Irische Auslese
In» Deutsche übertrugen von Han» Transit
Der Mann hinter dem Pflug
Sinkende Sonne und Stille I Ein Mensch die rauhe
Scholle aufbrechend,-
kleben ihm zwei Pferde-ein Pflug!
Auf wilder Erde der dämmernde Mensch in unter-
gehender Sonne,
Mit Pferden und Pflug, der verschwistert dem
Schwert, dem Gründer der Städte!
„Bezwinger der Tiere, Pflugbauer, Erdbrecher!
Vernimmst du? Uns trennen Jahrtausende.
Betest du, Einsamer, stehend allein kn sinkender
Sonne?
Was sind die Himmelgeborenen dir, Kind und Herr
dieser Erde?
2st es nicht pan, den du fühlst, und Wotan und
Dana?
Doch warum der Götter gedenken? Hat pan deine
strauchelnden Pferde geführt?
Hat Dana gelindert den Schmerz dir im Kindbett,
hat Wotan den Pflug dir gelenkt?
Wertlos ist eines Toren Antwort! Du Mensch, der
du einsam stehst und erdengebeugt,
Dein Werk ist eines Tages Ende. Gib Dank dem
nachtbrkngenden Gott."
Langsam dämmern die Schatten,- das dunkelnde
Land umhüllet den Wüsten.
Der Tiere bezwungen, steht neben den Tieren, um
ein Haupt sie überragend.
Um ein Haupt? Doch darin liegen die Tiefen zur
Hölle, die Höhen zum Himmel,
Und der Götter Throne, Triumphe, Paläste und all
ihre purpurne Pracht.
padralc Colum
*
An einen Dichter
Unten die bleiche Menge —
Ihr Marsch eine steigende Flut!
Unten die bleiche Menge —
Ihr Glaube ein Banner aus ihrem Blut!
Unten die bleiche Menge —
Weiß noch das Schwert, doch rot die Gesänge!
Heimstätten verloren, die sie besessen,
Für den Traum, den einst du geträumt und vergessen!
padralc Lolum
Das Ideal
Backt sah ich dich,
O Schönheit der Schönheit!
Und blendete meine Auge»
Aus Furcht des Erschreckens.
Deine Musik vernahm ich,
O Süße der Süße!
Und schloß meine Ohren
Aus Furcht des Erliegens.
Ich küßte deine Lippen,
O Süße der Süße!
Und härtete mein Herz
Aus Furcht des Verderbens.
Ich blendete meine Augen,
Und schloß meine Ohren,
Und härtete mein Herz.
Und löschte meine Liebe.
Ich kehrte den Rücken
Dem Traume, den ich gestaltet,
Diesem Wege vor mir
Wandte zu ich mein Antlitz
Zuwandt' ich mein Antlitz,
Diesem Wege vor mir.
Dem Werke zu, das ich schaue,
Dem Tode zu, der mir naht.
padraic p earse
ch
Des Bettlers Kind
Mavourneen, wir gehen weit weg
Aus dem Betze der krummen Stadt,
Wo man uns das Licht des Tages wehrt.
Um meinen Hals nun leg
Deine beiden festen Ärmchen braun.
Mavourneen, wir gehen weit weg
Ans dem Betze der krummen Stadt.
Was werden wir hören am Weg?
Das Regen von Flügeln aus und ab, sagt das Kind,
In Bester», wo die Vöglein sind!
Mavourneen, wir gehen weit weg
Aus dem Betze der krummen Stadt,
Wo man uns das Licht des Tages wehrt.
Vadralc Lolum
Die alte Landstrcicherkn
O hätte ich ein kleines Haus
Mit Herd und Tisch und Zierat schön!
Die Asche glimmt in warmer Glut,
Torfstücke an den Wänden stehn!
Die alte Uhr mit Ketten und Gewicht
Schwingt ihre Pendel hin und her!
Ein Schrank steht irdner Krüge voll,
Gar blau und bunt und andre mehr!
Von Früh bis Abend, jeden Tag,
Trüg hin und her von seinem Platz, —
Den Boden fegend, Schrank und Herd, —
Ich meinen blanken, bunten Schah!
Am Abend wär' es still um mich,
Und ich säße am Herd allein,
Meines Bettes sicher ließe ich nicht
Die tickende Uhr, meiner Krüge Schein!
Ach wie bin ich des Nebels müde
Und dunkler Wege ohne Haus und Baum,
Müde bin ich der Stege im Moore
Und wimmernder Winde im einsamen Traum.
Ich bete zu Gott dem Höchsten,
Und ich bete Bacht und Tag,
Daß er mir Armen ein Häuschen
Weit weg von Wind und Regen geben mag.
padralc Lolum
*
Die Hügel von Cualann
In der Jugend des Sommers
Sind die Hügel von Cualann
Zwei goldene Hörner,
Zwei säugende Brüste,
Zwei Zelte von Licht.
