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GESPRÄCH IM HIMMEL

Kleist wandelt mit Hebbel auf der Himmelswiese.

ein Büchlein in der Hand. Vie Seligen stehen alle auf

Du und Du, was man zu beachten bittet, wenn auch
Se. Lxzellen; t>. Goethe erscheint.

Kleist: Weißt Du, Hebbel, welch elender Kerl in
Dir gesteckt, solang Du auf Lrden gewandelt?

Hebbel: Ich weiß es. viel starre Schlacken trübten
das heilige Brennen meiner inneren Klamme.

Kleist: „ — ein verherrliche! bürgerlicher Ge-
fellfchafts- und Wirtschaftsformen, und Gegner
jeder Revolution" —

H eb b e l: Wer sagt das? Haben sie mich nicht tiefer
erkannt?

Kleist: (D ja. strotz Deiner ^künstlerischen Unzu-
länglichkeit wirst Du noch geraume Weile von
den Schmocks des juste milieu mit ihrem
Dunge begossen ..."

Hebbel: Donner und stod! Was Hab' ich mit
Schmocks zu tun? Und — meine Unzuläng-
lichkeit als Nenfch zugegeben, — der Kunst
rang ich nur meiner wünsche Unmöglichstes
ab —

Kleist: Dennoch gehörst Du .jenem Schutt der
Vergangenheit an, der zum Himmel stinkt"!
Riechst ihn?

Hebbel (lächelnd): Ich riech — ich rieche — Nen-
schenfleifch. Irgend einer von da unten band
Dir, Kleist, einen Bären aus...

Kleist: Mir auch, Du hast Recht. Denn ich .war
ein Militarist und parierte Kadavergehor-
sam" -

Hebbel: Du — Kadavergehorsam? (Lacht laut.)

Wagner (hinzuschwebend): Ker, wceß Knebbchen,
von Gleist gann m'r das wärklich nich be-
haubd'n.

Kleist (auf sein Büchlein weisend): Aber von Vir
kann man behaupten, Deine Kibelungen seien
nur „Bettvorleger - Stücke mit verschwitzten
Trikots".

Wagner: Vafchlaach'doch 'nUngewidderdreinl
wer saacht das? Dem Kelchen fahr' ich zu Leib.
Das 8 egen lernd 'r vor mir! —

Hedbel: Tröste Dich, Richard! Hab auch solch
Bettvorlegerdrama geschrieben!

Wagner: Vas laß 'ch mer nich gesall'n! wie
nennd sich d'r nichtiche Keidling? Hoio! Druss
ufs den Saustall!

Kleist: Richtig rietest Du, Richard! „Kunst-
Saustall" nennt er „unser eingeseistes Zahr-
hundert feit dem tönernen Goethe" —

Goethe (vorbeischwebend, hört seinen Kamen, hält
an): Kinder, weshalb erregt? Ich hörte mich
nennen -

Wagner (wütend): Lin fchäbicher Schufd schilt
Schande auf uns und Schmach —

Hebbel (zu Klei;»: Auch Goethe nicht läßt er in
Ruh?

Kleist (schelmisch): Kicht ganz. (ZuGoethe): Welche
Kote denkst Du verdient zu haben, Zohann
Wolfgang, „in den 8z fahren Deines Spießer-
Daseins, zu denen die stramme Bürgerin
Christiane Dich ausgcpäppelt"!

Goethe: Benotet mich irgend ein Großer dort
unten? Wohlan: „Käst gut..."?

Kleist: „Durchaus ungenügend!" heißt fein
Verdikt. „Wegen Mangels an wirklicher Durch-
bildung in sämtlichen Wissenschaften" und

„weil Du niemals den Kern, nur die Schale
der Dinge erfaßt" —

Goethe: Lin artiger Kerl! Kicht viel Gutes läßt
er an mir. Doch daß ich beweglich dem Leben
die Augenblicke enttroht und zu edlem Ge-
lingen geführt, — war das nichts?

Kleist: „Bewegt" warst Du „nur wie ein Kind
auf dem Schaukelpferd und kamst nie vom
8leck belämmerter tüchtiger Werktätigkeit —"
Goethe: — und so sieht mich ein Großer? Kein.
Doch um kleine kümmre ich mich nicht.

(Lr entgleitet mit langsamen Klügeln.)

Wagner: Weise walded der Wolfgang! Lr will
nich mal wissen des Keidlings Kamen und
Ard ...

Kleist: Und wählte das Beste. Auch Ihr erfahrt
ihn nicht. Durch die runde Mündung des
Mondes versenk ich ihn wieder. Hinab in die
Kloake der Welt. (Lr nimmt das Papier vorsichtig
zwischen Daumen und Zeigefinger, trägt es zu der
großen dunklen Dffnung des Vollmonds und läßt
es hinunterfallen. Ls flattert langsam abwärts und
erscheint im irdischen Buchhandel unter dem Titel:
„Tafso oder die Kunst des jusle Milieu". Vonkarl
Sternhelm.) A.v. n.

