Du leise. Und wenige Sekunden darauf lag Dein kraftvoller Körper
neben meinem, und brausend schlug es in mir zusammen, als ich trotz der
Kleider seine Wärme und schlanke Form fühlte. Liebes inniges Kind,
nun weißt Du alles: ich hielt Deinen Kopf fest an meiner Brust, ich
wagte kaum zu atmen, bis ich bemerkte, daß Du den Betrug nicht ge-
wahrtest und ich Dein Gesicht cmporzog und Dich küßte, küßte und er-
trank in der Süße Deiner verdursteten Lippen. Fest hielt ich Deine Hände
in meiner, damit Du nicht liebkosend mit ihnen meine Züge berührtest,
und sie mir zum Verräter würden. Sie zuckten in dieser eisernen Feffel,
aber dann vergaßest Du sie und lagst hingegcben und geborgen in meinem
Arm. Und wie Du Dich an mich schmiegtest, und Du mir Deinen
Mund botest, erkannte ich die Reinheit Deiner Zärtlichkeit, die nicht
Leidenschaft, die nur Heimat sucht und noch niemals fand. Ich begreife,
daß der Schrei nach Liebe und Menschennähe, den Du jahrelang in Dir
erstickt hast, hier an meiner Seite sich losringt; ich begreife, daß Du —
erschöpft von härtestem Entbehren, heute jeden Preis zu zahlen bereit
bist, um einmal auszuruhen an der Seite eines Mannes, der Dich liebt.
Und ich liebe Dich, ach und ich wollte wohl, ich könnte Dich von der Ge-
bundenheit befreie», in die Deine Einsamkeit Dein Wesen schlägt. Und
wieder beuge ich mich über Dich und nehme küffend Deinen Atem. Dann
geht ein Schluchzen durch Dich hin. „Ernst", sagst Du leise und der
Name, der nicht meiner ist, schneidet mir durchs Herz, „o was ist dies?
Das war niemals und darf es auch nicht. Was wird aus uns?" Ich
streichle Dein Haar-„Hör'mich an", flehe ich gepreßt, „frage nicht mehr
und warte, bis ich Dir morgen die Antwort sage. Jetzt jedoch nimm, was
nie zwischen uns fein soll." Und Du nickst, und Dein Kopf wird müde
und schwer, und wie laut mein Blut auch in den Adern klopft, Du schläfst
ein, wie ein Kind vertrauend und anfechtungslos. Ich aber wache, bis
der trübe Wintermorgen durch die Scheiben scheint. Dann ziehe ich Dich
noch einmal an mich — o liebes Kind, zerriffen und elend, denn es war
der Abschied. Und nun lege ich Dich zurück. — Ich habe dann Herrn v.
G. geweckt, und wir standen auf, eh Du die Augen öffnetest. So blieb
das Geheimnis gewahrt. So traf ein langer Blick, den meine Liebe mir
gewinnen sollte, Herrn v. G. So fragtest Du nicht danach, als ich heute
hierbleiben zu wollen vorgab. So durfte ich Ihnen zum letzten Mal nur
höflich die kühle Hand drücken, während doch heute Nacht — — —
Gnädige Frau, es ist vorbei. Durch diese Zeilen erhalten Sie Ihren
jungen Freund wieder, indem Sie erfahren, daß niemals eine Stunde
des SuchenS sich zwischen Sie und ihn schob. Durch diese Zeilen erken-
nen Sie, daß mein Betrug Liebe war — Liebe, wenn auch nicht jenseits
der Grenzen menschlicher Natur, so doch der Art, wie Sie sie nicht be-
sitzen, und wie sie Ihnen für alle Zukunft anzubieten, Ihre Ehe mir ver-
sagt. Nehmen Sie aus dieser Nacht die Überzeugung mit, daß unver-
mutet auf unseren mühsamen Wegen uns doch ein Grüßen von Mensch
zu Mensch gerade durch das erlaben kann, was uns versagt blieb. An
der Grenze von Schatten und Licht sah ich Sie zuletzt — wie Sie sich
in freiem Willen wenden wollen, wird diese Nacht ein Schalten, ein
Licht sein, das in Ihr Leben siel. Was sie für mich war, bedarf der
2ßorte md)t‘ Ihr ergebenster ^ ^
