Jedoch mußte er enttäuscht erleben, daß cs Fräulein Billig mit
unerklärlicher und auffallender Erregung ablehnte, ins Wasser zu
gehen. Leuthold bat, flehte, bettelte, versprach - umsonst. Mimmi
sagte nein und nein und nein. Dann nahm sie, vieles wieder gur
machend, Meyer zärtlich bei der Hand und fragte ihn seltsam ein-
dringlich: „Kennen Sie den Bigamisten Gottlieb Krawutschke, der
achtundvierzig Frauen geheiratet hat?"
Lcuthold stotterte, er hätte einmal eine Broschüre von ihm ge-
lesen: „Wie erhalte ich mich bis ins hohe Alter frisch?"
Mimmi nickte. „Er widmete sein Werk einem hohen Staats-
mann. Gottlieb Amadeus Krawutschke wurde in Vegesack bei Bremen
geboren, heiratete die ersten vierzehn Male in Berlin, zog sich hierauf
acht Jahre vom öffentlichen Leben zurück, tauchte dann in Budapest
auf, vermählte sich dort mit fünf siebzehn- bis neunzehnjährigen
Mädchen, die er einander als feine Töchter vorstellte, und ehelichte
schließlich, da er die fünf jungen Herzchen doch auch ernähren mußte,
eine alte, stets in schwarze Seide gekleidete Dame, die die Gattin-
nen, welche ihm lästig wurden, mit mütterlicher Freundschaft bei sich
aufnahm. Von da an übernahm der Staat für Lebensdauer die
Sorge um fein Wohl, er wurde achtzig Jahre alt und starb, trotz-
dem man ihm Unmengen Soda ins Essen mischte, vor Sehnsucht
nach neuen Gemahlinnen. Seine Aufseher und Kollegen betrauerten
ihn ehrlich und zweihundertelf Kinder beweinten den Vater."
Meyer hätte am liebsten mitgeheult. Denn er sah es wohl,
Mimmi entschuldigte ihre kühle Herbheit zwar nicht wie andere
Frauen mit Migräne, hatte aber dafür eine unheimliche Art, den
Gesprächsstoff auffällig und kränkend zu wechseln.
Die nächsten Tage bemühte sich Leuthold Meyer, seine Milch ab-
zuschlagen, denn seine Kredite waren erschöpft, und er wollte die
Freundin mit einem heiß ersehnten Smaragdfußband erfreuen und
sie vor Dank überquellend zu allem fähig machen. Jedoch, es war
inzwischen warm geworden, man hoffte bald auf frische Milch, und
die kondensierte Meyers fand wenig Anklang. Er mußte ironische
Abfuhren an Stellen erleben, an denen man ihn noch vor kurzer
Zeit um Milch angefleht hatte, und trotzdem er sich den Gaume»
trocken redete, blieb man ablehnend. Einige Tage später machte
Meyer eine niederschmetternde Entdeckung. Die Milch begann leicht
anzuftocken. Im ersten Schrecken zog er, manche Männer werden
nie klug, Mimmi ins Vertrauen, die ihm riet, die Milch um jede»
Preis zu verkaufen. Das hätte Lcuthold selbst gewußt, aber er
rannte los: treppauf, treppab, anpreisend, flehend, schweißtriefend,
den Stolzen spielend, jammernd aus der Rolle fallend, mit Hinaus-
wurf bedroht, von schadenfrohem Personal begrünst und zu spitzige»
Reden Bücklinge machend, — alles, alles vergebens.
Es ward wärmer und sommerlicher, und ewigen Naturgesetzen
zum Trutz wurde Fräulein Billig immer kühler und unnahbarer.
Man sah sie bald wieder viel mit ihrem Onkel. ..