2m Alter des Winters
Sind sie zwei rostige Schwerter,
Zwei Wellen des Dunkels,
Zwei Monde von Eis
Joseph Campbell
Das Wiedersehen
Von Marianne Bruns
Goneril war zuletzt sehr schnell gegangen, und die vielen Stufen war
sie hinaufgelaufen, sodaß ihr kurzes Haar schwankte und bei jedem
Schritt an die Wange rührte. Sie dachte immer wieder dasselbe: Er
erwartet mich. Er muß )a fühlen, daß ich komme. Ihr Herz klopfte auch
so: Er muß es ja fühlen Dann drückte sie auf den Klingelknopf, leuch-
tend vor Erwartung. — Sie hatte gar nicht daran gedacht, daß ein
Dienstmädchen die Tür öffnen könnte, ein neues, das sie nicht kannte. —
»Herr Professor ist zu Hause?" — „Ja. Aber Herr Professor ist nicht
zu sprechen." — „Warum nicht?" - „Weil - ich weiß nicht-Herr
Professor hat mir gesagt-" — „Ist denn jemand da?" — „Herr
Professor arbeitet." - „Das ist gut. Dann gehe ich hinein." — „Bein,
wirklich, Fräulein - ich-' — „Mein Gott, Sie können mich ruhig
gehen lassen. Ich höre ihn kommen. Gehen Sie. Gehen Sie doch fort."
Die Klinke ciiitr Zimmerlür rechts von der Diele wurde herunter-
gcdrückt. Er stand da. - „Was ist denn?" halte cr sagen wollen, un-
geduldig, denn das Sprechen vor seiner Tür berührte ihn unangenehm.
O, sie wußte es noch von früher, alles wußte sie noch-
-Aber dann veränderte sich sein Gesicht unter einer starken Bewegung.
Er zog die Tür noch besonnen hinter sich zu, und dann kam cr. Er sagte
gar nichts, nahm nur ihre Hand an seinen Mund, fast galant, fast rin
wenig fremd und streifte mit seinem Atem ihre Finger und zog sic wort-
los fort in das Zimmer jenseits der Diele.
„Du bist da?" sagte cr leise, „Du bist da?" und nahm sic an sich
und str-lck"-ste mit seiner Hand ihr Haar und mit feinem Munde ihre
Stirn. „Goneril, Kind, wo kommst du denir her? Du kommst zu mir?
So einfach im blauen Sommcrkleidchcn und ohne Hut?" - Sie stand
so da, sah ihn nur strahlend an, und das Glück verschlug ihr die Ncdc.
Sie war ganz strunm und hilflos und ließ sich imincrsort streicheln. -
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In» Deutsche übertrugen von Han» Transit
Der Mann hinter dem Pflug
Sinkende Sonne und Stille I Ein Mensch die rauhe
Scholle aufbrechend,-
kleben ihm zwei Pferde-ein Pflug!
Auf wilder Erde der dämmernde Mensch in unter-
gehender Sonne,
Mit Pferden und Pflug, der verschwistert dem
Schwert, dem Gründer der Städte!
„Bezwinger der Tiere, Pflugbauer, Erdbrecher!
Vernimmst du? Uns trennen Jahrtausende.
Betest du, Einsamer, stehend allein kn sinkender
Sonne?
Was sind die Himmelgeborenen dir, Kind und Herr
dieser Erde?
2st es nicht pan, den du fühlst, und Wotan und
Dana?
Doch warum der Götter gedenken? Hat pan deine
strauchelnden Pferde geführt?
Hat Dana gelindert den Schmerz dir im Kindbett,
hat Wotan den Pflug dir gelenkt?
Wertlos ist eines Toren Antwort! Du Mensch, der
du einsam stehst und erdengebeugt,
Dein Werk ist eines Tages Ende. Gib Dank dem
nachtbrkngenden Gott."
Langsam dämmern die Schatten,- das dunkelnde
Land umhüllet den Wüsten.
Der Tiere bezwungen, steht neben den Tieren, um
ein Haupt sie überragend.
Um ein Haupt? Doch darin liegen die Tiefen zur
Hölle, die Höhen zum Himmel,
Und der Götter Throne, Triumphe, Paläste und all
ihre purpurne Pracht.
padralc Colum
*
An einen Dichter
Unten die bleiche Menge —
Ihr Marsch eine steigende Flut!
Unten die bleiche Menge —
Ihr Glaube ein Banner aus ihrem Blut!
Unten die bleiche Menge —
Weiß noch das Schwert, doch rot die Gesänge!
Heimstätten verloren, die sie besessen,
Für den Traum, den einst du geträumt und vergessen!
padralc Lolum
Das Ideal
Backt sah ich dich,
O Schönheit der Schönheit!
Und blendete meine Auge»
Aus Furcht des Erschreckens.
Deine Musik vernahm ich,
O Süße der Süße!
Und schloß meine Ohren
Aus Furcht des Erliegens.
Ich küßte deine Lippen,
O Süße der Süße!
Und härtete mein Herz
Aus Furcht des Verderbens.
Ich blendete meine Augen,
Und schloß meine Ohren,
Und härtete mein Herz.
