Die Meerjungfrau
und gesteht, daß sie selbst heimlich Zigarren raucht! Ich
wollte eö natürlich nicht glauben, aber sie holte tatsächlich eine
ganze Kiste aus dem Wäscheschrank, setzt sich hin und raucht vor
meinen Augen eine dicke Zigarre bis auf den Stummel her-
unter. Eö hat sich ja dann was getan! Grün war sie im Ge-
sicht und überhaupt ganz merkwürdig. Aber ihr könnt euch
nicht vorstellen, wieviel Mühe es mich gekostet hat, sie zu dem
Versprechen zu bewegen, künftig nur noch Zigaretten zu rau-
chen. Waö sagt ihr nun dazu? So eine Verirrung, wie?
Hat doch das verrückte Mädel in aller Heimlichkeit schwere Zi-
garren geraucht. Und sind ihr nicht mal bekommen. Haha!"
Robert und Fritz sagten auch „Haha!" und sonst nichts. Erst
nach einer Weile wiegte Fritz gedankenvoll den Kopf und
stöhnte: „Ogottogottogottogott! Wenn Karl Pfeife rauchen
würde!"
„Wieso?" sagte Johannes. Ms.
Grilf^U DI£ RUTSCHBAHN
hauen. — Lu hat alles vorbereitet. Ich denke, es wird klappen."
Da ich den kleinen Ullmann gleichfalls nicht leiden kann, er-
munterte ich Konzelmann: „Haue ihm doch glei zwei runter!"
Konzelmann winkte unwillig ab. „Es muß genau wie vor einem
Monat sein," entgegnete er ernst.
Ich war nicht wenig überrascht, Konzelmann zwei Tage später
bei unserem gemeinsamen Zahnarzt zu treffen. Er hatte eine ge-
schwollene Backe und sah auch sonst ziemlich mitgenommen aus.
Es hatte doch nicht geklappt.
Ullmann, dieser wirklich ekelhafte Kerl, der in der Zwischenzeit
boxen gelernt, hatte Konzelmann drei Vorderzähne ausgeschlagen.
Seitdem lebt Konzelmann wieder vorwärts.
ZUSAMMENHÄNGE
Johannes ist ein lieber, herzlicher Mensch, der den Dingen des
Lebens mit rührender Ahnungslosigkeit gegenübersteht. Trotzdem
ermangelt er nicht, eine entzückende Freundin zu haben, und Anni
ist viel zu schön, um treu zu sein — weshalb sie auch niemals einen
ernsthaften Versuch nach dieser Richtung unternommen hat. Mit
zartem Takt pflegt sie die illegitim Begünstigten auö dem Freundes-
kreis von Johannes zu wählen, und alle wissen, daß der derzeitig
Glückliche Karl ist. Nur Johannes weiß es nicht. Und das ist
gut so.
Eines Abends sitzt Johannes mit Robert und Fritz im Cafe.
Plötzlich sagt er: „Haha! Haha! Paßt auf, ich muß euch
etwas Komisches erzählen. Neulich komme ich früher als sonst
zu Anni uud finde einen Zigarrenrest im Aschenbecher. Also
ich brülle gleich wie ein Berserker: ,Anni! ! ! !‘ Und was soll
ich euch sagen? Fällt mir das verrückte Mädel um den Hals
Junggesellen dürfen nachts nach Hause kommen, wann sie wollen.
Kofelkamp bewohnte ein möbliertes Zimmer bei Frau Pneumichel,
war Junggeselle und kam in der Regel noch später.
Eines Tageö fand er im Hausflur ein großes Schild:
Da heute Nacht die Treppe neu gestrichen wird, werden
die Hausbewohner gebeten, bis 11 Uhr zu Hause zu sein,
oder auöwärtö zu schlafen. Der Hauswirt.
„Schön!" dachte Kofelkamp, „warum soll ich nickst mal um elf zu
Hause sein?" und ging abends seelenvergnügt in die Nackedei-Bar.
Leider befand er sich dort bereits um zehn Uhr in einem derartig
spirituösen Zustand, daß er den profanen Dingen dieser Welt weit
entrückt war.
Als er lange nach Mitternacht die Haustür hinter sich verschloß,
nahmen seine alkoholumfächelten Sinne einen intensiven Farbgeruch
wahr, und langsam tauchte aus dem Nebel der Vergangenheit das
ominöse Schild des Hauswirtes vor seinem weingeistigen Auge auf.
Kofelkamp lehnte sich sorgsam an die Wand und gab sich einer-
längeren Betrachtung hin, die damit endete, daß er einen heroischen
Entschluß faßte. Er setzte sich rittlings auf das Treppengeländer
und zog sich ächzend und pustend mit den Händen in die Höhe. Es
ging herrlich bis zur zwölften Stufe, da kam die Biegung, und
Kofelkamp landete ursächlich einiger rasch aufeinanderfolgenden Be-
gebenheiten recht unsanft wieder im Parterre. Es gab einen Knall,
dem ein gräuliches Gefluche folgte. Gleich darauf öffnete sich oben
eine Tür, und Frau Pneumichels Stimme tönte herab: „Sind
Sie'S, Herr Kofelkamp?"
„Natürlich bin ich'ö!" schnob eö unten. „Möchten Sie mir viel-
leicht sagen, wie ich raufkommen soll?"
„Aber Sie können ruhig heraufkommen,", flötete Frau Pneu-
michel zurück, „die Treppe ist noch garnicht gestrichen worden, vor-
läufig bloß das Geländer!" Ms.
