„Nur rreqm der saudummen Eifersucht," sagt der Herr Bömmlein.
„Und warum denn dieses unbegreifliche Auf und Davon, Hals über
Kopf? Als wie wenn die zwei Damen Ihnen ein Leids angetan hätten."
„Die zwei grad nicht, Herr Schnegg. Aber fitzen Sie einmal einen gan-
zen Winter lang, nach der anstrengenden Kontorarbeit, Abend für Abend
auf dem Ehrenplatz bei Frau Zacherl — denn anders tut ste 's ja nicht —,
und mein Verhalten und mein endliches Auf und Davon wird Ihnen nicht
mehr fo rin begreiflich Vorkommen."
„Kann fein, kann fein," fagt der Herr Schnegg. „Aber drei Wochen ohne
alles Lebenszeichen — wie haben Sie sich denn das eigentlich gedacht?"
„Als Kur für die Rosl," sagt der Herr Bömmlein „von wegen dieser
saudummen Eifersucht und als Erholung für mich von diesen infamen So-
fafeöern. Ein andrer," sagt der Herr Bömmlein und erhebt die Stimme,
„der es mit seinem Dienst weniger gewissenhaft nahm, wär überhaupks
in ein Sanatorium."
Und der Herr Schnegg weiß jetzt genug. Nimmt seinen Regenschirm,
obwohl es draußen das herrlichste Frühlingswetter hat, nimmt feine Pelz-
haube, obwohl draußen schon manch ein Strohhut daherkommt, und geht.
„Frau Zacherl," fagt er gleich am nächsten Tag. „nur ein paar Wort
unter vier Augen. Frau Zacherl! Ich war nicht immer so unempfänglich
gegen die Frauenwelt, wie es vielleicht auf Fernstehende heute den Eindruck
macht. Ich weiß darum sehr genau, was man der Liebe zumuten darf und
was nicht. Frau Zachert! Unvollkommenheiten, wie sie Ihr Kanapee auf-
weist, sind auch siir eine reine, uneigennützige Liebe zu groß. Lasten Sie
sofort auf meine Kosten Ihr Sofa zum Tapezierer Grünbaum schasten!
Herr Grünbaum hat bereits Weisung. Das Weitere geht Sie nichts an.
Zweitens: wenn morgen der Herr Bömmlein wieder austauchk, fo können
Sie ruhig sagen, die Rosl bekommt einmal fünfzig- bis sechzigtausend Mark,
denn sie steht feit Jahr und Tag in meinem Testament. Und drittens: jetzt
kommen S' auf der Stell mit mir, damit wir für die zwei Leutln die Aus-
steuer besorgen! Ruhe! Nichts als ein Akt der Gerechtigkeit; denn ich kann's
entbehren und die Rosl brauchl's."
Der Witwe Zacherl stehen die hellen Tränen im Aug.
„Und Sie, grad Sie," sagt sie, „zweifeln dran!" — „Ich? Zweifeln?
An was?" — „Und grad Sie, Sie bringen die Wahrheit auf!" — „Ich?
Die Wahrheit? Von was denn?" — „Vom goldenen Münchner Herz."
VORSTADTLEGENDE
Don Ernst Hoserichter
Uin Mitternacht ging der Herr Jesus über die himbeerroten Stufen des
Hochaltars, durch die verriegelte Sakristeipforte — auf den Domplatz hinaus.
Weiße Sterne waren an die samtenen Wände der Nacht gestickt. Bleich-
süchtig schliefen die Häuser, wie spielwarengefüllte Pappschachteln an-
einander gelehnt. . . Der Mond hatte einen frhch auSgekehrlen Hof Uiid
ein neu rasiertes
Eesicht.DenSei-
fenfchaumfpritz-
te er wolkig auf
dem weiten Tisch-
tuch des Firma-
ments herum...
Und der Herr
Jesus schritt die
weiß - polierten
Trambahnfchie-
nenenllang.Der
Voistaöt zu..!
Vom Gü-
terbahnhof her
schluchzten die
Rangiermaschi-
nen wie Nach-
tigallen.
ER setzte
sich ain Grünen
Markt auf ei-
nen Gemüse-
stand, aus dem
es nach Petersi-
lie und Schnitt-
lauch roch. . . .
Und mußte
an Garten und
Einfamilienhaus
von Nazareth
denken.
Zu feinen Fü-
ßen gurgelte
sich ein Hydrant
der Straßenrei-
nigung die guß-
eiserne Mund-
höhle aus. Voll- Familie
gepumpt fuhr ein kanarienvogelgelber Spritzenwagen Regen durch die dur-
stigen Straßen. — Über eine Plakatwand stieg rosarot, wie die Haarschleife
eines Ladenmädchens, der Morgen auf.
Die Mietkasernen öffneten ihre Augen — und Kaffeegeruch wehte durch
die Türen. Bäckerlehrlinge liefen backofenwarm am Rinnstein entlang,
Zeitungsfrauen
und Briefträger
zählten brum-
mend ihre vier-
ten Stockabon-
nenten zusam-
men.
Und der Herr
Jesus machte
sich wieder auf
und kam an ei-
nem Schnlhaus
vorüber, wo ge-
rade der Ober-
lehrer aus fei-
nem Fenster her-
aus den roten
Korrektur-Stift
spitzte. Daß es
wie Blutstrop-
fen auf den grü-
nen Rasen siel!
Der HERR
ließ sich durch
denHauömeister
bei ihm anmel-
den. Da steckte
sich der Schul-
vorstand, so
schnell er nur
konnte, seine
Dienstmedaillen
und Veteranen-
VereinS - Orden
durchs Knopf-
loch, richtete dei,
Stoß Schön-
schreibhefte ge-
Naoierung von Willy Hallstei» (München) radelaufend mit
936
„Und warum denn dieses unbegreifliche Auf und Davon, Hals über
Kopf? Als wie wenn die zwei Damen Ihnen ein Leids angetan hätten."
