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Am Waldbach (1862)

Hans Thomas Münchner Jahre

Vorbemerkung: Unser heuliges Heft zeigt ln seinem bildlichen Tell ausschließlich ftühe Werke deS Altmeisters Thoma, die wir der schönen Sammelausstellung dieses IahreS ln der Berliner
Nationalgalerle verdanken. Als beste Ergänzung dam erscheint uns die nachstehende Schilderung der Münchner EntwicklungSjahre, den Erinnerungsblättern des Künstlers entnommen, die unter dem
Titel „Im Herbste des Lebens" im Verlag der Süddeutschen Monatshefte 1919 erschienen sind. — Die Schriftleltung.

Aber ich will nun von München erzählen, wohin ich im November
1870, mein Glück zu probieren, zog — und id) darf sagen, daß ich
dort mein schönstes Lebensglück gefunden habe, das mich 25 Jahre
begleitet hat, die schönste Zeit meines Lebens, und das, wie ihm
schließlich alles verfällt, der grausame Tod von mir gerissen hat.

Mit Hoffnungen, Erwartungen, Befürchtungen tritt man in eine
solche Stadt — und gerade München hat einen geheimnisvollen
Zauber — von dem ich nicht sprechen will, weil er allgemein bekannt
und anerkannt ist. Es ist freilich jetzt schon dreißig Jahre her, aber
ich glaube, daß das, was ich über München sage, auch jetzt noch
gelten wird Ich hatte das Gefühl, in eine Stadt eingetrctcn zu sein,
in der deutsches Wesen in einem Stamm voll Eigenheit noch über
gute Kräfte verfügt. Die Bayern, ein frohgemutes Volk und wohl
der kunstbcgabtestc Stamm der Deutschen — eine Stadt, in der
leben und leben lassen noch recht viel Geltung hat. Das von mir
durch die Not erworbene Unabhängigkeitsgefühl kam wohl hier

besser zur Geltung als irgendwo anders. So, wie in München fühlt
sich der Künstler doch in keiner anderen deutschen Stadt. Teilnehmend
ratende Freunde erwarteten mich dort, und ich mietete ein recht kleines
Atelier und wollte in aller Stille für mich bleiben — und fing auch
ein bestelltes Bild zu „Hebels Morgenstern" an zu malen. Einer
der guten Freunde sprach mir aber eifrig zu, ich müsse in die Piloty-
schule eintreten, wenn ich in München vorwärtskommcn wolle; ich
hatte aber, nachdem ich Pilotybildcr gesehen hatte, keine Lust hierzu,
besonders der Kolumbus war schuld daran, ich konnte mein künstle-
risches Fühlen nun einmal in keinem Zusammenhang bringen mit
der Entdeckung Amerikas, so sehr ich diese Tatsache auch schätzte.
Was sollte ich in der Pilotyschule? Der gut meinende Freund kam
wieder und wurde dringender, und auf meine schwachmütige Aus-
rede, daß ich gehört habe, die Pilotyschule sei überfüllt, Piloty nehme
keine Schüler mehr an, sagte er mir, er wisse bestimmt, daß ich
angenommen werde. So mußte ich nun offen herausrücken und ihm

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