Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
daß der Fliegende Holländer im Gegenteil braun und blau geprügelt
würde. Die Zeit für Gespenster sei vorbei. Abbau auch hier.

Rübezahl hieb durch, und die Wette galt als abgeschlossen. Der
Klabautermann steckte sich wiederum einen Priem in den Mund.
Rübezahl wischte sich den seinen und hoffte, der Fliegende Holländer
rvürde die Wette gewinnen, denn er machte sich nicht viel aus
Schwedenpünschen; der Fliegende Holländer spuckte in die Hände und
reiste ab.

Na, d i e sollten mal ihre Wunder erleben. Der Klabautermann,
das AaS, der feige Hund. Seine bewährten Helfershelfer, die Ratten
und die Kakerlaken, hatte er sitzen lassen — er selbst war auöge-
kniffen in ein besseres Jenseits, wo er sein Geistcrlebcn in Grogsanfen
und Tabakkaucn hinbrachte. Da war er, der Fliegende Holländer, doch
ein anderer Kerl. Er hatte sich nur auf fünfzig Jahre beurlauben
lassen — zum erstenmal seit so langer Dienstzeit. Und in diesem
läppischen halben Jahrhundert sollte sich tatsächlich alles so verändert
haben, wie es der Klabautermann, der Scichbeutel, das Lügenmaul,
behauptete? Gut, gut, man würde ja sehen. —

Indes war der Anfang schon wenig Vertrauen erweckend. Um
rascher auf die Erde zu kommen, reiste der Fliegende Holländer mit
der JunkerS-Fluglinic. Verdammt und zugenäht, war das eine Fahrt!
Das war schon wesentlich anders als an Bord einer flotten Brigg,
der überdies der Sturm nichts anhaben durfte. Himmel noch einmal,
er, der Fliegende Holländer, wurde tatsächlich ein bißchen scedoll und
— und — na ja, man kann's
nicht leugnen, cs ging ihm wie
der grünsten Landratte bei
Windstärke 5: nach zwei Stun-
den Fahrt fiel ihm das Essen
aus dem Gesicht! Dunnerknis-
pel, das durfte er dem Klabau-
termann nicht erzählen, der
lachte sich ja einen krummen Ast,

und er, der Fliegende, verlor / <f!

sein ganzes Rcnommüe unter den
anderen Gespenstern; übrigens
die Fahrt mit dem Flugzeug
gehörte auch noch nicht zur
Wette, die war so quasi ein Pri-
vatvergnügen. Mehr privat als
Vergnügen, heiliger Kakerlak!

Der Flugzeugführer war et-
was erstaunt, als er in Ham-
burg einen Fahrgast mehr auS-

steigen sah, als seines Erin- Frische


ncrnS in London sich eingcschifft hatten — aber dieser eine sah ziem-
lich ungemütlich ans mit seinem schwarzen Vollbart und seinem käsigen
Gesicht, und dann konnte er sich ja auch getäuscht haben. Also stieg der
Fliegende Holländer unbehindert an Land und fuhr sofort mit einem
Auto nach Alfterlust. Dort stärkte er sich zunächst gründlich nach den
soeben ausgeftandenen Strapazen und fühlte sich denn auch nach dem
siebzehnten Knickebein erheblich Wähler. Sein Plan war, mit seiner
kleinsten Schauernummer anzufangcn und allmählich immer fürchter-
licher zu werden, bis schließlich auf der ganzen Welt Heulen und
Zähneklappern sei. Item, er ging zu einem Bootsverleiher, um sich
dort einen kleinen Pott, in Süddcntschland auch Wurmtriegerl ge-
nannt, zu mieten, mit der er seine ersten Versuche machen wollte. Aber
der Bootverlciher hatte auch soeben in Alsterlust Kaffee getrunken,
sich mit dem Kellner und den umliegenden Ortschaften über die
siebzehn Knickebeins amüsiert und sah nun höchst mißtrauisch den mit
so viel Alkohol behafteten Kunden an, dem er eines seiner Boote an-
vcrtrauen sollte. Und wie sah der Kerl noch dazu aus! Riesige Wasser-
stiefel, ein großes schwarzes Cape, einen fettigen alten Schlapphut

- irgend ein oller Handelökäppen, der sich gerade mal durch ein paar
Schmuggelfahrten Geld verdient hatte und sich nun einen Jur machen
wollte. Ne, is nich.

Aber der Käppcn hatte so unmenschlich viel Geld — einerseits —
und rollte so bedrohlich mit seinen schwarzen Augen — andererseits

— daß cs der Bootsverleiher für geraten hielt, ihm doch ein Boot

zu geben; na, da war noch so
eine alte Jolle, die schon ein biß-
chen leck war, das war gerade
das richtige für den: da war er
genügend damit beschäftigt, das
Wasser auszuschöpfen, dann
konnte er keine anderen Dumm-
heiten mache».

Wie der Kerl schon loSscgeltc.
Keine Ahnung vom Segelsetzen,
der Wind war ihm überhaupt
egal — wenn daö man klar
ging!

Und in der Tat fuhr der
Fliegende Holländer so, daß ihn
jeder für ein Gespenst halten
mußte — oder für betrunken.
Und da man im zwanzigsten
Jahrhundert eher zur letztere»
Meinung neigt — insbesondere
nach vorausgegangenen siebzehn

B r i s e

614
Index
Hermann Ebers: Ruderklub
Hermann Ebers: Frische Brise
 
Annotationen