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Die Depesche war eine Fälschung gewesen. Ich ahnte nur zu gut
warum; setzt wollte sie die Mücke in dem Schicksalsspruche spielen,
um die Ehefessel los zu werden. Jetzt aber lassen Sie uns ein wenig
im Cafe Roquebrune ausruhen, das stete Sprechen macht müde!"
Wirtraten in das wunderbar schön gelegene re8taurant 6e81ouriste8
ein. Durch den kleinen Ausguck zwischen den Epheublättern sahen
wir auf das dicht vor uns liegende Cap Martin, das mit seinen
Pinien und Oliven gleichsam herübergrüßte. „Man kann verstehen,
warum soviele gekrönte Häupter hier
leben," sagte ich nach einer langen
Pause. Wir brachen auf, unsere
Schritte nach dem grünen Juwel
lenkend. „Kennen Sie Torbole?"
begann er wieder, „dieses Fleckchen
Erde, an dem der große Schwarm
der Touristen meistens unachtsam
vorübergeht. Freilich, früher war es
noch bekannter, als die Landstraße
nach Riva noch mehr benutzt wurde;
jetzt fährt ja alle Welt mit der
Eisenbahn dahin!" Ich stimmte in
diesen Enthusiasmus ein, denn ich
hatte als Student die Gegend ken-
nen gelernt. „Sehen Sie, dort hielt
ich mich vor einigen Jahren unter
angenommenem Namen auf. Eines
Nachmittags saß ich auf einem steil
abfallenden Felsen. Bei einer zu-
fälligen Kopfwcndung sah ich, wie
ein kleines Boot mit einer Dame
allein von der Mitte der kleinen
Bucht aus in der Richtung nach
Riva steuerte. Ich weiß nicht, wie
es kam, ein geheimes Gefübl zwang
mich, von Zeit zu Zeit den Kopf zu
drehen, und der ungeschickten Schif-
ferin, die alle Besinnung verloren zu
haben schien, nachzublicken. Zu mei-
nem Erstaunen bemerkte ich, daß sie
setzt ihr Fahrzeug, in dem sich aller-
lei Angelgerät befand, direkt auf
Torbole loslenkte. Sie war dicht
verschleiert und hielt ihr Gesicht zu
Boden geneigt, so daß ich ihre Züge
nicht wahrnehmen konnte, obwohl sie
schließlich nur noch wenige Schritte
von mir entfernt war. Ich wollte ibr
zurufen, aber der Ton blieb mir in
der Kehle stecken. In der höchsten
Angst um die Verwegene, die sicher
an den Klippen anlaufen mußte, lief
ich den steilen Pfad hinunter, mich
mit der Linken an einem kleinen Fcl-
senvorsprung haltend. In demselben
Augenblicke warf die Dame mir
ihren Angelstock zu — vielleicht
sollte ich sie hinaufziehen — ich
fühlte einen stechenden Schmerz in
der stützenden Hand, unwillkürlich
ließ ich los und stürzte steil in den
See hinunter!" Er pausierte und
atmete schwer. „Erst nach einigen
Tagen kam ich in Riva zur Besin-
nung, wohin ich auf Veranlassung
der seltsamer Weise Geretteten ge-
bracht worden war." — „Ihre
Frau?" fragte ich. „Hören Sie nur
weiter! Man überreichte mir im Diana

Spital ein Kuvert, in dem sich eine Visitenkarte meiner Frau befand.
Darunter war mit ungeübter Hand eine langbeinige Mücke gemalt!"
Er wischte sich den Schweiß von der Stirne und schloß: „Da haben
Sie meine Geschichte! Die Dame auf dem Boote war, wie Sie
ahnen, meine Feindin gewesen! Weiß der Himmel, was sie beabsich-
tigt hat! Ich will keine falsche Beschuldigung aussprechen — aber
sehen Sie diese Narbe aus meiner linken Hand? Da fand man tief
im Fleisch einen abgerissenen Angelhaken mit einer Metallmücke!"

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Josef Hegenbarth: Diana
 
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