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Bahnübergang • Akos

erschöpflich im AuSdenken neuer Bosheiten. Da ich kalt blieb, hatte
ich eine Zeit lang ein wenig Ruhe; ja, fast schien es mir, als ob sie
mir jetzt nicht allein mit kühler Höflichkeit begegnete, sondern auch
etwas Herzliches in ihr Benehmen legte. In dieser Zeit machte sie
mir einmal den Vorschlag, eine Sommerwohnung am Plattensee zu
beziehen. Da ich dachte, daß eine zeitweilige Trennung unser Ver-
hältnis bessern würde, billigte ich ihren Plan, und wir beschlossen,
sie solle schon in den nächsten Tagen abreisen, während ich vorläufig
bis zum Manöver alle Samstag kommen und bis zum Montgg
bleiben sollte. Schon am nächsten Tage fuhr sie ab, und bald schrieb
sie mir, daß sie ein kleines aber sehr schönes Landhaus entdeckt habe.
Wie ausgemacht, kam ich dann für einen Tag selbst hin. Sie hatte
in der Tat gut gewählt; die kleine Villa lag dicht am See, und es
wäre alles sehr behaglich gewesen, nur gab es hier unendliche
Schwärme von Mücken. Im ganzen Hause wimmelte es davon, aber
vor allem mein Schlafzimmer schien das Paradies dieser Blutsauger
zu sein. Ich konnte in der Nacht kein Auge schließen, und über und
über zerstochen erschien ich zum Frühstück. Meine Frau dagegen trat
rosig wie immer ein; ihr schienen die kleinen Dinger nichts anzu-
haben. Mit einem Male sah ich ihre wahrhaft teuflische Absicht vor
Augen: es war die Erinnerung an die alte Prophezeiung, die sie
dieses Landhaus hatte wählen lassen!" Ich sah dem Sprecher hier
ine Gesicht; instinktiv fühlte ich, daß er ebenfalls daran glaubte. -
„Sie müssen wissen," fuhr er dann fort, „der Plattensee war durch
seine Mücken früher geradezu berüchtigt! Ich will Sie nicht lang-
weilen, kurz, von jetzt ab entspann sich zwischen uns ein stiller, aber
um so hartnäckigerer Kampf; ich qualmte zum Verzweifeln in
meinem Kabinett — das hatte ich als das beste Mittel erprobt —

wäbrend sie immer neue Scharen dieser unheilvollen Insekten hin-
einschleppte. Wie sie es machte, weiß ich nicht; in einer Zeit, wo sie
draußen nur vereinzelt herumflogen, summte es in meinem Zimmer,
sie mußte eine ganze Kultur dieser Störenfriede hier angelegt
haben!" „Warum ließen Sie sich nicht scheiden?" unterbrach ich ihn.
„Sie kennen unsere damaligen Gesetze nicht. Ich hätte alles quit-
tieren müssen. In der Zeit erhielt ich verschiedene anonyme Briefe,
die sich alle mit dem Leben und Treiben meiner Frau beschäftigten.
In einzelnen wurde der Name eines meiner besten Freunde mit ihr
in Verbindung gebracht. Ich eilte zu ihm und zeigte ihm stumm die
ihn betreffenden Stellen. Er lachte laut auf: „Das wäre eine
Nichtswürdigkeit, wenn es keine Dummheit wäre. Das hat sicher
so eine obskure Bedientenseele geschrieben! Zerbrich dir nicht weiter
den Kopf darüber!" Er sah mir fest in die Augen, und als ob eine
Zentnerlast von mir genommen wäre, eilte ich meiner Wohnung zu.
Am andern Morgen besuchte mich P. und bat mich um tausend Gul-
den auf drei Monate. Ich gab ihm eine Anweisung an meinen Ban-
kier. Jn'dieser Woche konnte ich mich schon am Freitag dienstfrei
machen, und mit der besten Absicht, durch fortgesetzte Güte meine
Frau mir zurückzugewinnen, reiste ich nach dem Plattensee ab. Ich
fand das Nest leer, später erfuhr ich, daß sie mit meinem Freund
durchgebrannt war! Da die Verwandten meiner Frau," fuhr er fort,
„natürlich mir alle Schuld zuschoben und die fortwährenden Duelle
mich überaus nervös gemacht hatten, zog ich die Uniform aus, ver-
kaufte meine Hypotheken und begann zu reisen. Es war auf Capri

— Sie kennen wohl ja die Insel, die dieser Küste so seltsam ähnelt

- wo ich ein Telegramm erhielt, das mich schnell zu meiner schwer
erkrankten Mutter zurückries. Ich fand sie bei vollstem Wohlsein.

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