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BEI DIR

Nimm midi noch einmal (o in dein Gefkfit!

Aus dunkler Augen rätselvollem Blinken
laß midi die Tiefen deiner Seele trinken,
erfüllt von fremdem, nieverzehrtem Licht.

Lab mich in deiner Gnade strengem Blick
verweilen lang und nie mehr Andres wollen,
als ihrem letzten Ernfl gehorchen sollen,
in ihn versinkend wie in ein Geschick

Margarete Sachfe

*

EIN TRAUM

Ich sah im Traum:

Von schaukelnd grünen Bäumen helle Gänge,
in denen hohe blaue Frauen gingen.

Die Sonne flutete in leichten Silbergärten

und wob von Baum zu Baum ein weiches Singen.

Der Wind stog kaum

und schwang (ich leicht auf einen dunklen Ast,
so wie ein Vogel, suchend Abendraft.

Fern überm See stieg leicht aus blauem Dust
ein schlanker Tempel gegen rosenrote Lust.

Ein sanstes Licht wob Brücken zu den Dingen
und blaue Schleier hoben std, und sanken,
wie große Blumen aus- und niederschwanken.

Von seltsam fernen Tönen war ein Klingen,
wie wenn ein Windhauch eine Harfe traf.

Der Himmel gelb wie eine Kuppel brannte,
die alles in die goldne Feier bannte.

Und leise schloß die Welt ihr Aug im Schlaf.

Es wurde Nacht.

Der Himmel war ein großer schwarzer See,
auf dem schneeweiße Schwäne schwimmend zogen.
Wie Edelsteine glühten Bäume, Blumen
durchsichtig in des Mondfheins weißem Bogen
Laut klang die Pracht.

Rolf Grashey

GEN MORGEN

Mein Herz ist ganz voll Sommernacht,

Die Mittnachtwetter sind verzogen
Im Mondlicht greif ich reife Frucht,

Die du zu mir herabgebogen.

O heller Gott, in dunkler Tracht,

Mit deinem Sternengang, dem leisen'
Dein Funkenrausch der großen Nacht

Will einzig uns gen Morgen weifen

In deinem Arm, herbhohe Frau,

Seh ich ihn ährengolden tagen
Und hör in dir der Gottheit Puls

Tief einig mit dem meinen schlagen.

Hermann Gebhardt

*

LIEBESLIED

Ich möchte eine alte Kirche fein,

Voll Dunkelheiten, Gold und Kerzenfehein.

Wenn du dann weinst und rote Wunden hast.
Kommst du herein zu mir mit deiner Last.

Ich streichle deinen Schmerz mit Dämmerung
Und dein Gebet mit leifem Lampenfchwung,

Und wagst du nicht, allein mit Gott zu ringen,
Will ich als Orgel ferne mit dir singen.

Dann tönt die Wölbung, und die Kerzenslammen
Und Fensterfarben gießen sich zusammen.

Die Heilgen stellen gütig sich herzu
Und wiegen dich und lullen dich zur Ruh.

Ich möchte eine alte Kirche sein.

Voll Dunkelheiten, Gold und Kerzenschein.

Wenn du dann weinst und rote Wunden hast,
Kommst du herein zu mir mit deiner Last.
Manfred Hausmann

BEHÜTET

Die tiefe Nacht loscht alle Lichter aus ...

Da duckt sick eng und ängstlick Haus zu Haus,

Wie Mädcken bang im Dunkel um sick fassen,

Die mit der Sehnsuckt ganz allein gelassen,

Die Straßen werden fckmal wie jenes Band,

Das sick vom warmen Sein zum Tode spannt.

Und alle Bäume feh'n so drohend aus,

Wie ein vom Bosen abgefandter Graus.

Ich aber gehe hin mit sickerm Schritt:

Auch durch das Dunkel geht dein Segen mit.
Hedwig Ernß

*

DU!

All mein Tun und all mein Denken

scheint dein Herz in mir zu lenken.
All dein scheinbar freies Wollen

ist mein Wille, wird dein Sollen.

Unsre beiden Lebensachfen

find in eine nur verwachsen.

Und fo wird zu jedem Werke

stets verzwiefacht unsre Stärke.

*

Manchmal strömst du in mir wie leuchtendes Licht.
Dann fühle ich all meine Kräfte quellen und
glühen,

dann fühle ich die Qual des Daseins nicht
und (ehe rings nur lichtes Leben blühen.

Dann bin ich wie ein Himmel ausgespannt,
fühl alles Glück der Erde in mir blauen,
und meine Hand wird eines Gottes Hand,
aus der dann Wunder tiefster Güte tauen....
Fritz Kudnig

BELL

Ein Sommer in den Wiesen am Niederrhein von H. HESSELBARTH

Zwifchen den Feldern rechts und den Wiesen links, den alten Damm ent-
lang, das ist ein Weg! Da bist du ganz allein. Ick ging sckon viele Wege, krumme
und gerade, fckmale und breite, offne und heimlicke: keinen liebe ick wie
diesen. -

Es gehört sonst zum Wesen jedes Weges, daß er zu irgend einem anderen
Weg hinleitet, in irgend eine Straße mündet, daß er zu einem „System" ge-
hört, aber der Weg, von dem ick sprecke, der kümmert sick nickt um andere
Wege und Straßen, der gehört zu keinem System.

