Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
hingehaucht haben würde, mochte sie schon GicrkeS Gattin sein. Er
würde für sie dann weiter nichts empfinden, als das halbe Interesse,
das ihm jede hübsche Frau abnötigte. Was sie ihm bedeuten konnte,
das war sie nur bis zu diesem Augenblicke, nur in der winzigen
Spanne Zeit, in der sic noch über sich entscheiden konnte — oder
dann, wenn sie ihren erstarrenden Verwandten dieses kapriziöse
Nein an den Kopf geschleudert hatte, um der Gesellschaft den schönen
Rücken zu kehren, eine Droschke zu nehmen und ihn, Robert, aufzu-
suchen.

Er lächelte.

Ob eine Hilde Walter wohl einen so launigen Einfall haben
konnte? An dem Tage, der sie dem geliebten Gicrke für immer ver-
binden sollte, ihn aufzusuchen? Lächerlich! Eher endigte das lang-
weilige Vorstadtgcschichtchen, das er zu lesen begonnen hatte, mit
einem grotesken Sprung ins Amoralische.

Einen solchen Einfall würde sie bestimmt nicht haben. Es wäre
denn...

Robert nahm sich nun ernstlich vor, in seinem Buche weiter zu
lesen. Oder in sein Zimmer zu gehen — trotz der zwei Treppen, die
es ihn kostete — und sich dort vom Bücherbord etwas Vernünftigeres
zu holen.

Es wäre denn, dass er sie auf diesen Gedanken brächte...

Er stand auf. So ging es nicht: er mußte sich eine Lektüre suchen,

die ihm über diese fatale Stunde hinweghalf. Während er sich er
hoben hatte, war cs ihm aber schon wieder durch den Kopf gegangen:
„Telepathie!!"

Nachdenklich schritt er über den feinen Kies des Parkwegs, auf die
Gartentüre zu.

Telepathie?! — Er verkniff die Lippen.

Wenn er jetzt mit der ganzen Kraft seines Denkens ... Robert
spuckte in weitem Bogen aus. Es galt sowohl der Absurdität als auch
der Geschmacklosigkeit dieses augenblicklichen Einsalles, diese stumm-
feuchte Kritik.

In seinem Zimmer ging er mechanisch zum Bücherschrank. Ohne zu
wissen, was er wollte, griff er hinein und dabei grübelte er: wenn
er jetzt unaufhörlich nur den einen Wunsch in sich formen würde,
Hilde hier, in diesem Zimmer zu sehen, heute noch — wenn er an
nichts, als nur daran denken würde, nichts fühlte und begehrte als
Hilde...?

DaS Buch entglitt seiner Hand. Robert stand davor, die Beine
gespreizt und den Kopf gesenkt und empfand nur das eine: Hildes
Nähe, und dachte an nichts als daran, daß er sie liebe und sie in dieser
Stunde noch die Schwelle seines grünen Zimmers überschreiten
müsse...

Dann löste sich der Bann, der um ihn gelegt schien, er hob lächelnd
das Buch auf, stellte cs in die Reibe und ging in den Vorraum, um

„So, so.... Liebesheirat?" „Nee — Wohnungsheirat."

1101

Nie. Gilles
Register
Nicolas Gilles: Zeichnung ohne Titel
 
Annotationen