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An der Nordsee
G. Nyman-Egbert
SIMONE SEHNT SICH NACH DEM WUNDERBAREN
VON ADOLF HARTMANN-TREPKA
An, frühen Morgen gab cs im Eldorgdo-Hotel in Miami unend-
lich viel zu tun. Trotzdem standen Kellner, Zimmermädchen, Diener
und Kammerzöfchen auf den Treppen und Gängen herum, wisperten
und tuschelten, ganz Geriffcne taten, als ob sie noch mehr wüßten,
stachelten die Phantasie der Mädchen auf und zogen den Nutzen da-
von. Die hübschen Dinger lachten nervös, wurden wahrhaftig rot,
wandten sich ab und brachten es durch absichtlich törichte Fragen zu-
wege, die pikanten Ereigniffe des heutigen Morgens in den ver-
schiedensten Lcsearten immer wieder von neuem erzählt zu erhalten.
Als Simone Decoybird an der Frühstückstafel erschien, schön wie
die lebend gewordene Heldin eines Kinoplakates, mit etwas ver
weinten Augen und einem geradezu peinlich sattem Lächeln um de»
kindlichen Mund, war man von der Sicherheit ihres Auftretens der-
artig verblüfft, daß cS
wieder in Zweifel ge-
zogen wurde, ob, wie
Gerüchte bestimmt be-
haupteten, die danaiden-
haft reiche Simone die-
sen Menschen wirklich
heiraten würde. Aber
bald darauf wurde die
bevorstehende Vermäh-
lung öffentlich bekannt
gegeben. Es war also
lautere Wahrheit, —
Simone ehelichte diesen
Plebejer, der heute
morgen so fürchterliche
Flüche in ihrem Bou-
doir gebrüllt hatte, daß
der horchende Ober fast
ohnmächtig wurde, und
der ihr seine Welt-
anschauung in einer
Sprache mitteilte, in der
sich sonst betrunkene Tag-
löhner mit ihren Ehe-
frauen auSeinanderzu-
fetzcn pflegen. Und er
schien ihr seine Philo-
sophie eindringlichst und mit Kommentaren und Fußnoten versehen
mitgeteilt zu haben, denn alle Ohrenzeugen beeideten, daß Simone
herzzerreißend geschluchzt und flehentlichst um Verzeihung gebettelt
hätte. Für viele Gäste des LuruSbadeS Floridas war die Heirat
Simonens freilich ein harter Schlag. Glücksritter, die auf Miß
Dccohbird gehofft hatten, konnten ihre Rechnungen nicht bezahlen
und drängten dem Direktor ihre Brillantringe als Pfand auf, die
dieser, um Skandal zu vermeiden, für echt annahm. Eine griechische
Schauspielerin, die Simonen wie eine Schwester liebte, weinte bittere
Tränen und schloß sich mit einem viertel Pfund Kokain in ihre Zim-
mer ein, und ein exotischer Operettenprinz, dem seine Gläubiger im
Hinblick auf die reiche Heirat immer wieder den Aufenthalt bezahlt
hatten, verkaufte verzweifelt den Rest seines Landes an eine Film-
gesellschaft. Aber auch
die übrigen Lotterieteil-
nehmer, die um den
Haupttreffer Simone
geprellt waren, verloren
die Haltung, und besuch-
ten wieder die Schön-
heitSabende einer ma-
layifchen Traumtänzerin,
die sich Künstlern und
Gelehrten auch für Pri-
vat-S^ancen zur Ver-
fügung stellte.