Er kommt nirgendwoher und führt nirgendwohin. Sckeinbar ohne Sinn und
Beruf führt er sein einsiedlerisckes Dasein hinterm Damm zwifcken den Fel-
dern reckts und den Wiesen links. Faul wie ein alter Landstreicker liegt er
da. Ihm ist nickt zu helfen; er ist ein Verlorener, ein Verkommener, gras-
und blumenüberdeckt, wie er ist. -

Ja, vielleicht hatte auch er feine ruhmreichen Tage, früher, einst in grauer
Vorzeit vielleicht. Einige Umstände scheinen mir dafür zu fprechen, aber das
ist ohne Bedeutung für mich. Mag es ein anderer unternehmen, feine Ver-
gangenheit aufzudecken. — Ich kann mir ja gut denken, daß früher einmal,
ganz früher, als er vielleicht noch mit anderen Wegen Verbindung hatte, ir-
gend so ein Cäfar oder Napoleon auf ihm hingeritten ist, und daß er damals
ein bedeutendes Ansehen hatte, - Mag es immerhin so gewesen sein, ick mag
es nickt untersucken. —

Heute jedenfalls hat er kein Ansehen mehr; denn mit der einen, allerdings
sehr tiefen und unverrückbaren Räderspur und dem fchwach angedeuteten
Fußpfad dazwischen kann er als Weg nicht viel Staat machen. Nein, als Weg
nicht, aber triff ihn im Sommer, wenn Wiese und Feld hockstehen - und du
wirst ihn vielleicht gar nicht als Weg erkennen, wenn du das grüne Buch nicht
zu lesen verstehst, sondern du wirst dick vielleicht verwundern, wie solch ein
bunter Blumengarten mitten zwifchen Felder und Wiesen kommt. Denn Blu-
men stehen da in strotzender, verschwenderischer Menge und vieler Art; man

kann sie nicht alle nennen. Manchmal herrschen die gelben vor und manch-
mal die weißen, aber am schönsten ist der Weg für mich zur Zeit der Korn
blumen und des Mohns. Er ist fast zu bunt dann, das muß ich zugeben, aber
gerade dieses „fast" ist es, worauf es mir ankommt. -

Dock es hat mit diesem Wege seine besondere Bewandtnis, und ick muß
nock mehr von ihm sagen. Laßt mick ein wenig ausholen. —

Ich fand ihn, als ich eines glücklichen Sommertages durch die Wiesen trollte.
O Wiesen, wer wird einmal euer Lied singen! Wo ist der Eichendorff, der
Peter Hille der Wiesen! Einen Preis einen königlichen Preis möchte ich aus-
fetzen für den Dichter, der mir das Lied, das große Wiefenlied endlich sänge
Wissen die Dichter denn gar nichts von den tausend Schönheiten der Wiesen
und von der Seligkeit des Herumtreibens in ihnen! -
Wie eine faule Hummel, frei und honigfatt, ein nichtsnutziges Geschöpf
Gottes, trudelst du summend umher, hast nichts zu begehren und nichts zu
beeilen, nichts zu verwünschen und nichts zu verbergen. Die kleinen Blumen-
gesickter alle, Vogellaut und Insekten summen, die Lust, der Wind, Himmel
und Erde, - alles lacht dich an, alles ist dir freundlich und vertraut, du ge-
hörst dazu, mit allem bist du irgendwie innig verwandt, und die Sonne segnet
dich und nennt dich ihr liebes Kind. -
Solchen Tags fand ich den Weg. Ich ging einem Vogel nach, der mir un-
bekannt war und einen Pfiff hatte wie ein Gassenjunge. Er flog ein Stück, ver-
fchwand irgendwo in den Blumen, ließ mich nahe herankommen, saß gleich
in einem Busch und segelte dann wippend und lachend davon, ehe ich ihn
noch recht gesehen. So lockte er mich bis an den alten Damm, der ein Stück
der Wiesen vor den Feldern begrenzt, überflog ihn und entschwand mir so.
- Ich stieg hinauf auf die kleine Erhöhung - bald werden die Wiesen ihn
ganz au (gesaugt haben, den Dammrest -: da sah ich ihn, den Weg.

Zwifchen den Feldern rechts und den Wiesen links, den Damm entlang -
da lag er und schrie rührend gen Himmel in mohnrot und kornblumenblau.

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Register
Hermann Gebhardt: Gen Morgen
H. Hesselbarth: Bell
Fritz Kudnig: Du!
Rolf Grashey: Ein Traum
Margarete Sachse: Bei Dir
Hedwig Ernst: Behütet
Manfred Hausmann: Liebeslied
 
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