Sonntagsfrieden
Knickebeins — so waren sich weder der mit seinem Zciß-Marinc-Glas
von Land aus zusehende Bootsverleiher noch die anderen Segler und
Ruderer auf der Außcnalstcr im geringsten darüber im unklaren, daß
dieser Schiffer im kleinen Kahne kanonenmäßige Überfracht hatte.
Wenden, halsen usw. schienen ihm unbekannte Begriffe —er legte ein-
fach das Ruder, und rum war er, mit einer Sicherheit, die einer
nur hat, wenn er sternhageldippelduhn ist.
Nun, wenn der Fliegende Holländer aber meinte, daß es der
Menschheit vor diesen verwegenen Manövern grausen würde, grausen
in anderem als rein ästhetischem oder fachmännischem Sinne, dann
hatte er sich geschnitten. Bei einer Segelet war es natürlich nicht zu
vermeiden, daß er alsbald mit anderen Booten kollidierte, an ihnen
längs schicrte und ihnen auf häßliche Art das Dollbord schamfielte -
alles Dinge, die zwar kein bleiches Entsetzen, um so mehr aber voll-
blütigen Zorn in einer Weise hervorriefen, die beim Fliegenden
Holländer Erstaunen, wenn nicht Betrübnis weckte. Man bot ihm
unter anderm an, ihm mit den Riemen das Dach einzuschlagen oder
auch nach Wunsch den Achtcnstcven zu zerbläucn, man riet ihm, siä>
niöglichst umgehend zu ersäufen, und was derlei zarte Aufmerksam-
keiten mehr sind, die fast allemal, wenn der Fliegende Holländer es
sich etwa cinfallcn ließ, zu erwidern und auf seine Eigenschaft als
alter Seemann hinzuwcisen, mit der Redensart endeten, die man in
Hamburg und den benachbarten Gegenden gemeinhin auf den ver-
trauten Ruf „Hummel, Hummel!" als Antwort zu geben pflegt.
Also daß der entrüstete Geist schließlich wutentbrannt seinen
DwarSdriver heimwärts lenkte und an der Brücke vertäute, versteht
sich aufgctakelt. Was den Bootsverleiher zu einer Reihe schmeichel-
hafter Bemerkungen veranlaßte, der Art, ob der Kreiselkompaß
System Knickebein brauchbarer sei als der Anschützsche, ob er dem
Herrn vielleicht ein Glas Salzwasicr bringen solle, damit er wisse,
wie das Meer aussieht, und ähnliche kränkende Redensarten, die dem
alten Gespenst tief zu Herzen gingen.
Racheschwurkauend tobte er in den Straßen Hamburgs herum.
Diese miserable Bande! Aber sie sollten es büßen. Noch in der selben
Nacht gedachte er einen Höllcnspuk mitten im Hamburger Hafen zu
inszenieren, daß ihnen Hören und Sehen verging. Da sollte man
sehen, was er zu leisten imstande war! „Knüll" hatten sie ihn ge-
nannt, als er seine beispiellos glänzenden Scgelmanövcr gemacht
hatte. Garnicht gemerkt hatten sie, mit wem sie cs zu tun hatten. Aber
gut. Wenn cs im kleinen nicht ging, dann mußte man eben zu kräf-
tigeren Mitteln greifen. Er wollte gleich zu seinem stärksten Pro-
grammpunkt übergehen: Gespcnstcrtodcsfahrt mit Lcichengcruch und
Brillantfeuerwerk. Ausgehend von der Billwärder Bucht die ganze
Nordcrclbe herunter bis zum Altonaer Hafen.
Mittlerweile war cS schon recht duster geworden. Also kehrte der
Fliegende Holländer rasch noch in einer Schenke ein, wo er zahlreiche
Aquavits stülpte. Dann ging's zum Hafen. Er suchte sich nicht lang
erst einen Bootsverleiher, sonder zauberte sich selbst rasch eine Ge-
spcnstcrjacht und legte los. Auf der Nordcrclbe und in den diversen
Häsen war noch rcgcp Verkehr — umso besser. Ein ziemlich dichter
Nebel, der gegen Abend aufgckommen war, begünstigte das Unter-
nehmen. Wie Tranfunseln sahen die sonst so weit leuchtenden Lichter
aus, und schaurig schob sich der schwarze Rumpf der Geistcrjacht in
das Gewühl der Fahrzeuge.
Aber, aber! Wieder war der Erfolg gleich null, wenn nicht gar
minus! Kein Mensch achtete auf den spukende» Fliegenden Holländer
— cS sei denn, daß man ihn beschimpfte, weil er keine Lichter führte.