1250
Julius Diez
und gesteht, daß sie selbst heimlich Zigarren raucht! Ich
wollte eö natürlich nicht glauben, aber sie holte tatsächlich eine
ganze Kiste aus dem Wäscheschrank, setzt sich hin und raucht vor
meinen Augen eine dicke Zigarre bis auf den Stummel her-
unter. Eö hat sich ja dann was getan! Grün war sie im Ge-
sicht und überhaupt ganz merkwürdig. Aber ihr könnt euch
nicht vorstellen, wieviel Mühe es mich gekostet hat, sie zu dem
Versprechen zu bewegen, künftig nur noch Zigaretten zu rau-
chen. Waö sagt ihr nun dazu? So eine Verirrung, wie?
Hat doch das verrückte Mädel in aller Heimlichkeit schwere Zi-
garren geraucht. Und sind ihr nicht mal bekommen. Haha!"
Robert und Fritz sagten auch „Haha!" und sonst nichts. Erst
nach einer Weile wiegte Fritz gedankenvoll den Kopf und
stöhnte: „Ogottogottogottogott! Wenn Karl Pfeife rauchen
würde!"
„Wieso?" sagte Johannes. Ms.
Grilf^U DI£ RUTSCHBAHN
hauen. — Lu hat alles vorbereitet. Ich denke, es wird klappen."
Da ich den kleinen Ullmann gleichfalls nicht leiden kann, er-
munterte ich Konzelmann: „Haue ihm doch glei zwei runter!"
Konzelmann winkte unwillig ab. „Es muß genau wie vor einem
Monat sein," entgegnete er ernst.
Ich war nicht wenig überrascht, Konzelmann zwei Tage später
bei unserem gemeinsamen Zahnarzt zu treffen. Er hatte eine ge-
schwollene Backe und sah auch sonst ziemlich mitgenommen aus.
Es hatte doch nicht geklappt.
Ullmann, dieser wirklich ekelhafte Kerl, der in der Zwischenzeit
boxen gelernt, hatte Konzelmann drei Vorderzähne ausgeschlagen.
Seitdem lebt Konzelmann wieder vorwärts.
ZUSAMMENHÄNGE
Johannes ist ein lieber, herzlicher Mensch, der den Dingen des
Lebens mit rührender Ahnungslosigkeit gegenübersteht. Trotzdem
ermangelt er nicht, eine entzückende Freundin zu haben, und Anni
ist viel zu schön, um treu zu sein — weshalb sie auch niemals einen
ernsthaften Versuch nach dieser Richtung unternommen hat. Mit
zartem Takt pflegt sie die illegitim Begünstigten auö dem Freundes-
kreis von Johannes zu wählen, und alle wissen, daß der derzeitig
Glückliche Karl ist. Nur Johannes weiß es nicht. Und das ist
gut so.
Eines Abends sitzt Johannes mit Robert und Fritz im Cafe.
Plötzlich sagt er: „Haha! Haha! Paßt auf, ich muß euch
etwas Komisches erzählen. Neulich komme ich früher als sonst
zu Anni uud finde einen Zigarrenrest im Aschenbecher. Also
ich brülle gleich wie ein Berserker: ,Anni! ! ! !‘ Und was soll
ich euch sagen? Fällt mir das verrückte Mädel um den Hals
Junggesellen dürfen nachts nach Hause kommen, wann sie wollen.
Kofelkamp bewohnte ein möbliertes Zimmer bei Frau Pneumichel,
war Junggeselle und kam in der Regel noch später.
Eines Tageö fand er im Hausflur ein großes Schild:
Da heute Nacht die Treppe neu gestrichen wird, werden
die Hausbewohner gebeten, bis 11 Uhr zu Hause zu sein,
oder auöwärtö zu schlafen. Der Hauswirt.
„Schön!" dachte Kofelkamp, „warum soll ich nickst mal um elf zu
Hause sein?" und ging abends seelenvergnügt in die Nackedei-Bar.
Leider befand er sich dort bereits um zehn Uhr in einem derartig
spirituösen Zustand, daß er den profanen Dingen dieser Welt weit
entrückt war.
Als er lange nach Mitternacht die Haustür hinter sich verschloß,
nahmen seine alkoholumfächelten Sinne einen intensiven Farbgeruch
wahr, und langsam tauchte aus dem Nebel der Vergangenheit das
ominöse Schild des Hauswirtes vor seinem weingeistigen Auge auf.
Kofelkamp lehnte sich sorgsam an die Wand und gab sich einer-
längeren Betrachtung hin, die damit endete, daß er einen heroischen
Entschluß faßte. Er setzte sich rittlings auf das Treppengeländer
und zog sich ächzend und pustend mit den Händen in die Höhe. Es
ging herrlich bis zur zwölften Stufe, da kam die Biegung, und
Kofelkamp landete ursächlich einiger rasch aufeinanderfolgenden Be-
gebenheiten recht unsanft wieder im Parterre. Es gab einen Knall,
dem ein gräuliches Gefluche folgte. Gleich darauf öffnete sich oben
eine Tür, und Frau Pneumichels Stimme tönte herab: „Sind
Sie'S, Herr Kofelkamp?"
„Natürlich bin ich'ö!" schnob eö unten. „Möchten Sie mir viel-
leicht sagen, wie ich raufkommen soll?"
„Aber Sie können ruhig heraufkommen,", flötete Frau Pneu-
michel zurück, „die Treppe ist noch garnicht gestrichen worden, vor-
läufig bloß das Geländer!" Ms.
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Julius Diez