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Paul Dtietf) (München)

Frau Loichinger fand aus ihren jungen Tagen einen knallroten Unter-
rock, umschlang die Hüften mit einem Sofaläufer und färbte sich Wangen
und Lippen mit Zichoripapi'er.

Deal Pepi war unter dem türkischen Faltenwurf feines wallenden
Gewandes der Hosenträger gerissen.

„Hütk'st balt do dös größere Bettuch nehma foll'n . . .!"

Er band sich noch die Bettvorlage als Wohlstand bezeichnende Schärpe
um die Bauchgegeuö. — Und über dem Kopf drehte er sich aus einem
Handtuch den Turban-Da läutete es dreimal.

Der bestellte Hypnotiseur war gekommen. Er hieß Peter Mo rasch
und stammte aus Tschechien oder Polen. Sein Antlitz glich eineni ver-
rutschten Abziehbild. Die Nase saß als falsch gesetztes Ausrufezeichen
nicht ganz mitten drinnen. Da er von der Familie Loichinger ebenfalls
auf den Orientalischen Ball eingelaöen war, kam er als „Derwisch"
kostümiert. Die veilchenblaue Jacke war vorne lose zusannnengesteckt
und ließ die Tätowierung „Glaube, Hosfnung und Liebe!" gut leserlich
offen stehen.

Pepi Loichinger saß auf dem laubftoschgrünen Küchenftuhl.

peler Morasch strich ihm mit den Fingerspitzen und Handballen im
Gesicht herum. Und davon bekam er zunächst die Einpfindung des Ein-
feifens und Fliegenfangens.

Der Derwisch stellte sich der Reihe nach die Fragen vor, wie sie auf
Seite I I seines wissenschaftlichen Werkes: „Broschüre, Wie werde ich
Hypnotiseur?" abgeöruckt waren. „Bittäh, bis Müdwerden kommt —
immer Augen geradeaus stellen . . .!"

Peter Loichinger sah dadurch schnurgerade durch die GlaStüre des
Küchenkastens. Da stand-n der Reihe nach die Kaffeetassen seiner Ge-
mahlin. — „So, mein ch'Herr, denken ch'jetzt stark an Indisches Ur-

wald! Dschungel! Halbmond!" — Loichinger aber lag unentwegt
die Aufschriften der Tassen ab: „Gruß aus Tegernsee!" „Nur ein
Viertelstündelchen!" „Trinkt Malzkaffee!" „Auf der Alm gibl'ö koa
Sünd'!" — —

„Jetzt sähen Sie Goldenes ch'Horn mit Bosporus . . .!"

Aber der bayrische Hatschier hing seinen Blick fest in den bronzierten
Henkel der Milchkanne ein — und er sah nichts als dies, daß am Schnabel
ein Eck abgebrochen war . . .

„Nun langsam Deckel von Augen ch'herablassen. . . blaue Flut
kommt-Meereswogen der Dardanellen . . .!"

Peter dachke gerade an Lachauskehr, uiiö so wollte lange kein Wasser
kommen . . . Aber ganz allmählich machte ihn das eintöniqe Getuichel
müde und in seinem Hirnkasten begann alles, wie auf einer Malerei mit
Wasserfarben, durcheinander zu laufen ... In der Zuckerdose warf der
Kleinhesseloher See eine spiitzenöe Brandung über den Rand . . . daß
das Wasser aus den Schubladen des Küchenkastens rann — — Um
die Petroleumlampe wuchsen Cocosnußstauöen. — Heimatliches und
Exotisches, Häusliches und Überseeisches begann in diesem Dickicht ein
stiedlicheS Familienleben . . . Affen und Kanarienvögel sprangen von
Ast zu Ast, Kinihasen und Feuersalamander liefen an den Wänden seines
Hirnkastens entlang . . .

Weit von draußen her hörte er die Stimme „Ein ch'Harem —!!
Bittäh ch'herein träten . . " Perser Teppiche lagen zu seinen Füßen . ..
er ging auf echt türkischen Fleckerlpautoffeln durch Musik und Luft von
Räucherschaleu . . . krumme Säbel hingen an der Wand.

„Sie sind ch'hier — der ch'Herr . . .!"

Da lächelte Peter, als ob er beim Anstehen an der Hofbräuhaus-
fchenke ausirahinsweife außerhalb der Reihe bedient würde — und feixte

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Paul Rieth: Wenn ma'n nur drin hätten
 
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