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vielmehr der Wassermann geeignet, wenn dieser nicht allgemein den
Stiergeborenen als feindliches Zeichen gegolten hätte, und wenn nicht
gleichzeitig eine sehr unvorteilhafte Stellung deö Planeten Uranus
zur Sonne zu erwarten gewesen wäre, die unbedingt als kosmische
Warnung vor außergewöhnlichen Unternehmungen jeder Art auf-
gefaßt werden mußte.

Nachdem also Zephyrin mehrere Wochen hindurch vergeblich
jede Freistunde einschließlich seiner Bürozeit dazu benutzt hatte,
eine günstige Kombination für sein Vorhaben ausfindig zu machen,
kam er zu der niederdrückenden Überzeugung, daß letzteres sicher mit
dem Weltrhythmus in Disharmonie stand und daher verwerflich war.
Gab er aber den Plan auf, so war er kein zäh-energischer Vernunft-
mensch mehr und verstieß damit gegen die Grundforderungen seiner
Existenz. War er überhaupt ein Stiertypus? Wenn ja, so gehörten
schließlich auch dessen negative Eigenschaften zu seinen kosmischen
Pflichten, Dogmatismus und Pedanterie. Und diese Erwägung hätte
ihn auch bestimmt, dem Erwerb der im Almanach reichlich an-
gepriesenen hervorragenden Werke des astrologischen Spezialbücher-
markteS näherzutreten, wenn er nicht gelernt hätte, daß die zur letzten
Ergründung der TierkreiSrätsel geeigneten Naturen regelmäßig dem
KrebStypuS angehörten. — Durfte er das??

Mit aufrichtigem Mitleid sah Frau Prallinger die Blässe in
BebwiedlerS zweifelzerrüttetem Antlitz immer durchsichtiger werden.
Die milde Zerstreutheit, welche früher ZephyrinS Äußerungen in
häuslichen Angelegenheiten gekennzeichnet hatte, war allmählich einer
starren, scheuen, schuldbewußten Verwirrung gewichen, aus der stän-
digen Furcht geboren, im Widerstreit mit den auf- und abschwingen-
den Urkräften deö Allrhythmus zermalmt zu werden. Trotz strenger
Kälte ließ er sein Zimmer nicht Heizen, zunächst weil der für Feuer
günstige Transit deS Mars durch den Widder noch nicht ftattgefunden
hatte, dann weil sich nicht mehr mit Sicherheit feftftellen ließ, ob
das vorhandene Brennholz bei abnehmendem Monde gefällt worden

war. Mit einem schwachen lächeln dankbarer Befriedigung schien er
dagegen einen bald auftretenden heftigen Husten zu begrüßen, dessen
Verlauf sich mit dem Durchgang des Mars durch den Stier deckte,
ein Zusammentreffen, das vollkommen den astrologischen Gesetzen
entsprach. Gern hätte er sich auch einen Beinbruch zugezogen, der
im Almanach unter dieser Konstellation und unter der Neben-
bedingung „wenn Glatteis" ausdrücklich vorgesehen war. Allein er
blieb ihm versagt. Ebenso jede Erscheinungsform von Geschlechts-
krankheit, die durch die Reflexwirkung zum Skorpion und die Aspek-
tierung zum Wassermann fällig gewesen wäre.

Die Erkenntnis der unsäglich vielen Hindernisse, die sich seinem
rhythmischen Daseinöwandel entgegenstemmten, lastete überschwer auf
ZephyrinS Gemüt. Die erfreuliche Kongruenz, daß seine Überführung
in eine Heil- und Pflegeanstalt gerade mit einer für Reisen und
Ortswechsel ratsamen Opposition deö Mondes gegen Uranus statt-
fand, kam ihm leider nicht mehr voll zum Bewußtsein.

Frau Prallinger, als echte Wagenatur, empfand es als aus-
gleichende Gerechtigkeit, daß sie vor einem zweiten Unglück bewahrt
geblieben war. Sie dankte eö außerdem ihrem diplomatischen Talent,
Bebwiedler durch Überlassung des AlmanachS rechtzeitig auf die
Kraftprobe gestellt zu haben. Sie nahm später einen Friseur, der
im Löwen geboren war, und soll vorläufig recht zufrieden sein.