*

GANZ

KLEINES GESCHICHTCHEN

Ls war einmal cln Mann, und der hatte einen
Schänheitssehler: er jof) nämlich. Wenn er nicht
soff, konnte er nicht arbeiten. (Ls giebt solchene.)
Lines Tags aber tat er einen heiligen Schwur: ich
trinke nie und nie und nie mehr!

Und den Lid hielt er auch. Acht Tage lang.
Dann sagte er sich: „Ls geht doch nicht fo!Zch
werde mal einen Kingerhut voll Schnaps trinken!
Lin Kingerhut voll, — pah, das ist doch nicht
gesoffen! Im Grunde genommen tue ich es
über Haupt nur, um meinen Lid halten zu können!"

Acht Tage später trank er bereits wieder täg-
lich eincn Liter Schnaps.Katürlich nur, um sei-
nen Lid zu halten.

vierzehn Tage später kaufte er sich ein 8 aß
Schnaps. Za, so e n Lid erfordert Dpserl...

Und kluge Leute behaupten: „Lhe ein Viertel-
jahr vergeht,wird er wieder saufen wie früher, —
alles seinem Lide zuliebe!"

_Der Mann hieß Lenin, und der Schnaps

hieß Kapitalismus. R-rlch-n

Die nächste Nummer
(Nummer 4 vom 15. Kebcuar) ist öie

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DER FASCHING
UND DER SCHIEBER

In einem Ballsaal ein Schieber saß.

Lin Strom von Sekt mußte fließen,
potztausend, was die Kanaille fraß!

Lr wollte „den Kafching genießen."

„Komm, Kafching!" so gröhlte der feiste Patron
Mit aufgerifsener Klappe.

Va saß auch am Tische Kreund Kafching schon,
Oer Schelm mit der klirrenden Kappe.

Gleich schlug ihm der Schieber dröhnend aus's
Und schrie in trunkener Hitze: j^knie

„Saus, Bruder, Sekt, wie's Waffer das Vieh!
Lrzähle von Mikosch mir wihe!

Gleich schaff' ich Dir auch ein paar Weiber heran,
Vie dicksten und feilsten im Saale!

Wir habcn's Gottlob! Ls kommt nicht drauf an!
Vas gibt heut' ein Bachanale!!"

Der Kafching erschrak. Lin Lkel ihn faßt.

Lr wurde so weiß wie Puder.

„was sucht in meinem Reiche solch Gast?

Was nennt dies Mastschwein mich Bruder!"

Lrhob sich wortlos. Und ging durch den Saal
Mit langen, bekümmerten Schritten.

Da — dort — in den Winkel mit einem M->l
Die suchenden Augen glitten;

Lin Künstlerpärchen. In wonniger Ruh
Hielt es sich selig umfangen.

Da schlich Kreund Kafching lächelnd hinzu
Und küßte Beiden die Wangen.

Unsichtbar saß er am Tische lang,

Trank mit vom billigen Biere,

Unhörbar stimmt er in ihren Gesang,

Daß heller es jubeliere!

Hielt, als es heimglng, persönlich groß
Der Liebsten Türe ihm offen,

... Längst lag, laut schnarchcnd„Hier ist nichts los!"
Am Boden der Schieber besoffen.

Rar leben

*

VORBILDUNG

X. y., ein hoher Reichsbeamter,
war — leider brachte dieses an den „Tag"
irgend ein Zufall, fo ein gottverdammter —
kein Staatsbeamter noch vom alten Schlag,

(Vie viel auf Lhrlichkeit zu halten pflegen,
auf Anstand, Pflicht und wirklich treue Hand.)
Besagter Herr X. Y. hingegen
sah darin kein Besähigungsunterpsand;

vielmehr erschienen ihm die Ligenschasten,
die man als Lucki braucht und auch als Dieb,
und die am Schieber sehr beharrlich haften,
besonders günstig für den Amtsbetrieb.

So stieg er denn auf der bewußten „Leiter"
rasch aufwärts und erschloß sich manch Büro,
und bracht' „im Handumdreh'n" es immer weiter,
und wär emporgerückt, wer weiß wie hoh —

wenn nicht-doch dies ist Staatsanwaltssache.

Ich frage nur: Kür welches Amt wird jetzt
Vie Vorbildung als Schieber und Apache
(freie Bahn dem tüchtigsten!) vorausgesetzt? p » *

121
Index
Karlchen: Der Fasching und der Schieber
A. D. N.: Gespräch im Himmel
Karlchen: Ganz kleines Geschichtchen
Puck: Vorbildung
 
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