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SO.JAHRtfAM*

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AB OLF HARTMANN - TRFPKA

illiam P. Silkworth, der Direktor und Manager der
Revue „Bei uns — bis auf die Haut!", zweitausend
Mitwirkende, unter denen sich auch drei männliche Dar-
steller befanden, raste wütend auf und ab. Seine Diva, Leda Detelma,
die in grausam zuschauender Ruhe ihre Linien über ein Korb-
fauteuil rieseln ließ, deren Leben darin bestand, photografiert zu
werden und sich dann wieder zu neuen Aufnahmen umzuziehen, schmollte
so goldig mit dem Mäulchen, wie in ihrem berühmten Film vom
tugendsamen Ladenmädel, das sich lieber für monatlich dreißig Dollar
lotarbeitet, als cs — auch in der neuen Welt gibt es Leute, die so
etwas unter Tränen für möglich halten — gegen eigene Villa und
Wohnauto die Freundin eines Kohlenbarons würde. „Ihr eigen-
sinniger Wunsch war es, Leda, daß wir diese Filmexkursion nach dem
San BlaS-Archipel unternahmen. Nun sitzen wir hier in Colon,
haben Regen, dulden Entbehrungen, sind in der bedrohlichen Nähe
der Chucanaque-Insulaner und ich buche Millionenverluste!" wimmerte
Silkworth gebrochen und hoffte vergeblich von seiner Diva ein gnä-
diges und mitfühlendes Glatzenkrappeln zu erschinden.

„Nulla quaggiü diletta e dura-“ flötete Leda Detelma,

tat Sammt, Sonnensehnsucht und Granatapfelduft in ihre Stimme,
trotzdem man an ihrer Wiege nicht die 8onetki Petrarcas, sondern
,Verkaufts mei' G'wand, i fahr in Himmel nei'!° gesungen hatte.
,Als Mädchen träumte ich oft davon/ sinnierte, verwehte Begierden
zärtlich streichelnd, die Diva, .einen Mann zu finden, der sich für
mich ruiniert/ Ach, wenn Sie mich so liebten, William, dann, wer
weiß — — für einige Zeit — — — "

„Cs fehlt nicht viel und ich bin bankerott," murmelte der all-
gewaltige Unternehmer, dem man ansah, daß er nicht glücklich war,
trotzdem sich fast zweitausend Künstlerinnen seinen Wünschen fügen

mußten. „Leda, wenn Sie Süchte peinigen, die ich erfüllen kann -
eö soll mir nichts zu kostbar, kein Preis zu hoch sein, ich habe noch
über ganz erkleckliche Bankguthaben zu verfügen — — —" preßte
Silkworth aus sich heraus und machte Augen wie ein abgeschenkelter
Frosch, der dienstbeflissen auch noch seine Vorderbeine zur Verfügung
stellt. Leda aber federte aus ihrem Fauteuil auf. „Mit Gold wollen
Sie meine Gunst erkaufen?" rief sie schneidend, aber noch nicht das
Äußerste gebend, „Fräulein, ich liebe Sie, was kostet das?" fuhr sie
eine kleine Terz höher fort, klatschte sich die Hände vor das Gesicht,
ließ sich bleischwer in ein Fauteuil fallen, schluchzte und schrie so
gellend, daß ihrem William das Mark trillerte: „O, meine gute
Mutter, warum bin ich nicht bei dir geblieben! — Nicht — — bei
— — dir — — geblieben — — —!" „Aber Sie sagten doch eben
selbst — — Sie wollten doch — —" stotterte der Direktor, dem es
unfaßbar schien, daß sich diese Leda gegen einen so rentablen Schwan
wie ihn, so ftarrbeinig sträubte.

Erhebliches Volksgemurmel, aber aus lauter Mädchenkehlen ur-
springend, von dem man aber immerhin sagen konnte, daß es toste,
tat dies vor dem Wigwam Silkworths und erlöste ihn von den
Stachelreden seiner eisernen Jungfrau. Blaine Slipp, der Ober-
regisseur der Truppe, fegte herein und berichtete folgende Tatsachen:

Teffo Pihaha, der König der Chucanaque-Insulaner hatte durch
Kundschafter in Erfahrung gebracht, daß ganze Rudel schöner, weißer
Mädchen, einige Meilen von seiner Residenz entfernt, im Walde
kampierten. Der Beherrscher aller Chueanaque habe eben die Damen
durch einen Berittenen zu einem, behufs Beschaffung von Mitteln zur
Erhaltung des kgl. Klapperschlangenrennstalls stattfindenden Wohl-
tätigkeitsfeft geziemend einladen lassen. Die Künstlerinnen, hier ganz
ohne Männer und nur auf sich selbst angewiesen, hatten dem Sendling
augenblicklich ihr Erscheinen zugesagt. —

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Register
Adolf Hartmann-Trepka: Wundersame Erlebnisse von alleinreisenden Damen
Hans Ibe: Illustration zum Text "Wundersame Erlebnisse von alleinreisenden Damen"
 
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