vaterland, magst
ruhig sein!"

Oie Anklage lautete auf„8ahrläjs!ge Ver-
breitung falscher Tatsachen." Z.A.S.

*

MÄRCHEN ÜBER MÄRCHEN

Rudyard Kipling, der englische Schriftsteller,
hielt unlängst in Paris eine Rede. Lr bedauerte
die armen ßranzofen, die eine Ration wie die
Deutschen zu Rachbarn hätten. Die deutschen
Kinder schon,er;ählte er,würden mit dem Märchen
vom Werwolf großgezogen, das ihr liebstes
Märchen fei. Ls handle von einem Menschen, der
sich in einen Wolf verwandelt, um Kinder fressen
zu können. Solange 8rankre!ch solche zu Wölfen
werdende Menschen neben sich habe, schwebe es
in steter Gefahr...

Sollte Herr Kipling dieses Märchen nicht mit
einem andern verwechseln, das allerdings
unsere Kinder sehr lieben: Lin Wolf ver-
wandelt sich dort in ein altes Weib und
lügt dem Rotkäppchen etwas vor? Das
würde ganz die Situation des biedern
Herrn Vfchungelmanns decken, der dem
rotmützigen Marianderl Märchm über
unsere Märchen erzählt, vielleicht aber
liegt ihm ein englisches Märchen noch näher,
von einem gewissen Shakespeare ist es in
ein Stück verwoben, das „Sommernachts-
traum" heißt. Da wird ein Mensch sogar
in einen Lsel verwandelt, ohne daß er es
merkt. Und er hält einer sonst gar nicht
dummen Dame, namens Lutetia (oder heißt
sie Titania!) ebenso geistvolle Reden wie
Herr Kipling.

Sie liebt ihn dafür und spricht:

Sing noch einmal. Du holder Sterblicher,

Mein Dhr ist ganz vernarrt in

Deinen Sang —

und dies scheint den Rüpel jo zu kitzeln,
daß er übergejchwähig wird.

„Hemmt meines Liebsten Zung! 8ührt
ihn in mein Gemach!" wehrt sie, — doch
soweit sind wir noch nicht. a. c. n.

DAS ERFOLGREICHE MITTEL

Lin Telephon-Lrlebnls von Zgl

Zch habe dringend mit Dresden zu sprechen.
Zch nehme den Hörer von der Gabel und warte
geduldig ein, zwei Minuten. Ls meldet sich nie-
mand. Zch lege noch eine Minute zu, es meldet
sich noch immer niemand.

„Zst da jemand! Haaaallo!-haaalloooo!

ist niemand da?"

Keine Antwort.

Zch lege den Hörer auf ein paar Minuten auf
die Gabel zurück, hebe ihn dann ab und lausche
von neuem. Richts regt sich.

„Zst dort das Amt? Zst dort jemand? Haaaal-
loooooo! haaaaallooooo! —"

Richt das leiseste Lcho.

Zeht lasse ich die Hörgabel vibrieren. Zch fahre
mit der Hand in kurzen Zeitabständen darüber —
knack, knack — knack — knack — knack — ertönt es
am Apparat.

Runmehr versuche ich nochmals mein Heil. Zch
lausche geduldig von neuem. Zch lausche, ein, ich
lausche zwei, drei Minuten — es ist im Apparat
alles wie ausgestorben.

Zch werde wütend. „Himmeldonnerwetter
Kreuzbombenelement, ist denn da niemand?
Schläft denn da alles auf dem Amt? Was ist
denn da für eine elende Lotterwirtschaft. Zch
werde mich beschweren. Wo ist die Aussicht? Hören
Sie nicht? Haaaaalloooooo! Haaaaallooooo!"

Totenstille.

Hetzt rufe ich in die Muschel; gleichsam als
wenn ich mit einem guten 8ieunde spräche:

„Du, Dskar, ich komme eben von der Ministe-
rialsihung. Weißt Du schon, die neuen Beamten-
forderungen haben größte Aussicht auf An-
nahme?"

Da flötet plötzlich eine Stimme durch das
Telephon:

„Hier ist dasAmt. WasfagtenSiejoeben, bitte?"

GASTRÖPOLIT1K

Bei der Konferenz war von der französischen Velgation für beson-
ders ausgewählte Menus und herrliche weine gesorgt word-n, fo-
daß der exterritoriale Raum der französischen Botschast beständig von
den Delegierten (namentlich auch den Amerikanern) besucht war.

Das also war des Pudels Kern
im Abstinenz-Washington?

Der Yankee säuft den Schampus gern
und der 8ran;ofe — bringt'n!
Lyterritorialität

hieß: — dort bekommt man früh und spät
die staniolberingten.

Und diplomatischer Lfsekt

hieß: sehr pikante Saucen!

Wenn die der Lngelländer schmeckt.

Dann läßt er mit sich kosen.

Balfour ging auf wie ein rost-beek

und konzediert' zehn Panzerschiff,
bauchklopfend, den 8ran;osen.

Auch für den Ztaliener gabs
Salati, wunderfchene!

Mit köstlichem Verdauungsschnaps!

Da rief er: tutto bene!

Sogar der Haps ließ her mit Lust
bei einer herrlichen tangust'
sechs submarine Kähne.

So wurde Politik gedreht,

Oer Weg führt' durch den Magen;

Doch wenn das Ding so weitergeht,
so wäre vorzuschlagen:

Zn Zukunft lenkt nicht mehr der Thcs

des Kabinetts, — der Küchenchef
lenkt den Regierungswagen!

WUCHERBEKÄMPFUNG

Lin deutsches Wuchergericht hat einen Schnitt-
warenhändler, der einem Landwirt einen Posten
Heugabeln mit übermäßigem Gewinn ver-
kauft hatte, auf Grund eines Sachverstän-
digengutachtens freigesprochen, wonach
die fraglichen Heugabeln für das deutsche
Heu viel zu schwach und nur für das leich-
tere ausländische Heu zu verwenden ge-
wesen wären, somitkeinen Gegenstand
des täglichen Bedarfs der deutschen
Landwirtschaft bilden konnten.

Wie verlautet, hat der Landwirt gegen
das Urteil Beschwerde eingelegt, weil er
Nachweisen zu können glaubte, daß das
fragliche ausländische Heu den Gegen-
stand des täglichen Bedarfs einer
Reihe von deutschen Dchsen bildete.

Das Verfahren befindet sich noch in
Schwebe.

Als Unterlagen hat das Gericht von den
Sachverständigen neben den Stamm-
bäumen der Dchsen noch ein Gutachten
darüber einverlangt, ob die Genannten
das fragliche Heu

a) mit deutschen oder

b) mit ausländischen

Heugabeln gefressen haben, z. a. gowa»

DAS PALETÖTCHEN

„Wer hat, der hat — nur keen Reid !"

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Register
Igl.: Das erfolgreiche Mittel
J. A. Sowas: Wucherbekämpfung
A. D. N.: Märchen über Märchen
A. D. N.: Gastropolitik
Willy Hallstein: Das Paletötchen
J. A. S.: Vom deutschen Rhein
 
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