Und löschte meine Liebe.
Ich kehrte den Rücken
Dem Traume, den ich gestaltet,
Diesem Wege vor mir
Wandte zu ich mein Antlitz
Zuwandt' ich mein Antlitz,
Diesem Wege vor mir.
Dem Werke zu, das ich schaue,
Dem Tode zu, der mir naht.
padraic p earse
ch
Des Bettlers Kind
Mavourneen, wir gehen weit weg
Aus dem Betze der krummen Stadt,
Wo man uns das Licht des Tages wehrt.
Um meinen Hals nun leg
Deine beiden festen Ärmchen braun.
Mavourneen, wir gehen weit weg
Ans dem Betze der krummen Stadt.
Was werden wir hören am Weg?
Das Regen von Flügeln aus und ab, sagt das Kind,
In Bester», wo die Vöglein sind!
Mavourneen, wir gehen weit weg
Aus dem Betze der krummen Stadt,
Wo man uns das Licht des Tages wehrt.
Vadralc Lolum
Die alte Landstrcicherkn
O hätte ich ein kleines Haus
Mit Herd und Tisch und Zierat schön!
Die Asche glimmt in warmer Glut,
Torfstücke an den Wänden stehn!
Die alte Uhr mit Ketten und Gewicht
Schwingt ihre Pendel hin und her!
Ein Schrank steht irdner Krüge voll,
Gar blau und bunt und andre mehr!
Von Früh bis Abend, jeden Tag,
Trüg hin und her von seinem Platz, —
Den Boden fegend, Schrank und Herd, —
Ich meinen blanken, bunten Schah!
Am Abend wär' es still um mich,
Und ich säße am Herd allein,
Meines Bettes sicher ließe ich nicht
Die tickende Uhr, meiner Krüge Schein!
Ach wie bin ich des Nebels müde
Und dunkler Wege ohne Haus und Baum,
Müde bin ich der Stege im Moore
Und wimmernder Winde im einsamen Traum.
Ich bete zu Gott dem Höchsten,
Und ich bete Bacht und Tag,
Daß er mir Armen ein Häuschen
Weit weg von Wind und Regen geben mag.
padralc Lolum
*
Die Hügel von Cualann
In der Jugend des Sommers
Sind die Hügel von Cualann
Zwei goldene Hörner,
Zwei säugende Brüste,
Zwei Zelte von Licht.
2m Alter des Winters
Sind sie zwei rostige Schwerter,
Zwei Wellen des Dunkels,
Zwei Monde von Eis
Joseph Campbell
Das Wiedersehen
Von Marianne Bruns
Goneril war zuletzt sehr schnell gegangen, und die vielen Stufen war
sie hinaufgelaufen, sodaß ihr kurzes Haar schwankte und bei jedem
Schritt an die Wange rührte. Sie dachte immer wieder dasselbe: Er
erwartet mich. Er muß )a fühlen, daß ich komme. Ihr Herz klopfte auch
so: Er muß es ja fühlen Dann drückte sie auf den Klingelknopf, leuch-
tend vor Erwartung. — Sie hatte gar nicht daran gedacht, daß ein
Dienstmädchen die Tür öffnen könnte, ein neues, das sie nicht kannte. —
»Herr Professor ist zu Hause?" — „Ja. Aber Herr Professor ist nicht
zu sprechen." — „Warum nicht?" - „Weil - ich weiß nicht-Herr
Professor hat mir gesagt-" — „Ist denn jemand da?" — „Herr
Professor arbeitet." - „Das ist gut. Dann gehe ich hinein." — „Bein,
wirklich, Fräulein - ich-' — „Mein Gott, Sie können mich ruhig
gehen lassen. Ich höre ihn kommen. Gehen Sie. Gehen Sie doch fort."
Die Klinke ciiitr Zimmerlür rechts von der Diele wurde herunter-
gcdrückt. Er stand da. - „Was ist denn?" halte cr sagen wollen, un-
geduldig, denn das Sprechen vor seiner Tür berührte ihn unangenehm.
O, sie wußte es noch von früher, alles wußte sie noch-
-Aber dann veränderte sich sein Gesicht unter einer starken Bewegung.
Er zog die Tür noch besonnen hinter sich zu, und dann kam cr. Er sagte
gar nichts, nahm nur ihre Hand an seinen Mund, fast galant, fast rin
wenig fremd und streifte mit seinem Atem ihre Finger und zog sic wort-
los fort in das Zimmer jenseits der Diele.
„Du bist da?" sagte cr leise, „Du bist da?" und nahm sic an sich
und str-lck"-ste mit seiner Hand ihr Haar und mit feinem Munde ihre
Stirn. „Goneril, Kind, wo kommst du denir her? Du kommst zu mir?
So einfach im blauen Sommcrkleidchcn und ohne Hut?" - Sie stand
so da, sah ihn nur strahlend an, und das Glück verschlug ihr die Ncdc.
Sie war ganz strunm und hilflos und ließ sich imincrsort streicheln. -
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