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Kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirne. Still verharrten
sie dort, ohne herabzurollen, zeugten von der Haltung eines Mannes,
der sich zu beherrschen weiß.

Sie lächelte und aß Filet. Er sagte, er möge es lieber nach englischer
Art, und für eine gute Köchin zahle er jeden Preis. Dann sprach er von
der seligen Wilhelmine, die 2O Jahre in seinem Elternhaus wirtschaftete
— die verstand so ein Filetchen aus dem ff! — Nicht in Paris — nicht
in Newpork — nicht in Pest hatte er je wieder solch ein Filetchen ge-
geffcn! -

Dort standen französischer und englischer Senf, Salz und Pfeffer,
Zahnstocher, Gläser, eine Blumenvase mit gelben Chrysanthemen, und
dahinter saß ihre Heimat. Ihre Heimat kaute, hatte Glanz im Blick
und Perlen im gestärkten Vorhemd.

Ihre Heimat hob zwei Finger und winkte lässig dem Kellner.

Da sah sie den bleichen Kellner mit Bewußtsein. Er lehnte schmal
und überfein gegen eine Anrichte und schaute teilnahmslos wie in eine
Leere.

Nun kam er näher — ein Prinz — müde - entthront - nahm selbst-
verständlich die Teller, ohne Hast, als sei es seine Bestimmung.

Sie sah seine schmalen Finger die Krümel ihres Brötchens mit der
Serviette zusammenkehren.

Er schritt davon, ohne Sonderlichkeit — ein Tablett tragend.

Ihre Heimat trank ihr vertraulich zu. Sie nickte erfroren.

. . . Entsetzen! Wie er leiden mußte — dienen! — In diese Hand
glitt ein Trinkgeld, der Rücken des verarmten Fürsten beugte sich skla-
visch dem reichen Emporkömmling. Ihr eigener Schmerz versank, da sie

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Ingrolf: Herbstliche Flußlandschaft
 
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