„Die zwei grad nicht, Herr Schnegg. Aber fitzen Sie einmal einen gan-
zen Winter lang, nach der anstrengenden Kontorarbeit, Abend für Abend
auf dem Ehrenplatz bei Frau Zacherl — denn anders tut ste 's ja nicht —,
und mein Verhalten und mein endliches Auf und Davon wird Ihnen nicht
mehr fo rin begreiflich Vorkommen."
„Kann fein, kann fein," fagt der Herr Schnegg. „Aber drei Wochen ohne
alles Lebenszeichen — wie haben Sie sich denn das eigentlich gedacht?"
„Als Kur für die Rosl," sagt der Herr Bömmlein „von wegen dieser
saudummen Eifersucht und als Erholung für mich von diesen infamen So-
fafeöern. Ein andrer," sagt der Herr Bömmlein und erhebt die Stimme,
„der es mit seinem Dienst weniger gewissenhaft nahm, wär überhaupks
in ein Sanatorium."
Und der Herr Schnegg weiß jetzt genug. Nimmt seinen Regenschirm,
obwohl es draußen das herrlichste Frühlingswetter hat, nimmt feine Pelz-
haube, obwohl draußen schon manch ein Strohhut daherkommt, und geht.
„Frau Zacherl," fagt er gleich am nächsten Tag. „nur ein paar Wort
unter vier Augen. Frau Zacherl! Ich war nicht immer so unempfänglich
gegen die Frauenwelt, wie es vielleicht auf Fernstehende heute den Eindruck
macht. Ich weiß darum sehr genau, was man der Liebe zumuten darf und
was nicht. Frau Zachert! Unvollkommenheiten, wie sie Ihr Kanapee auf-
weist, sind auch siir eine reine, uneigennützige Liebe zu groß. Lasten Sie
sofort auf meine Kosten Ihr Sofa zum Tapezierer Grünbaum schasten!
Herr Grünbaum hat bereits Weisung. Das Weitere geht Sie nichts an.
Zweitens: wenn morgen der Herr Bömmlein wieder austauchk, fo können
Sie ruhig sagen, die Rosl bekommt einmal fünfzig- bis sechzigtausend Mark,
denn sie steht feit Jahr und Tag in meinem Testament. Und drittens: jetzt
kommen S' auf der Stell mit mir, damit wir für die zwei Leutln die Aus-
steuer besorgen! Ruhe! Nichts als ein Akt der Gerechtigkeit; denn ich kann's
entbehren und die Rosl brauchl's."
Der Witwe Zacherl stehen die hellen Tränen im Aug.
„Und Sie, grad Sie," sagt sie, „zweifeln dran!" — „Ich? Zweifeln?
An was?" — „Und grad Sie, Sie bringen die Wahrheit auf!" — „Ich?
Die Wahrheit? Von was denn?" — „Vom goldenen Münchner Herz."
VORSTADTLEGENDE
Don Ernst Hoserichter
Uin Mitternacht ging der Herr Jesus über die himbeerroten Stufen des
Hochaltars, durch die verriegelte Sakristeipforte — auf den Domplatz hinaus.
Weiße Sterne waren an die samtenen Wände der Nacht gestickt. Bleich-
süchtig schliefen die Häuser, wie spielwarengefüllte Pappschachteln an-
einander gelehnt. . . Der Mond hatte einen frhch auSgekehrlen Hof Uiid
ein neu rasiertes
Eesicht.DenSei-
fenfchaumfpritz-
te er wolkig auf
dem weiten Tisch-
tuch des Firma-
ments herum...
Und der Herr
Jesus schritt die
weiß - polierten
Trambahnfchie-
nenenllang.Der
Voistaöt zu..!
Vom Gü-
terbahnhof her
schluchzten die
Rangiermaschi-
nen wie Nach-
tigallen.
ER setzte
sich ain Grünen
Markt auf ei-
nen Gemüse-
stand, aus dem
es nach Petersi-
lie und Schnitt-
lauch roch. . . .
Und mußte
an Garten und
Einfamilienhaus
von Nazareth
denken.
Zu feinen Fü-
ßen gurgelte
sich ein Hydrant
der Straßenrei-
nigung die guß-
eiserne Mund-
höhle aus. Voll- Familie
gepumpt fuhr ein kanarienvogelgelber Spritzenwagen Regen durch die dur-
stigen Straßen. — Über eine Plakatwand stieg rosarot, wie die Haarschleife
eines Ladenmädchens, der Morgen auf.
Die Mietkasernen öffneten ihre Augen — und Kaffeegeruch wehte durch
die Türen. Bäckerlehrlinge liefen backofenwarm am Rinnstein entlang,
Zeitungsfrauen
und Briefträger
zählten brum-
mend ihre vier-
ten Stockabon-
nenten zusam-
men.
Und der Herr
Jesus machte
sich wieder auf
und kam an ei-
nem Schnlhaus
vorüber, wo ge-
rade der Ober-
lehrer aus fei-
nem Fenster her-
aus den roten
Korrektur-Stift
spitzte. Daß es
wie Blutstrop-
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nen Rasen siel!
Der HERR
ließ sich durch
denHauömeister
bei ihm anmel-
den. Da steckte
sich der Schul-
vorstand, so
schnell er nur
konnte, seine
Dienstmedaillen
und Veteranen-
VereinS - Orden
durchs Knopf-
loch, richtete dei,
Stoß Schön-
schreibhefte ge-
Naoierung von Willy Hallstei» (München) radelaufend mit
936