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Unnötige Sorge

„Bin ich Ihnen auch nicht zu schwer?" — „O mci, a so Hab' i scho

nächsten Sekunde aber sprang er schon wieder auf und stürzte sich
mit den unanständigsten Rusen, wie Lump, Schuft, Bazi... usw. auf
Aloysius Winkelhofcr. .

Dieser hob mit wundervoller Geste den Brief empor. „Vom Bil-
dungSministcrium!" rief er mit Heroldstimme.

Herr I. M. Schmidt knickte zusammen, — vor dem Worte Bil-
dung schien er als vor etwas überweltlick Fremdem eine grenzenlose
Furcht zu babcn. AlousiuS Winkelbofer aber sagte lächelnd: „Diese
zwei Nägel kosten in der ganzen Welt nur fünf Pfennige. Sie
glauben sich zu den schlechtesten Waren und teuersten Preisen auch
noch das unhöflichste Benehmen Ihren Kunden gegenüber erlauben

zu können. Es gehört meines
Erachtens keinesfalls zur
menschlichen Wohlanständig-
keit, seine Mitmenschen zu be-
trügen und zum Ausgleich da-
für anzugroben..."

Uitb Aloysius Winkelhofer
grösste, rieb sich die Hände
und ging seines Weges.

Er fand täglich mehrere
Opfer. Es waren meistens
Leute dieser drei großen Klas-
sen, aber auch solche besuchte er
von Amtswegen, die in Wirts-
häusern verfressene Wetten
machten oder acht Paar Würste
aßen, während andere hungern
mußten.

Eines Tages aber mußte
er seine Tätigkeit jählings cin-
stellen. Er empfand immer
steigender einen brennenden
Schmer; in seiner rechten
Hand und ging harmloscrwcise
— ideal wie er einmal war —
zum Dr. Schneid, der ein
lieber Freund Frau Apotheker
Maiers war.

„Das ist eine schwierige
Sache.." sagte Dr. Schneid
besorgt, „aber ich möchte heute
nichts Endgültiges sagen. Ich
werde erst noch eine Konferenz
halten und mich auch erkundi-
gen, ob die nötigen Medika-
mente in der Apotheke vorhan-
den sind. .. kommen Sie mor-
gen wieder."

Aloysius Winkelbofer kam in
aller Frühe wieder. Dr. Schneid
war plötzlich fürchterlich ent-
schlossen. „Es ist durch Über-
anstrengung eine Zcllgcwcbs-
wuchcrung entstanden," sagte
er sachlich, „wir müssen, um
den Arm zu retten, die Hand
abnehmen." „O ..." sagte
Aloysius Winkelhofcr. Aber er
sah cs ein und legte sich sofort
mannhaft auf de» Operations-
tisch. Als die rechte Hand klat-
schend in den daruntergestcll-
ten Eimer siel, vernahm er
trotz Narkose ein zwitscherndes
Entzücken. Ach, diese Stimme
war ihm so bekannt, daß er
erwachte.

Frau Apotheker Maier hatte ihm wohl gerade einen Krankenbesuch
machen wollen, — jetzt hielt sic mit traurigstem GcsichtSauSdruck
seinen Armstumpen. „O ... wie Sie mir leid tun!" lispelte sie
schmerzlich. —

Da — welch ein Geräusch! Aloysius Winkelhofer sah, dasi seine
abgcschnittcne Hand sich bei de» Worten der Frau Apotheker Maier
furchtbar bemühte, noch einmal aus dem Eimer zu springen und
Aber sie zuckle nur »och ein paar Mal ohnmächtig auf, dann war
cö für immer zu Ende.

„Man muß objektiv sein!" dachte er resigniert und bereute die
zarte Handhabung des zweiten Falles sei» Leben lang.

H. 0. Binder
vui schwarere Kaibl'n trag'»!"

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