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Paul Rieth sMünchen)

a3Btnn idE) ’n nur schon draußen h ä tt' . . .!"

gerade einer HaremSangesiellten ins Gesicht. Er breitete umsangend die
Arme aus-

Und da machte sich die Familie Loichinger auf den Weg zum Balllokal.
Peter ging in der Mitte. — Maharadschalächeln verklärte fein Angesicht.
Zu seiner Rechten wackelte seine Gattin gleich einer portopflichtigen Dienst-
sache. — Und links umsing ihn das Zimmerfräuleiu, die Haremsdame.
Die rauschte in dem morgenländlerischen Domino wie eine Schaumrolle
in ihrem Einwickelpapier . . . Und tanzte schon voll Ungeduld am Rinn-
sieiu entlang Daiich.

Hinterdrein schwänzelte, immerfort die Hypnose kontrolierenö, der
Dertvisch Peter Morasch . . .

Dem Morgenlanöe zu!

Das sah aus, als wäre ein „Bad im Ganges" und eine „Sibirische
Schneelaudjchaft" aus Lersehen auf eine einzige Platte photographiert
werden. — — Jetzt standen sie am Eingang des Saales.

Die Kälte der Nacht hatte ihm die Haremsschöne etwas ins Nebel-
hafte verzogen. Seine Augen stachen nach ihr Löcher in die rauchige
Luft, seine Ohren fächelten sehniüchtig nach ihrem LiebeSgeflüster und
die Nase hob sie vibrierend nach indischen Wohlgerüchen über den Duft
von verschüttetem Bier, Tannenzweiqen und Wurstpapieren hinweg.

Seine Augäpfel waren gleich den Signallichtern heimfahreuder Tram-
bahnwägen — nach rückwärts gedreht. Der Derwisch suggerierte ihm
morgeiilänöische Gaukeleien ins Ohr. .. Aber der Maharadscha gehorchte
ihm mcht mehr. Er ivar selbst zum Herrn geworden! . .. Und befahl
in sich hinein . .. Denn da sprangen jetzt blaue Asien, Papageien, Meer-
schiveiuchen wild durcheinander im Hirnkasten herum... Er gebot den
Westen des Kleinstesieloher Sees, daß sie zurücktteteu möchten . . . Die
Milchkanne mit dem bronzierten Henkel schwamm auf seinen Wogen

an ihm vorbei . . . Dazwischen suchte sein geistiges Auge nach der
Schönen! . . . Und er rührte sich nicht-

Dem Peter Morasch ttat der Angstschweiß in der Größe von Baldrian-
ttopfen aus der Stirne. Und er überlegte, ob ihm bei dem hypnotischen
Experiment ein Fehler unterlaufen sein könnte. In seiner Broschüre stand
nichts davon.

Inzwischen standen die Ballgäste auf den Stühlen und Tischen her-
um und sahen in die fassungslose Gruppe hinein. Einer schrie: „Dem iS
ja schlecht worö'n — sch litt'S eahm do a' kalt's Wasser ins Krawatt'l!..."
„Na, mit a' Flammfeda müaßt s' ihm unter d' Nasen kitzeln! . . ."

Frau Loichinger fühlte sich als überheizter Dampfkessel. Aus ihren
Ohren kam Rauch. Auf ihrer Zunge lag die Trockenheit uugespritzter
Asphaltstraßen. Sie brachte kein Wort heraus. Es war die tiesite Bla-
mage ihres Lebens Ereignis geworden . . .

Aber da kam noch mehr. Fräulein Haust versuchte ein letztes Mittel,
um den Hatschier Loichinger zu lebendigen Äußerungen zurückzurufrn:
sie streichelte ihm sanft mit ihren Lilienhänden den Schnurrbart und klappte
seine Augenöeckel ganz spielerisch, wie den Verschluß einer blechernen
Sparbüchse, abwechselnd auf und zu . . .

Da wurde in ihm und um ihn die türkische Schöne wieder nah —
und siehe: er erblühte zu Lieblichkeit! Im ersten Augenblick lächelten da-
rüber feine drei vorn Gefolge aus— und glaubten, daß nun alles wieder
gut würde.

Aber — jetzt erst kamen in dem Hatschier Loichinger die Maharadscha-
gefühle zu höchster Ensialtung ... Er küßte das Zimmerftäulen, daß
ihm das Wasser aus den Augen lief, als sähe er mitten in eine Bogen-
lampe hinein . . . Und nudeln tat er sie, wie einen Teddybären! Frau
Loichinger schrie kreischend auf! . ..

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Paul Rieth: Wenn ich ihn nur draußen hätt'
 
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