Wie die Wasser aus endlich geöffneten Schleusen, also brach der
Beifall über den Meister herein. Man brauchte keine Worte zu
machen, — es gab keinen in ganz Amerika, der so stark und schnell
Klavier spielen konnte wie Ulysses Iunipcr, und alles sprach ihm
gerne den vollkommensten Sieg zu, den je ein Gentleman über einen
Flügel errungen hatte. Dem Drängen nach einer Beigabe folge-
lcistend, gab der Meister einen Wink, im Hintergründe wurde eine
riesige amerikanische Flagge entrollt, und Ulysses Juniper pulverte
stehend den Pankee Doodle herunter, wobei er mit den halb-
abgebrochenen Hammerstielen auf die geistreichste Art einen satanischen
Trommelwirbel nachahmte. Nun stürzte alles nach dem Podium, um
ihm Huldigungen darzubringen. Und wie sich in Sibirien der In-
sasse eines dahinjagenden Schlittens von der ibn verfolgenden Wolfs-
meute durch Abwurf von Gegenständen immer wieder Vorsprung
erkauft, also warf Ulysses den anstürmenden Damen seine Hand-
schuhe, Taschentücher, Kravatte und Kragen entgegen, als Souvenirs
entgegen, und rettete sich ins Künftlerzimmer. Dort aber wartete
bereits Simone auf ihn, die ihm mit einem Lächeln, das sein Herz
sofort in Einzelhaft nahm, einen Strauß köstlichster Orchideen über-
reichte. Hingerissen von der paradiesischen Schönheit Miß Decoybirds
gab er seinem Schmerz Ausdruck, Miami so bald verlassen zu müssen,
da er bereits heute abend zu einem neuen Klaviermatch antreten
müsse. — Simone sah ihn an — nie sollte eine Frau einem Mann
so in die Augen sehen — wir sind alle nur auf das Vergnügen
erpichte Sünder — und schon wankte Ulysses Juniper. Daß ihm so
etwas passieren konnte, — sein Herz klopfte stürmisch wie ein Gerichts-
vollzieher. Die kluge Miß neigte sich ein weniges zu ihm und ließ
wie selbstvergessen ihr Kleid tief über die eine Schulter herabgleiten.
Und sie flüsterte demütig, daß es schade wäre, aber wenn er noch
heute einen Flügel erledigen müsse, — sie wisse wohl; zuerst das
Geschäft, dann das Vergnügen.
Kein Mann kann es vertragen, wenn ihm eine Frau Pflichttreue
vorwirft. Daher schwor Juniper sofort, seine Verträge seien ihm
Makulatur, freilich müßte Simone ihm versprechen, daß.
Simone dachte: Endlich, machte kein langes Theater, denn die Saison
in Miami war kurz, und man wollte wieder weiter, überließ sich
seinen nervigen besitzergreifenden Händen, bedachte nicht, daß sie viel-
leicht auf Monate hinaus kein schulterfreies Kleid mehr tragen
könnte, drückte sich ihm gierig entgegen und erhoffte eine Nacht voll
der erregendsten Wunder.
Nach dem Diner begab sich fast alles nach dem Stadion, um die
zwei furchtbarsten Schwergewichtler der Welt aufeinanderplatzen zu
sehen. Simone zog den leise widerstrebenden Ulysses in ihren lächer-
lich großen Mercedeswagen, den Jonny, der schneidigste ChSüffcur
in ganz Florida, sich tollkühn durch die Massen winden ließ, und
bald saßen sie auf einem schönen Tribünenplatz unter tausenden von
Menschen und im glühendsten Sonnenbrand. Die leichte Erregbarkeit
der Menge war seit Wochen durch eine großzügige Reklame, die be-
sonders den Ruhm des einen Boxers, Gaston Delavignes, bis ins
Gigantische reckte, auf Dampfkesselspannung gehitzt worden. Schöne
junge Mädchen täuschten Selbstmordversuche vor und gaben dann als
Grund an, daß sie ohne Delavignes Liebe nicht mehr leben könnten,
ein sehr berühmter Dichter, dessen ganze Einstellung seine Begeiste-
rung in diesem Falle als durchaus echt beglaubigte, besang die Schön-
heit der Lenden GaftonS in täglich neuen Oden, und schneeweiße
Ochsen, denen aufgepinselt war: „Auch ich werde unsterblich sein,
wenn sich Delavigne aus meiner Haut Handschuhe machen läßt!"