Simone aber erging
sich am Meeresufer,
suchte die Einsamkeit,
wünschte den Abend her-
bei, ließ sich vorsichtig
in einen Strandkorb
nieder und lehnte das
Köpfchen dankbar in den
kühlenden Morgenwind,
der ihr die Klänge der
Kurkapelle zutrug, welche
Melodien aus „Butter-
fly" wie türkischen Honig
auseinanderzog. llber-
lasien wir sie, dem alten
n
f . >-v ^
f
räi-
■
2>' %
- Je / -V
y - - -
~/'fS _
Am Ostseestrande
^28
Hermann Franke
An der Nordsee
G. Nyman-Egbert
SIMONE SEHNT SICH NACH DEM WUNDERBAREN
VON ADOLF HARTMANN-TREPKA
An, frühen Morgen gab cs im Eldorgdo-Hotel in Miami unend-
lich viel zu tun. Trotzdem standen Kellner, Zimmermädchen, Diener
und Kammerzöfchen auf den Treppen und Gängen herum, wisperten
und tuschelten, ganz Geriffcne taten, als ob sie noch mehr wüßten,
stachelten die Phantasie der Mädchen auf und zogen den Nutzen da-
von. Die hübschen Dinger lachten nervös, wurden wahrhaftig rot,
wandten sich ab und brachten es durch absichtlich törichte Fragen zu-
wege, die pikanten Ereigniffe des heutigen Morgens in den ver-
schiedensten Lcsearten immer wieder von neuem erzählt zu erhalten.
Als Simone Decoybird an der Frühstückstafel erschien, schön wie
die lebend gewordene Heldin eines Kinoplakates, mit etwas ver
weinten Augen und einem geradezu peinlich sattem Lächeln um de»
kindlichen Mund, war man von der Sicherheit ihres Auftretens der-
artig verblüfft, daß cS
wieder in Zweifel ge-
zogen wurde, ob, wie
Gerüchte bestimmt be-
haupteten, die danaiden-
haft reiche Simone die-
sen Menschen wirklich
heiraten würde. Aber
bald darauf wurde die
bevorstehende Vermäh-
lung öffentlich bekannt
gegeben. Es war also
lautere Wahrheit, —
Simone ehelichte diesen
Plebejer, der heute
morgen so fürchterliche
Flüche in ihrem Bou-
doir gebrüllt hatte, daß
der horchende Ober fast
ohnmächtig wurde, und
der ihr seine Welt-
anschauung in einer
Sprache mitteilte, in der
sich sonst betrunkene Tag-
löhner mit ihren Ehe-
frauen auSeinanderzu-
fetzcn pflegen. Und er
schien ihr seine Philo-
sophie eindringlichst und mit Kommentaren und Fußnoten versehen
mitgeteilt zu haben, denn alle Ohrenzeugen beeideten, daß Simone
herzzerreißend geschluchzt und flehentlichst um Verzeihung gebettelt
hätte. Für viele Gäste des LuruSbadeS Floridas war die Heirat
Simonens freilich ein harter Schlag. Glücksritter, die auf Miß
Dccohbird gehofft hatten, konnten ihre Rechnungen nicht bezahlen
und drängten dem Direktor ihre Brillantringe als Pfand auf, die
dieser, um Skandal zu vermeiden, für echt annahm. Eine griechische
Schauspielerin, die Simonen wie eine Schwester liebte, weinte bittere
Tränen und schloß sich mit einem viertel Pfund Kokain in ihre Zim-
mer ein, und ein exotischer Operettenprinz, dem seine Gläubiger im
Hinblick auf die reiche Heirat immer wieder den Aufenthalt bezahlt
hatten, verkaufte verzweifelt den Rest seines Landes an eine Film-
gesellschaft. Aber auch
die übrigen Lotterieteil-
nehmer, die um den
Haupttreffer Simone
geprellt waren, verloren
die Haltung, und besuch-
ten wieder die Schön-
heitSabende einer ma-
layifchen Traumtänzerin,
die sich Künstlern und
Gelehrten auch für Pri-
vat-S^ancen zur Ver-
fügung stellte.
Simone aber erging
sich am Meeresufer,
suchte die Einsamkeit,
wünschte den Abend her-
bei, ließ sich vorsichtig
in einen Strandkorb
nieder und lehnte das
Köpfchen dankbar in den
kühlenden Morgenwind,
der ihr die Klänge der
Kurkapelle zutrug, welche
Melodien aus „Butter-
fly" wie türkischen Honig
auseinanderzog. llber-
lasien wir sie, dem alten
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Am Ostseestrande
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Hermann Franke