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neben meinem, und brausend schlug es in mir zusammen, als ich trotz der
Kleider seine Wärme und schlanke Form fühlte. Liebes inniges Kind,
nun weißt Du alles: ich hielt Deinen Kopf fest an meiner Brust, ich
wagte kaum zu atmen, bis ich bemerkte, daß Du den Betrug nicht ge-
wahrtest und ich Dein Gesicht cmporzog und Dich küßte, küßte und er-
trank in der Süße Deiner verdursteten Lippen. Fest hielt ich Deine Hände
in meiner, damit Du nicht liebkosend mit ihnen meine Züge berührtest,
und sie mir zum Verräter würden. Sie zuckten in dieser eisernen Feffel,
aber dann vergaßest Du sie und lagst hingegcben und geborgen in meinem
Arm. Und wie Du Dich an mich schmiegtest, und Du mir Deinen
Mund botest, erkannte ich die Reinheit Deiner Zärtlichkeit, die nicht
Leidenschaft, die nur Heimat sucht und noch niemals fand. Ich begreife,
daß der Schrei nach Liebe und Menschennähe, den Du jahrelang in Dir
erstickt hast, hier an meiner Seite sich losringt; ich begreife, daß Du —
erschöpft von härtestem Entbehren, heute jeden Preis zu zahlen bereit
bist, um einmal auszuruhen an der Seite eines Mannes, der Dich liebt.
Und ich liebe Dich, ach und ich wollte wohl, ich könnte Dich von der Ge-
bundenheit befreie», in die Deine Einsamkeit Dein Wesen schlägt. Und
wieder beuge ich mich über Dich und nehme küffend Deinen Atem. Dann
geht ein Schluchzen durch Dich hin. „Ernst", sagst Du leise und der
Name, der nicht meiner ist, schneidet mir durchs Herz, „o was ist dies?
Das war niemals und darf es auch nicht. Was wird aus uns?" Ich
streichle Dein Haar-„Hör'mich an", flehe ich gepreßt, „frage nicht mehr
und warte, bis ich Dir morgen die Antwort sage. Jetzt jedoch nimm, was
nie zwischen uns fein soll." Und Du nickst, und Dein Kopf wird müde
und schwer, und wie laut mein Blut auch in den Adern klopft, Du schläfst
ein, wie ein Kind vertrauend und anfechtungslos. Ich aber wache, bis
der trübe Wintermorgen durch die Scheiben scheint. Dann ziehe ich Dich
noch einmal an mich — o liebes Kind, zerriffen und elend, denn es war
der Abschied. Und nun lege ich Dich zurück. — Ich habe dann Herrn v.
G. geweckt, und wir standen auf, eh Du die Augen öffnetest. So blieb
das Geheimnis gewahrt. So traf ein langer Blick, den meine Liebe mir
gewinnen sollte, Herrn v. G. So fragtest Du nicht danach, als ich heute
hierbleiben zu wollen vorgab. So durfte ich Ihnen zum letzten Mal nur
höflich die kühle Hand drücken, während doch heute Nacht — — —
Gnädige Frau, es ist vorbei. Durch diese Zeilen erhalten Sie Ihren
jungen Freund wieder, indem Sie erfahren, daß niemals eine Stunde
des SuchenS sich zwischen Sie und ihn schob. Durch diese Zeilen erken-
nen Sie, daß mein Betrug Liebe war — Liebe, wenn auch nicht jenseits
der Grenzen menschlicher Natur, so doch der Art, wie Sie sie nicht be-
sitzen, und wie sie Ihnen für alle Zukunft anzubieten, Ihre Ehe mir ver-
sagt. Nehmen Sie aus dieser Nacht die Überzeugung mit, daß unver-
mutet auf unseren mühsamen Wegen uns doch ein Grüßen von Mensch
zu Mensch gerade durch das erlaben kann, was uns versagt blieb. An
der Grenze von Schatten und Licht sah ich Sie zuletzt — wie Sie sich
in freiem Willen wenden wollen, wird diese Nacht ein Schalten, ein
Licht sein, das in Ihr Leben siel. Was sie für mich war, bedarf der
2ßorte md)t‘ Ihr ergebenster ^ ^
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