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A. Seifer

Fünf Runden lang verteidigte sich
Würmseher schlecht und schläfrig ge-
gen den ihm hundertfach überlegenen
Delavigne, bis sich dieser entschloß,
ein Ende zu machen. Er versetzte
dem Niederbayern seinen berühmten
fürchterlichen Kopfschlag, mit dem er
einmal infolge einer Welte einem
mexikanischen Büffel blitzartig die
Hirnschale zerschmettert hatte. Ignaz
schnupfte einigemale auf, dann war
die Angelegenheit für ihn erledigt.

Entsetzt über die Wirkungslosigkeit
seines furchtbarsten Kraftausbruchs,
gab ihm Delavigne einen schrecklichen
verbotenen Hieb. „Erstes Blut für
Delavigne!" brüllte die vor Er-
regung fast tollwütig gewordene
Maste. Der Gong schuf eine Pause.

Weinend empfing der zitternde Neger
seinen Herrn, massierte ihn mit kind-
lichem Eifer und sprudelte Rat-
schläge. Die nächste Runde nahm
ihren Anfang. Delavigne stürmte wie
ein Scirocco auf seinen Gegner ein
und begrub ihn fast unter tückischen
unerlaubten Treffern.

Doch da plötzlich — — — war das Ignaz, — — — unser Ignaz?
Oder war das ein wütender Gorilla, ein schrecklicher Urmensch der
Diluvialzeit, dem fürchterliche Muskelbündel irrlichtend über den
klumpigen Rücken jagten, dessen eiserne Arme nach einem Opfer such-
ten, um es zu Mus zu zerquetschen, und dessen blutunterlaufene
Augen glitzten wie zwei frisch polierte griffeste Messer?

Cs war Ignaz. Man hatte ihn aus seiner Ruhe gebracht. Wie
ein dampfpfauchender Saurier watschelte er nach dem Gegner. Dela-
vigne drückte sich Kraft sammelnd in eine Ecke. Schneidende Pfiffe
der Galerie trieben ihn zum Angriff. Vor Wut seiner Sinne nicht
mehr mächtig, warf er sich Würmseher in rasendem Anprall entgegen.
Doch schon traf ihn die steinerne Faust Ignazens knockout, und so
gräßlich, daß er sich überschlagend in weitem Schwung, Pfosten und
Seile mit sich reißend, über das Podium hinunterglitschte und wie
tot am Boden liegen blieb.

Nach dem Bad

3«, scheußlich, mein Anzug ist nicht farbecht."

Ein Flüstern war das Gedröhne der Niagarafälle gemessen an der
Beifallsorgie, der sich jetzt die Zuschauer Hingaben. Man warf dem
Sieger Blumen, kostbaren Schmuck, brillantbesetzte Strumpfbänder,
mit Adressen versehene Fächer und zu Kugeln geballte TaUscnddollar-
scheine zu. Der Neger streichelte vor Entzücken lallend die Arme
seines Herrn. Würmseher grinste geschmeichelt und dankte verlege».

Und Simone? Verschüttete Ursüchte waren in ihr aufgewühlt.
Voll Widerwillen wandte sie sich von dem zerknitterten Gesicht des
Klavierspielers neben ihr ab. Ulysses fühlte, wie sein Thron ins
Wanken kam, bastig erzäblte er noch, daß der Kaiser aller Reußen
mit ibm Sckmollis getrunken habe - umsonst.

Erbarmungslos übergab sie Ulysses einer dankbaren Freundin.
Die Zvmbeln ihrer Seele schmetterten Lust, und wilde Wünsche
stiegen ibr fontänengleich ins ungebärde Blut, das mit brünstigen
EvoLs nach Ignaz schrie. So schwere Hindernisse gibt es nicht, als

.Oh ... du himmelblauer See...!" —

benötigte, meldeten sich Dutzende als
Männer verkleidete Frauen.

Endlich betraten unter den blitzen-
den Klängen des „Carmen"-Marsches
Gaston Delavigne, genannt „Der
Dämon von Brüssel", mit seinen
beiden Trainern und sein Gegner
Ignaz Würmseher, „Der Stier von
Niederbayern", begleitet von einem
herkulischen Neger, den Ring. Dela-
vigne warf seinen Mantel ab, stand
hünenhaft da in seinem krachend
roten Bordreß, schön wie ein Kriegs-
gott der Antike und furchtbar in sei-
ner gebändigten Kraft, eine schreck-
liche Kampfmaschine, gegen die ein
Widerstand Irrwitz schien. Gleich-
gültig wie ein KasfeehauSgast nach
einem Kleiderständer, sah er sich nach
seinem Gegner um. Würmseher,
breit, viereckig, blond und läppisch,
reichte Delavigne voll Herzlichkeit die
Hand. Die Vornehmheit des Geg-
ners verwirrte ihn, und er schämte
sich, weil sein Kostüm abgenützt und
farblos war.

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A. Deiser: Nach dem Bad
 
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