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V!ana Walther Vih

Der j I u dj ö e r bösen L a t

von Kran; Adam Beyerlein

Meine Krau schickt mich gern „elnholen". Sie behauptet, Herren werden
von den Ladnerinnen stets schneller und besser bedient als Damen. Nach
meinen Lrsahrungen hat sie recht mit dieser Behauptung. Ach hole also auch
unser Brot ein, bei einem Bäcker, der zugleich leckeren buchen feilhält. Lei-
der reicht unser Geldbeutel nicht zu Rüchen, aber das knusperigste, schönste
Brot, das gerade die Mitte hält zwischen zu hell und zu dunkel gebacken,
bekomme immer ich. Kräulein Annchen sucht es mir aus. Annchen — die
Rolleginnen vom Ladentisch nennen sie so, nicht ich — ist ein strahlend hüb-
sches, junges Ding und ein Racker dazu: sie ist noch mehr „zum Anbeißen"
als der Rüchen, mit dem sie hantiert. Zu mir sagt sie: „Lin Vierer brot, nicht
wahr, 5«t Doktor?" und lacht dazu. Eie lacht ost. Gott, sie weiß, daß sie
einen kleinen Mund und prachtvolle Zähne hat. Lind „Herr Doktor" ron
solchen Lippen! An was für vergangene schönere Zeiten erinnert das! D alte
Burschen Herrlichkeit!

Also jüngst hol' ich wieder mal unser Brot. Der Laden ist voll, und auch
Fräulein Annchen ist nicht srei. Aber ich vertraue: sobald sie frei wird, läßt
sie mich nicht warten. Augenblicklich lacht sie nicht, sondern hat die Brauen
finster geschürzt. Sie bedient eine Dame — nein, eine Krau. — Unsinn! ein
Weib, — auch nicht! ein Weibsbild, — nein: eine schwammige Kettmadame,
die sich das Vließ eines fabelhaften Pelzwesens, eines Silberwolfcs oder
Weißwildschweines um den Hals gewürgt hat und in den ungewaschenen
(Vhrcn erbsengroße Brillanten trägt. Das Stück wcibsfleisch ißt — nein!

frißt, während es immerzu bestellt, ein Stück Apfeltorte nach dem andern
schlank vom Teller aus der Ladentasel weg. Die Apseltortenstücke sind ja —
leider! — sehr klein geworden, immerhin leistet dieDicke etwas Lrklecktiches
im Schlingen, und die harrenden Menschen im Laden sehen ihr dabei ge-
spannt und gewissermaßen atemlos zu. Lines nach dem andern! Lines nach
dem andern! Zu meiner Rechten fühl' ich eine liebe alte Dame deutlich er-
zittern unter der Wucht des Geschauten.

Zetzt tippt die Kettmadam etwas auf einer Schale an und fragt: „Sei-
nen das Maronen?"

Annchen saßt den angerührten kleinen, runden Rüchen mit spitzen Kin- »
gern an und wirst ihn in den Absallkorb unterm Tisch. „Rein," antwortet
sie mit silberig klarer, etwas lauter Stimme, „das find Makronen."

Die Dicke: „Aßt man die zur Bolliong?"

Annchen bleibt vor Staunen der reizende Schnabel offen, aber fürs erste
verbessert sie doch: „Sie meinen Bouillon?"

Da ergreif' ich das Wort und sage: „Aber noch seiner, meine Aller-
gnädigste, sind zur Bolliong Baisers mit Schlagsahne."

„Ach danke Ahnen, mein 5m," grinst die Madame, „ich hatte nur daraus
vergessen."

Der ganze Laden verfolgt die Lntwickelung der Dinge mit stummer, aber
um so brennenderer Teilnahme. Und die Bebrillantete fährt fort: „Da
schicken Se mer acht Baisers mit Schlagobers, Krailein! Heit bis sechs Uhr!"

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Walter Ditz: Diana
Franz Adam Beyerlein: Der Fluch der bösen Tat
 
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