Springwut teilte Meyer hämisch mit, daß er seinen Stapelplatz
selbst benötigte, und überreichte seinem . ehemaligen jungen Mau»
eine ansehnliche Lagergeldrechnung. Meyer lief, rannte, stürzte aufs
F o r e l l e u f a n g
610
unerklärlicher und auffallender Erregung ablehnte, ins Wasser zu
gehen. Leuthold bat, flehte, bettelte, versprach - umsonst. Mimmi
sagte nein und nein und nein. Dann nahm sie, vieles wieder gur
machend, Meyer zärtlich bei der Hand und fragte ihn seltsam ein-
dringlich: „Kennen Sie den Bigamisten Gottlieb Krawutschke, der
achtundvierzig Frauen geheiratet hat?"
Lcuthold stotterte, er hätte einmal eine Broschüre von ihm ge-
lesen: „Wie erhalte ich mich bis ins hohe Alter frisch?"
Mimmi nickte. „Er widmete sein Werk einem hohen Staats-
mann. Gottlieb Amadeus Krawutschke wurde in Vegesack bei Bremen
geboren, heiratete die ersten vierzehn Male in Berlin, zog sich hierauf
acht Jahre vom öffentlichen Leben zurück, tauchte dann in Budapest
auf, vermählte sich dort mit fünf siebzehn- bis neunzehnjährigen
Mädchen, die er einander als feine Töchter vorstellte, und ehelichte
schließlich, da er die fünf jungen Herzchen doch auch ernähren mußte,
eine alte, stets in schwarze Seide gekleidete Dame, die die Gattin-
nen, welche ihm lästig wurden, mit mütterlicher Freundschaft bei sich
aufnahm. Von da an übernahm der Staat für Lebensdauer die
Sorge um fein Wohl, er wurde achtzig Jahre alt und starb, trotz-
dem man ihm Unmengen Soda ins Essen mischte, vor Sehnsucht
nach neuen Gemahlinnen. Seine Aufseher und Kollegen betrauerten
ihn ehrlich und zweihundertelf Kinder beweinten den Vater."
Meyer hätte am liebsten mitgeheult. Denn er sah es wohl,
Mimmi entschuldigte ihre kühle Herbheit zwar nicht wie andere
Frauen mit Migräne, hatte aber dafür eine unheimliche Art, den
Gesprächsstoff auffällig und kränkend zu wechseln.
Die nächsten Tage bemühte sich Leuthold Meyer, seine Milch ab-
zuschlagen, denn seine Kredite waren erschöpft, und er wollte die
Freundin mit einem heiß ersehnten Smaragdfußband erfreuen und
sie vor Dank überquellend zu allem fähig machen. Jedoch, es war
inzwischen warm geworden, man hoffte bald auf frische Milch, und
die kondensierte Meyers fand wenig Anklang. Er mußte ironische
Abfuhren an Stellen erleben, an denen man ihn noch vor kurzer
Zeit um Milch angefleht hatte, und trotzdem er sich den Gaume»
trocken redete, blieb man ablehnend. Einige Tage später machte
Meyer eine niederschmetternde Entdeckung. Die Milch begann leicht
anzuftocken. Im ersten Schrecken zog er, manche Männer werden
nie klug, Mimmi ins Vertrauen, die ihm riet, die Milch um jede»
Preis zu verkaufen. Das hätte Lcuthold selbst gewußt, aber er
rannte los: treppauf, treppab, anpreisend, flehend, schweißtriefend,
den Stolzen spielend, jammernd aus der Rolle fallend, mit Hinaus-
wurf bedroht, von schadenfrohem Personal begrünst und zu spitzige»
Reden Bücklinge machend, — alles, alles vergebens.
Es ward wärmer und sommerlicher, und ewigen Naturgesetzen
zum Trutz wurde Fräulein Billig immer kühler und unnahbarer.
Man sah sie bald wieder viel mit ihrem Onkel. ..
Springwut teilte Meyer hämisch mit, daß er seinen Stapelplatz
selbst benötigte, und überreichte seinem . ehemaligen jungen Mau»
eine ansehnliche Lagergeldrechnung. Meyer lief, rannte, stürzte aufs
F o r e l l e u f a n g
610