DON JUAN-KLUB
VON IOSEFA METZ
Bittner, Flensky und von Hölzl, zu|ammen 220 Jahre,
bisher unverheiratet, verwitwet oder gefchieden, faßen
in Klubsesseln um die Kaffeemaschine, deren lebhafter
werdenden Äußerungen sie mit Spannung verfolgten.
„Gleich klappt sie," sagte Bittner, der Hausherr. Sie tat es,
und er machte, den Kaffee einlausen lassend, das Honneur.
Dann beschäftigten fte sich wieder mit Stillschweigen, unter-
brochen durch langsame Schlucke. Flensky gähnte, Dann
von Hölzl. „haßt das, es steckt an," äußerte Bittner und
gähnte gleichfalls. - „Und wir waren einmal der Don Juan-
Klub," sagte Flensky. - „Waren?" fuhr v. Hölzl auf.
— „Na ja, der Klub besteht ja noch."
„Diese ewigen Anzüglichkeiten!.. Aul” - v.Hölzl be-
kam das Auffahren nicht, denn er hatte „Hexenschuß"
wie er es nannte. -
„Jaja, das schadet Deinem Podagra," konstatierte
Flenski. Hölzl überhörte es. „übrigens wenn ich reden
wollte...” brach er geheimnisvoll ab. Er war der Jüngste
und erst 69 Jahre alt.
„Renommier schon," sagte Bittner freundlich und ließ
frischen Kaffee in Hölzls lasse laufen.
„Ich pflege meine Erlebnisse diskret zu behandeln."
„Andere haben vielleicht auch noch Grund zum Renom-
mieren," lächelte Flensky verschmitzt, und „Ja ja," stimmte
Bittner ein.
„So, jetzt wollt Ihr auf einmal auch alle frische Erleb-
nisse gehabt haben 1”
„Wer spricht denn von Erlebnissen?!"
„Ich habe davon geschwiegen."
„Habe ich etwa davon geredet?!” entrüstete sich Hölzl
„Also erzähl schon," gähnte Flensky.
„Jetzt habt ihr mich um die ganze Stimmung gebracht.”
„Spielen wir Domino," schlug Bittner vor.
„Es ist überhaupt nur Neid von euch.”
„Neid?! Mit so anstrengenden Sachen gebe ich mich
schon längst nicht mehr ab,” gähnte Flensky.
„Also wo verkauft ,fie‘ denn?" fragte Bittner gemütlich.
„Als ob sie überhaupt verkaufte I"
„Richtig, Du warst immer mehr fürs Theater.”
„Mit der Kunst bin ich ein für allemal fertig.”
„Er fängt wahrscheinlich jetzt mit der höheren Töchter-
schule an.”
Richard Rost
GETEILTE ARBEIT
„Unfa Herrgott kann d’ Sach' bloß wachsen lassen,
aber d’ Preis mach’n mia !"
Hölzl zog die Augenbrauen so hoch es ging und griff in
vornehmer Abwehr nach der Zeitung.
„Jetzt kommen wir um sein Abenteuer. Schade.”
„Erzählen wir zwei uns die einstigen." —
"Ich erlebte meines in der Markthalle,” sagte Bittner
bescheiden. „Ich wollte mich mal nach wirklich gutemSpargel
umsehen. Meine Marie fetzt mir immer Zündhölzer statt
Spargel vor. Dafür, und für andre Sünden, wird sie nun
nächstens auch stiegen "
„Was, Du willst Dich von ihr emanzipieren?”
„Da dürste von jetzt ab der Kaffee besser sein," äußerte
Hölzl scharf hinter seiner Zeitung - „Das dürste er.”
„Weiter weiter!" drängte Flensky. „Welches Gemüse
führte euch zusammen?" - „Eine Poularde."
„Das ist doch kein Gemüse!" kritisierte Hölzl.
„Sehr richtig, es ist ein Luxus-Haustier.”
„Stör doch nicht immer! Du hast ja Deine Zeitung,”
verwies Flensky.
„Wenn ich Ungenauigkeiten höre, stört mich das beim
Zeitungsiefen.”
„Ja, wir besahen uns beide eine Poularde. Ihr war sie
zu klein, und da fragte sie, ob ich sie für mehrere Personen
haben wollte, ich sagte nein, nur für mich allein. Dann
genüge es, meinte sie. Sie war wundervoll, nicht groß,
aber fett.”
„Pfui,fette Frauen!”war| Hölzl ein. - „Ich spreche doch
von der Poularde.” - „Und die .Betreffende'?" fragte
Flensky eifrig. - „Auch voll, aber nicht fett.” — „Für
Markthallen-Interieurs habe ich kein Interesse."
„Du liest doch Zeitung. Das heißt... Du hast ja die
ganze Zeit über die Zeitung verkehrt herum gehalten.”
„So? Das ist ein kleines Versehen." — „Also weiter,
Bittner.”
„Na, ich nahm sie also. Den Spargel hatte ich schon und
kaufte nur noch ein Bündchen Radieschen_”
„Sehr idyll sch. Aber wo bleibt das Abenteuer? Bei
mir ...” Hölzl brach ab.
„Ich bin wirklich gespannt, auf welche Weise Du?..."