Zephyrin Bebwiedler genießt seinerseits die Zufriedenheit seiner
Wärter, denen er wenig Arbeit verursacht. Mit einer Füllfeder, die
er auf Befürwortung seines Arztes überlassen erhielt, malt er von
früh bis spät Tierkreis- und Planetenzeichen und schreibt einen „Astro-
logischen Reform- Hauöalmanach für neue rhythmische Seelen-
kultur", mittels dessen er nachzuweisen sucht, daß er doch ein echter
StiertypuS ist.

Ein okkulter Verlag hat sich bereits alle Rechte auf BedwiedlerS
Werk gesichert. Bei der allgemeinen Trostlosigkeit unserer Zeit hofft
er auf ein Bombengeschäft.

Alpen-Gymphonie

In Chicago wurden Versuche angestellt,
die Milchproduktion der Kühe dadurch zu
steigern, daß daö Melken unter Musikbcgler-
tung ftattfindet. Es sollen sehr gute Resultate
erreicht worden sein.

Unsere LandwirtschaftSminifterien haben
diese Anregung sofort aufgegriffen. Auf
sämtlichen staatlichen Gütern wird in jeden
Kuhstall ein Musikpavillon eingebaut werden
— selbstverständlich nach vorhergegangencn
akustischen Raumprüfungen. Ähnliche An-
lagen sind auf sämtlichen Viehweiden und
Almen geplant. Die Kosten für diese Baulich-
keiten und die Orcheftermitglieder hofft man
dadurch wieder einzubringen, daß bei den
Konzerten von dem sicher zahlreich erschei-
nenden Publikum Eintrittsgelder erhoben
werden, während von dem Riüdvieh ent-
sprechende Gegenleistungen zu erwarten sind.

Was die künstlerischen Darbietungen be-
trifft, so ist in erster Linie Streich-
musik während des Melkens vorgesehen.
Daneben dürften Hornquartette in
Betracht kommen sowie Vokalkonzerte unter
Leitung von Herrn Professor O ch S.
Für daö erste Stall- bezw. Hofkonzert ist
folgendes Programm in Aussicht genommen:

Gemischter Chor:

1. Auf der Alm da gibt's ka Sund' . . . Volkslied

Hornquartett:

2. Bald gras' ich am Neckar, bald gras'

ich am Rhein.Volkslied

Streichorchester:

3. Potpourri aus „Der Kuhreigen" . . . H. Kienzl
4- Fantasie aus „Der Stier von Olivera" E. d'Albert

5. Blütenftrauß aus den Werken von . . Ignaz Brüll

6. Ochsenmenuett.I. Haydn

Wie man steht, wird nur gute Musik geboten,
um den erhofften Mehrertrag sicherzustellen.

Weihnachtsfreuden -R- ®ne&

Freust du dich denn nicht über die vielen
schönen Geschenke?

Schon, aber am meisten freue ich mich auf
das Umtauschen.

Schifahrers Morgenlied

Weckerschrei! Es klirrt im wirren Schädel
Noch die Schwoofmusik vom Sonntagsfest.
An der Bahn ein sportverrücktes Mädel
Und kein Gott, der rasch noch tauen läßt.

Aus dem warmen Bett in hartes Loden, -
Ratsch, — ein Loch im wollenen Habit, -
Und das Schiwachs klebt am Hosenboden,
Päng! Der Schuhriem macht auch nicht
mehr mit.

Meine Füße schleppen sich wie bleiern, -
Pfumm! — der Kaffeekocher explodiert.

Aus zerschlag'nen rohen Rucksack-Eiern
Quillt ein Seim, der Tabak mit sich führt.

Fern im Halse schmeckt's wie faule Fische, -
Und ein Schneeschuh saust ins Spiegelglas.
Wenn ich nur die Trambahn noch erwische!
Klinge-ling: -da haut sie ab, das Aaas ...

Es ist doch zum junge Hunde kriegen, -
Durch vereiste Gaffen geht's im Trab,

Und das Ganze nennt sich ein Vergnügen!

Ein Frisörschild reiß' ich auch noch ab.

Schlußgalopp! Da ist der Zug, der Wagen ..
Schweißdurchtrieft quetscht man sich ins
Abteil.

Ach, ich könnt mich um die Ohren schlagen!
Da.. Schnee! .. Sonne! .. Mädel komm-
- Schi heil!

Stanislaus Bub

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Rudolf Grieß: Weihnachtsfreuden
[nicht signierter Beitrag]: Alpen-Symphonie
Stanislaus Bub: Skifahrers Morgenlied
 
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