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WAIIED OEORGI

• 10. 4. 71. f 18. 6. 24.

Französische Begnadigungen

Soeben wird ein neuer, über-
raschender Fall französischer Milde und
Großzügigkeit gemeldet, der hoffentlich
endlich den verblendeten Deutschen
die Augen darüber öffnet, wie unbe-
schreiblich gut eS die grande nation
stets mit ihnen meinte:

Der Nürnberger Buchhändler Jo-
hann Philipp Palm, der sich nicht ent-
blödete, die gegen Napoleon gerichtete
Flugschrift „Deutschland in seiner
tiefsten Erniedrigung" zu versenden, und
der deshalb mit Recht verhaftet und
von einem französischen Kriegsgericht
zum Tode verurteilt wurde, ist soeben
begnadigt worden. Es steht ihm frei,
nach Nürnberg zurück zu kehren.

Wie „Havas" im Anschluß an diese
Nachricht meldet, ist auch dieser Zug
beinahe unfaßbarer Güte von den
Deutschen in schnödester Weise sabo-
tiert worden: besagter Palm hat sich
nämlich bereits am 26. August 1806
von französischen Kugeln hinrichten
lasten. Solche verbrecherische Sabo-
tageakte werden natürlich die sanftmü
tige französische Nation keineswegs in
der weiteren Ausübung ihres großarti-
gen Begnadigungswerkes beirren; wie
verlautet, st»ht vielmehr der gesamten
Kulturwelt eine neue Überraschung
bevor: Frankreich will den wegen Verfüh-
rung der Jugend zum Giftbecher verurteilten
Sokrates begnadigen! Kärtchen

*

Nix zu machen!

Der Anregung Wiener musikalischer
Kreise, Richard Strauß zum Ehrendoktor zu
ernennen, ist von der dortigen Universität
mit der Begründung abgelehnt worden, daß
die Fakultäten mit der Verleihung der Dok-
torwürde an Truppenführer im Kriege allzu
freigebig gewesen seien.

Eine verzweifelte Gegenvorstellung der
Straußfreunde, worin sie nachzuweisen such-
ten, daß der Titel „General"-Musikdirektor
mit der Führung von Truppen nichts zu tun
habe, soll die Universität Wien mit der Mar-
ginalbemerkung . erledigt haben: „Nir zu
machen! Rubrikat ist in Gemäßheit erstbe-
richtlicher und ausdrücklicher Behauptung
der Herren Petenten unserer Musik voraus-
marschiert!" I. 21. Sowas

*

Hochzeitsreise

Die glückliche Braut: „Georg, das Meer
wird kleiner!"

„Das ist nur die Ebbe, meine Liebe."

„Gott sei Dank! Gerade hast Du gesagt,
Du würdest mich lieben, bis der Ozean trocken,
fei." „London Opinion"

Motorrad und Bildung

In einer Berliner Zeitung bot ein Motor-
radbesitzer seinen Hintersitz zu Fahrten in die
Umgegend an, mit der besonderen Bereit-
willigkeit zu „Lehr-Vorträgen" während der
Fahrt...

Ich habe kein Weib und ich habe kein Kind.
Ich fahr mit dem Schnaufer! gegen
den Wind.

Doch Hab ich 'ne Bildung in vieler Gestalt.
Welches

edeldenkende, vermögende, sich ein-
sam fühlende, junge

Mädchen fährt mit in den Grunnewald?

Aus dem vorderen Sitze kutschier' ich mit
Fleiß

Doch den hintern vermiete ich, stundcnweis.
Und während der Fahrt mach ich jeden
gescheit.

Ia Philosophie

Jurisprudenz und Medizin und
leider auch Theologie verzapf' ich
Bei 30 Kilometer Geschwindigkeit.

Ein Typ unsrer Zeit, die die Ruhe nicht
kennt,

Bin ich, der „S chnauferl-Privat-
d o ; e n t"

Und kippen wir um? Das tut nichts. Nur
Mut.

Aspirin

Doppelkohlensaures Natron, Kuriol
und 50 Rentenmark Polizeistrafe
Machten alles in kürzester Zeit wieder gut!

Richard Rieß

Bayern voran

Endlich hat man auch ein Freudle,
Wenn man hin nach Bayern linst!
Einem Herrn mit Namen Steidle
Ziemt daran das Hauptverdienst.

Er (der nebenbei noch Toni
Sich benennt und Reichspostrat),

Ist der bayrische Marconi
Sozusagen, — nur: m i t Draht!

Auf den Münchner Telefonen
Hat er es zustand gebracht,

Der Walküre beizuwohnen,

Selbst im Bett und bei der Nacht!

Nämlich das, was diese Maidle
Fern im Opernhaus halloh'n,

Hört zu Hause nun, — dank Steidle —
Wer da will, am Telefon.

Und durch Steidleö Kunsterfindung
Steht nun jeder Abonnent
Mit der Oper in Verbindung,

Heißt das: wenn man sie nicht
trennt.

Jedenfalls ist also Steidle
Vorderhand der einzge Mann,

Der sowas erregt wie Neidle
Auf uns Bayern, momentan —

— Wenn man nicht — (das wär ein
Jammer,

Der das ganze Werk zerstört!) —

Dann noch gar die bayrische Kammer
Auch am Telefone hört!

21. D. N.

*

Rand bemerkung

Ein Berliner Konsortium beabsichtigt, ^noch
diesen Sommer im Berliner Stadion Stier-
kämpfe nach spanischem Muster zu veranstalten.

Wie hochcrfreulich! Dank gebührt und Ruhm
Dem neuen Stadionstierkonsortium,

Das scharfen Blicks erraten und gewählt hat,
Das, was Berlin gerade noch gefehlt hat!

Wie nervbelcbend wirkt die Goldidee
Zuvörderst auf das liebe Volk von W,

Das sonst die Notdurft an pikanten Bisten
Mit sauren Gurken hätte stillen müffen!

Wie lehrreich ferner für die M. d. R.
Erweist sich der Arenafechtverkehr
Vom ersten Sticheln — bis der Feind
kapores

Vom Platz geschleift wird durch die
Matadores!

Und andre wieder lernen bei dem Akt,

Wie man den Stier nicht bei den Hörnern
packt...

— Kurzum, in jeder Richtung kann es
frommen:

Man soll Berlin nur tüchtig spanisch
kommen! 1.2l. S.

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Register
Walter Georgi: Selbstbildnis als Nachruf
A. D. N.: Bayern voran
J. A. S.: Randbemerkung
Richard Rieß: Motorrad und Bildung
Karlchen: Französische Begnadigungen
J. A. Sowas: Nix zu machen!
[nicht signierter Beitrag]: Hochzeitsreise
 
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