In dieser Beziehung konnte er sich allerdings über Mangel an Teil-
nahme nicht beklagen. Alle Augenblicke war er längSscit von irgend
einem Schlepper, einer Motorbarkaß oder sonst einem Fahrzeug, von
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Knickebeins — so waren sich weder der mit seinem Zciß-Marinc-Glas
von Land aus zusehende Bootsverleiher noch die anderen Segler und
Ruderer auf der Außcnalstcr im geringsten darüber im unklaren, daß
dieser Schiffer im kleinen Kahne kanonenmäßige Überfracht hatte.
Wenden, halsen usw. schienen ihm unbekannte Begriffe —er legte ein-
fach das Ruder, und rum war er, mit einer Sicherheit, die einer
nur hat, wenn er sternhageldippelduhn ist.
Nun, wenn der Fliegende Holländer aber meinte, daß es der
Menschheit vor diesen verwegenen Manövern grausen würde, grausen
in anderem als rein ästhetischem oder fachmännischem Sinne, dann
hatte er sich geschnitten. Bei einer Segelet war es natürlich nicht zu
vermeiden, daß er alsbald mit anderen Booten kollidierte, an ihnen
längs schicrte und ihnen auf häßliche Art das Dollbord schamfielte -
alles Dinge, die zwar kein bleiches Entsetzen, um so mehr aber voll-
blütigen Zorn in einer Weise hervorriefen, die beim Fliegenden
Holländer Erstaunen, wenn nicht Betrübnis weckte. Man bot ihm
unter anderm an, ihm mit den Riemen das Dach einzuschlagen oder
auch nach Wunsch den Achtcnstcven zu zerbläucn, man riet ihm, siä>
niöglichst umgehend zu ersäufen, und was derlei zarte Aufmerksam-
keiten mehr sind, die fast allemal, wenn der Fliegende Holländer es
sich etwa cinfallcn ließ, zu erwidern und auf seine Eigenschaft als
alter Seemann hinzuwcisen, mit der Redensart endeten, die man in
Hamburg und den benachbarten Gegenden gemeinhin auf den ver-
trauten Ruf „Hummel, Hummel!" als Antwort zu geben pflegt.
Also daß der entrüstete Geist schließlich wutentbrannt seinen
DwarSdriver heimwärts lenkte und an der Brücke vertäute, versteht
sich aufgctakelt. Was den Bootsverleiher zu einer Reihe schmeichel-
hafter Bemerkungen veranlaßte, der Art, ob der Kreiselkompaß
System Knickebein brauchbarer sei als der Anschützsche, ob er dem
Herrn vielleicht ein Glas Salzwasicr bringen solle, damit er wisse,
wie das Meer aussieht, und ähnliche kränkende Redensarten, die dem
alten Gespenst tief zu Herzen gingen.
Racheschwurkauend tobte er in den Straßen Hamburgs herum.
Diese miserable Bande! Aber sie sollten es büßen. Noch in der selben
Nacht gedachte er einen Höllcnspuk mitten im Hamburger Hafen zu
inszenieren, daß ihnen Hören und Sehen verging. Da sollte man
sehen, was er zu leisten imstande war! „Knüll" hatten sie ihn ge-
nannt, als er seine beispiellos glänzenden Scgelmanövcr gemacht
hatte. Garnicht gemerkt hatten sie, mit wem sie cs zu tun hatten. Aber
gut. Wenn cs im kleinen nicht ging, dann mußte man eben zu kräf-
tigeren Mitteln greifen. Er wollte gleich zu seinem stärksten Pro-
grammpunkt übergehen: Gespcnstcrtodcsfahrt mit Lcichengcruch und
Brillantfeuerwerk. Ausgehend von der Billwärder Bucht die ganze
Nordcrclbe herunter bis zum Altonaer Hafen.
Mittlerweile war cS schon recht duster geworden. Also kehrte der
Fliegende Holländer rasch noch in einer Schenke ein, wo er zahlreiche
Aquavits stülpte. Dann ging's zum Hafen. Er suchte sich nicht lang
erst einen Bootsverleiher, sonder zauberte sich selbst rasch eine Ge-
spcnstcrjacht und legte los. Auf der Nordcrclbe und in den diversen
Häsen war noch rcgcp Verkehr — umso besser. Ein ziemlich dichter
Nebel, der gegen Abend aufgckommen war, begünstigte das Unter-
nehmen. Wie Tranfunseln sahen die sonst so weit leuchtenden Lichter
aus, und schaurig schob sich der schwarze Rumpf der Geistcrjacht in
das Gewühl der Fahrzeuge.
Aber, aber! Wieder war der Erfolg gleich null, wenn nicht gar
minus! Kein Mensch achtete auf den spukende» Fliegenden Holländer
— cS sei denn, daß man ihn beschimpfte, weil er keine Lichter führte.
In dieser Beziehung konnte er sich allerdings über Mangel an Teil-
nahme nicht beklagen. Alle Augenblicke war er längSscit von irgend
einem Schlepper, einer Motorbarkaß oder sonst einem Fahrzeug, von
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