wurden durch die Straßen getrieben. Bald fand das Publikum Ge-
fallen an seinen Rollen, machte Spiel zum Ernst und wurde vom
DelavignebazilluS befallen. Apachen setzten nächtlichen Bummlern
den Browning auf die Brust und forderten das Leben oder die Karte
zum Bormatch Delavignes; als der große Kämpfer einen Masseur
Badende Kinder E. L. Euler
530
Beifall über den Meister herein. Man brauchte keine Worte zu
machen, — es gab keinen in ganz Amerika, der so stark und schnell
Klavier spielen konnte wie Ulysses Iunipcr, und alles sprach ihm
gerne den vollkommensten Sieg zu, den je ein Gentleman über einen
Flügel errungen hatte. Dem Drängen nach einer Beigabe folge-
lcistend, gab der Meister einen Wink, im Hintergründe wurde eine
riesige amerikanische Flagge entrollt, und Ulysses Juniper pulverte
stehend den Pankee Doodle herunter, wobei er mit den halb-
abgebrochenen Hammerstielen auf die geistreichste Art einen satanischen
Trommelwirbel nachahmte. Nun stürzte alles nach dem Podium, um
ihm Huldigungen darzubringen. Und wie sich in Sibirien der In-
sasse eines dahinjagenden Schlittens von der ibn verfolgenden Wolfs-
meute durch Abwurf von Gegenständen immer wieder Vorsprung
erkauft, also warf Ulysses den anstürmenden Damen seine Hand-
schuhe, Taschentücher, Kravatte und Kragen entgegen, als Souvenirs
entgegen, und rettete sich ins Künftlerzimmer. Dort aber wartete
bereits Simone auf ihn, die ihm mit einem Lächeln, das sein Herz
sofort in Einzelhaft nahm, einen Strauß köstlichster Orchideen über-
reichte. Hingerissen von der paradiesischen Schönheit Miß Decoybirds
gab er seinem Schmerz Ausdruck, Miami so bald verlassen zu müssen,
da er bereits heute abend zu einem neuen Klaviermatch antreten
müsse. — Simone sah ihn an — nie sollte eine Frau einem Mann
so in die Augen sehen — wir sind alle nur auf das Vergnügen
erpichte Sünder — und schon wankte Ulysses Juniper. Daß ihm so
etwas passieren konnte, — sein Herz klopfte stürmisch wie ein Gerichts-
vollzieher. Die kluge Miß neigte sich ein weniges zu ihm und ließ
wie selbstvergessen ihr Kleid tief über die eine Schulter herabgleiten.
Und sie flüsterte demütig, daß es schade wäre, aber wenn er noch
heute einen Flügel erledigen müsse, — sie wisse wohl; zuerst das
Geschäft, dann das Vergnügen.
Kein Mann kann es vertragen, wenn ihm eine Frau Pflichttreue
vorwirft. Daher schwor Juniper sofort, seine Verträge seien ihm
Makulatur, freilich müßte Simone ihm versprechen, daß.
Simone dachte: Endlich, machte kein langes Theater, denn die Saison
in Miami war kurz, und man wollte wieder weiter, überließ sich
seinen nervigen besitzergreifenden Händen, bedachte nicht, daß sie viel-
leicht auf Monate hinaus kein schulterfreies Kleid mehr tragen
könnte, drückte sich ihm gierig entgegen und erhoffte eine Nacht voll
der erregendsten Wunder.
Nach dem Diner begab sich fast alles nach dem Stadion, um die
zwei furchtbarsten Schwergewichtler der Welt aufeinanderplatzen zu
sehen. Simone zog den leise widerstrebenden Ulysses in ihren lächer-
lich großen Mercedeswagen, den Jonny, der schneidigste ChSüffcur
in ganz Florida, sich tollkühn durch die Massen winden ließ, und
bald saßen sie auf einem schönen Tribünenplatz unter tausenden von
Menschen und im glühendsten Sonnenbrand. Die leichte Erregbarkeit
der Menge war seit Wochen durch eine großzügige Reklame, die be-
sonders den Ruhm des einen Boxers, Gaston Delavignes, bis ins
Gigantische reckte, auf Dampfkesselspannung gehitzt worden. Schöne
junge Mädchen täuschten Selbstmordversuche vor und gaben dann als
Grund an, daß sie ohne Delavignes Liebe nicht mehr leben könnten,
ein sehr berühmter Dichter, dessen ganze Einstellung seine Begeiste-
rung in diesem Falle als durchaus echt beglaubigte, besang die Schön-
heit der Lenden GaftonS in täglich neuen Oden, und schneeweiße
Ochsen, denen aufgepinselt war: „Auch ich werde unsterblich sein,
wenn sich Delavigne aus meiner Haut Handschuhe machen läßt!"
wurden durch die Straßen getrieben. Bald fand das Publikum Ge-
fallen an seinen Rollen, machte Spiel zum Ernst und wurde vom
DelavignebazilluS befallen. Apachen setzten nächtlichen Bummlern
den Browning auf die Brust und forderten das Leben oder die Karte
zum Bormatch Delavignes; als der große Kämpfer einen Masseur
Badende Kinder E. L. Euler
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