Hölzl schlug sofort ein: „Beim Tee im Esplanade. Schick,
üppig-schlank, distinguiert. Sprachen über Musik. Sie be-
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehmen
DIE N E UE HAUS NEUERBURG ZIGARETTE fl*
1922 / JUGEND Nr. 17
664
VON IOSEFA METZ
Bittner, Flensky und von Hölzl, zu|ammen 220 Jahre,
bisher unverheiratet, verwitwet oder gefchieden, faßen
in Klubsesseln um die Kaffeemaschine, deren lebhafter
werdenden Äußerungen sie mit Spannung verfolgten.
„Gleich klappt sie," sagte Bittner, der Hausherr. Sie tat es,
und er machte, den Kaffee einlausen lassend, das Honneur.
Dann beschäftigten fte sich wieder mit Stillschweigen, unter-
brochen durch langsame Schlucke. Flensky gähnte, Dann
von Hölzl. „haßt das, es steckt an," äußerte Bittner und
gähnte gleichfalls. - „Und wir waren einmal der Don Juan-
Klub," sagte Flensky. - „Waren?" fuhr v. Hölzl auf.
— „Na ja, der Klub besteht ja noch."
„Diese ewigen Anzüglichkeiten!.. Aul” - v.Hölzl be-
kam das Auffahren nicht, denn er hatte „Hexenschuß"
wie er es nannte. -
„Jaja, das schadet Deinem Podagra," konstatierte
Flenski. Hölzl überhörte es. „übrigens wenn ich reden
wollte...” brach er geheimnisvoll ab. Er war der Jüngste
und erst 69 Jahre alt.
„Renommier schon," sagte Bittner freundlich und ließ
frischen Kaffee in Hölzls lasse laufen.
„Ich pflege meine Erlebnisse diskret zu behandeln."
„Andere haben vielleicht auch noch Grund zum Renom-
mieren," lächelte Flensky verschmitzt, und „Ja ja," stimmte
Bittner ein.
„So, jetzt wollt Ihr auf einmal auch alle frische Erleb-
nisse gehabt haben 1”
„Wer spricht denn von Erlebnissen?!"
„Ich habe davon geschwiegen."
„Habe ich etwa davon geredet?!” entrüstete sich Hölzl
„Also erzähl schon," gähnte Flensky.
„Jetzt habt ihr mich um die ganze Stimmung gebracht.”
„Spielen wir Domino," schlug Bittner vor.
„Es ist überhaupt nur Neid von euch.”
„Neid?! Mit so anstrengenden Sachen gebe ich mich
schon längst nicht mehr ab,” gähnte Flensky.
„Also wo verkauft ,fie‘ denn?" fragte Bittner gemütlich.
„Als ob sie überhaupt verkaufte I"
„Richtig, Du warst immer mehr fürs Theater.”
„Mit der Kunst bin ich ein für allemal fertig.”
„Er fängt wahrscheinlich jetzt mit der höheren Töchter-
schule an.”
Richard Rost
GETEILTE ARBEIT
„Unfa Herrgott kann d’ Sach' bloß wachsen lassen,
aber d’ Preis mach’n mia !"
Hölzl zog die Augenbrauen so hoch es ging und griff in
vornehmer Abwehr nach der Zeitung.
„Jetzt kommen wir um sein Abenteuer. Schade.”
„Erzählen wir zwei uns die einstigen." —
"Ich erlebte meines in der Markthalle,” sagte Bittner
bescheiden. „Ich wollte mich mal nach wirklich gutemSpargel
umsehen. Meine Marie fetzt mir immer Zündhölzer statt
Spargel vor. Dafür, und für andre Sünden, wird sie nun
nächstens auch stiegen "
„Was, Du willst Dich von ihr emanzipieren?”
„Da dürste von jetzt ab der Kaffee besser sein," äußerte
Hölzl scharf hinter seiner Zeitung - „Das dürste er.”
„Weiter weiter!" drängte Flensky. „Welches Gemüse
führte euch zusammen?" - „Eine Poularde."
„Das ist doch kein Gemüse!" kritisierte Hölzl.
„Sehr richtig, es ist ein Luxus-Haustier.”
„Stör doch nicht immer! Du hast ja Deine Zeitung,”
verwies Flensky.
„Wenn ich Ungenauigkeiten höre, stört mich das beim
Zeitungsiefen.”
„Ja, wir besahen uns beide eine Poularde. Ihr war sie
zu klein, und da fragte sie, ob ich sie für mehrere Personen
haben wollte, ich sagte nein, nur für mich allein. Dann
genüge es, meinte sie. Sie war wundervoll, nicht groß,
aber fett.”
„Pfui,fette Frauen!”war| Hölzl ein. - „Ich spreche doch
von der Poularde.” - „Und die .Betreffende'?" fragte
Flensky eifrig. - „Auch voll, aber nicht fett.” — „Für
Markthallen-Interieurs habe ich kein Interesse."
„Du liest doch Zeitung. Das heißt... Du hast ja die
ganze Zeit über die Zeitung verkehrt herum gehalten.”
„So? Das ist ein kleines Versehen." — „Also weiter,
Bittner.”
„Na, ich nahm sie also. Den Spargel hatte ich schon und
kaufte nur noch ein Bündchen Radieschen_”
„Sehr idyll sch. Aber wo bleibt das Abenteuer? Bei
mir ...” Hölzl brach ab.
„Ich bin wirklich gespannt, auf welche Weise Du?..."
Hölzl schlug sofort ein: „Beim Tee im Esplanade. Schick,
üppig-schlank, distinguiert. Sprachen über Musik. Sie be-
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehmen
DIE N E UE HAUS NEUERBURG ZIGARETTE fl*
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