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PORTRAITS BERÜHMTER ZEITGENOSSEN

VON ERNST HOFERICHTER

I.

DER GOLDAUFKÄUFER

H. poeppel

GOLD

(Bruch)

BRILL


Paul Mehltreter kauft vou Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
zu den allerhöchsten Preisen Gold, Silber, Platin und Brillanten auf.

Er zahlt jeden gewünschten Be- _

trag. Aber nur im Inserat...

Ehedem war er jugendlicher
Held in einem Stadtthcater des
Böhmerwaldes. Da spielte er
Könige und Kaiser, vor denen sich
die Völker verneigten und schöne
Frauen in den Staub sanken.

Auf seinem Haupte blitzten Kro-
nen papierdoublec als Kurzschluß
auf...

Da lernte er Gold und Edel-
steine lieben wie einen monatlichen
Vorschuß. . . Ein Spenglerge-
hilfe, dem er dramatischen Unter-
richt gab, lehrte ihn als Gegen-
leistung, echte und falsche Metalle
unterscheiden. Zuerst übte sich
Paul an Zinkwellblech und Guß-
eisen ... dann aber immer auf-
wärts bis zu silbernen Maricn-
talern und goldenen Uhrketten.

Es war nicht allzu leicht. Beson-
ders am Anfang tat er sich schwer,
wo er sich nebenzu noch mit grie-
chischer Philosophie beschäftigte.

Da verwechselte er öfters Platin
mit Platon ...

Aber seitdem er Probierwaffer
und Schaber hat, passiert ihm

diese Verwechslung nur mehr bei starkem Geschäftsandrang. Paul Mehl-
tretcr hat auch eine Wage, die er antiquarisch von einem Kohlenhändler
erwarb. Aber gewöhnlich schätzt er das Gewicht der Wertgegenstände
allein mit der Hand ab. Besonders wenn er etwas unter der Hand kauft...

'IN SILBER

(Bruch)

PERLEN
[NE




Goldankauf

Um die Verkaufslust zu steigern, spielt in seinem Laden dauernd ein
Grammophon den Gold- und Silberwalzer.... Und die Vorüber-
gehenden ziehe» ihre Goldwerte,
wie TrambahnbilletS vor dem
Kontrolleur, aus ihrem Innern
hervor.

Eheringe springen auS den
Westentaschen, und Kautschuk-
gebisie mit Platinplomben fallen
von selbst auS den erstaunten
Mundhöhlen .... in des Auf-
käufers fangbereite Hände hinein.

Und schon pfaucht diePreßluft-
lampc wie ein rammclnderAngora-
kater über die gefüllten Slock-
zähne her. Auf daß er nicht wieder,
wie vorgestern, ein Staniolpapier
von Pralines — für hochfeines
Platin kauft.

Auf der Promenade sieht er
allen Passanten nach dem Munde,
und schätzt für sich dabei den Wert
ihres Gebisses ab. Oder er fragt
harmlos einen Vorübergehenden:
„Biltfchön, wie viel Uhr ist es

jetzt....?"-Nur um einen

goldenen Sprungdcckcl nach dem
jeweiligen Dollarstande bewerten
zu können. Und diesen Metallwert
bezieht er dann auf den Wert
der ganzen menschlichen Persön-
lichkeit. Er liebt nur edelmetall-
haltige Menschen — alle anderen verachtet er als unecht und Kitsch.
Deshalb Vorsicht vor jenen Menschen, die andere immer nach der Zeit
fragen . . . .! Paul Mehltreter ist unter ihnen und wertet und richtet
und schätzet ein — wie der Jüngste Tag.

Herbst-Ode

Frei nach Stefan George und feierlich herzusagen

Komm in den lotgesagten Park und schau:
Die spitzen Stacheln ausgelegter Drähte
Vermiedest Du bei Deinem Einbruch schlau,
Als ob der Gärtner selbst Dich näher bäte.

Doch nimm den Radi und das blaue Kraut,
Das, weich gekocht, von Sauce übertaut,

Wie köstlich Manna in den Magen tanzt.
Nur — Beefsteaks hat der Gärtner nicht
gepflanzt.

Drum halt Dich an die roten Äpfel hier,

Und blaue Zwetschgen magst Du nicht vergessen.
Die Rosen freilich, welche schwer zu essen,

Die lasse stehn als echter Kavalier.

Und sprich alsdann: Beschlossen ist die Frist.
Schnell! Wandre weiter auf den harten
Straßen,

Zumal der Schutzmann sich bekanntermaßen
Dort einstellt, wo er überflüssig ist. —

Ri-Ri

Deutscher Wein

Die Blüte der Reben vom Rhein es strande
Und Pfälzerlande wird rot vor Scham:
Ihr Blut zu geben der welschen Schande,

Die uns das Leben des Rheines nahm.

Die Moseltraube neigt tief in Trauer
Wie Witwenhaube das schöne Haupt,

Weil fremder Scherge dem Rebcnbauer
Den Herbst der Berge vom Stocke raubt.

Das Saar-Gelände, das stolz getragen
An Hängen und Hagen der Beere Last,

Liegt wie geschlagen; als wenn's empfände
Durch Diebeshände sein Herz erfaßt.

Wohl mögen legen sich Feindesfinger
Um jeden Segen des Winzergaus —

Der Winzer Seele siegt kein Bezwinger
— wie er sie quäle — zum Land hinaus.

Du Land des Weines, des herb' und süßen,
Bist doch nur Eines: bist deutsches Land!
Der Liebe Flügel aus Deutschland grüßen
Die Nebenhügel in Feindeshand!

A. De Nora

Der Federhalter

Eine Fabel

Ein Federhalter im Stadtpostamt,

Alt, abgebiffen und ganz verschlammt
Lag staubig in einem Schiebcfach
Und sann seinem wertlosen Dasein nach.

Da trat ein Herr an den Markenschalter
Und bat — um einen Federhalter.

Das Fräulein erhob die Stimme stark:
„Einsatz: Einhunderltausend Mark!"

Als dies der Federhalter vernahm,

Fand er's auf einmal sehr infam,

Daß jemand, der soviel Wert besitze,

Für andere Leute Tinte spritze.

Er sprach zu sich: „Das fiele mir ein,

Dem Pöbel meine Kräfte zu leihn!

Ich bin ein Herr! Ich bin kein Knecht!
Gehöre zu den wertvollsten Beamten!"

-Und seitdem schreiben diese verdammten

Postalischen Federhalter so schlecht.

A. D. 31.


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Register
Ri-Ri: Herbst-Ode
Hermann Poeppel: Illustration zum Text "Portraits berühmter Zeitgenossen I. Der Goldaufkäufer"
A. De Nora: Deutscher Wein
Ernst Hoferichter: Portraits berühmter Zeitgenossen I. Der Goldaufkäufer
A. D. N.: Der Federhalter
 
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