Mggel
BEGEGNUNG
VON FRANZ WERNER SCHMIDT
Über die Wiese, dem abendlichen
Himmel entgegen geht ein Herr mit
seinem Hund. Der Herr ist voller
Frieden. Da taucht seitlich ein Je-
mand auf. Ein Fräulein ist es, oder
doch eine weibliche Person, die den
Herrn sozusagen schräg von hinten an-
läuft, die gleichen Kurs mit ihm hat.
Auch ihrem Antlitz entstrahlen Frieden
und Bereitschaft zu aller Gütigkeit der
Welt.
Und siehe da, auch diese Wandernde
ist nicht allein. Mit Gebimmel, schweif-
wedelnd und sogar ein wenig kläffend
kommt ein kleiner grauer Pintscher
hinter ihr zum Vorschein. Ein kleiner
Pintscher, der guter Laune zu sein
scheint, denn er flitzt heran wie aus
der Pistole geschossen, heran gegen den
Hund des abendlichen Herrn, jenem
lustigen, still mit sich zufriedenen
Hund. Dieser stutzt, er ist ungewiß,
was da kommt. Er legt sich sogar auf
den Bauch und nimmt eine Habacht-
Stellung ein, eine Haltung, die dem
kleinen Pintscher nicht entgeht, die sein
Tempo im Gegenteil sehr vermindert.
Er hat eö plötzlich nicht mehr eilig, er
macht einen Bogen, er kommt seitlich
heran.
Der Herr ruft etwas, den Namen
seines Hundes vermutlich. Es klingt
jovial. Man fühlt, hier ist nichts zu
befürchten. Und das Fräulein ruft auch
etwas. Etwas Zwitscherndes. Aber
auch bei ihr merkt man, sie ist keines-
wegs in Sorge.
Die Hunde umkreisen sich lautlos.
Sie springen sich an. Der Herr geht
lächelnd weiter. Ein halber, höflicher,
beinahe verständnisinniger Blick streift
dabei die Dame, die Besitzerin dieses
niedlichen Nichts von einem Hund.
Auch die Dame lächelt und geht für-
baß. Sie hat — man sieht es — anderes zu denken, während sie
hier geht. Es belustigt sie ein wenig, vielleicht —
Plötzlich fährt sie zusammen. Ein Gekrall, ein Gekreische, ein
rasendes Gekläff zerreißt die Luft. Wie sie sich umdreht, ist da
eine rotierende Wolke von Staub und Grasstücken, und die Hunde
sind übereinander her; die so harmlosen Hunde sind übereinander her.
Fifi! schreit die Dame und: O Gott! und: Nehmen Sie den
Hund da weg! Das abscheuliche Vieh! — und es fehlt nicht viel, und
sie fährt dem friedlichen Herrn inö Gesicht.
Dieser jedoch ist ebenfalls von der Partie. Oho! Sein Stock
pfeift dazwischen. Und einen Riemen hat er auch, und jetzt heult
Fifi auf, und das war nicht von dem feindlichen Hund, und das
Fräulein schreit mit, als hätte sie selbst den Hieb bekommen. Und
der Herr brüllt, und der fremde Hund heult, und eö ist eine sehr
lebhafte, laute, wilde Angelegenheit. Aber sie ist kurz. Aber sie
ist vorbei.
Fifi läuft zurück und winselt kläglich und hebt vorwurfsvoll und
anklagend das Pfötchen.
Biest, schreit der ungerührte Herr, und das Fräulein antwortet,
als hätte es ihr gegolten, und es geht noch ein bißchen so hin und
her. Bis die Entfernung zu groß wird. — —
Und in der Ferne wandelt der Herr dem abendlichen Himmel ent-
gegen mit feinem Hunde.
Kindermund!
In einer mittleren Stadt Westdeutschlands wird ein Klasienauffatz
geschrieben über Goethes „Hermann und Dorothea". Der korri-
gierende Lehrer findet im Hefte einer Schülerin folgenden Satz:
„Dorothea wurde stark an Leib und Seele durch den Verkehr mit
Hermann."
Ern lOjähriger Volksschüler schreibt über die Hausmaier: „Wenn
die Hausmaier sich sehr hochgearbeitet hatten, dann ließ er den König
einen Bubikopf schneiden und zwang ihn ins Kloster und setzte sich
auf den Thron."
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BEGEGNUNG
VON FRANZ WERNER SCHMIDT
Über die Wiese, dem abendlichen
Himmel entgegen geht ein Herr mit
seinem Hund. Der Herr ist voller
Frieden. Da taucht seitlich ein Je-
mand auf. Ein Fräulein ist es, oder
doch eine weibliche Person, die den
Herrn sozusagen schräg von hinten an-
läuft, die gleichen Kurs mit ihm hat.
Auch ihrem Antlitz entstrahlen Frieden
und Bereitschaft zu aller Gütigkeit der
Welt.
Und siehe da, auch diese Wandernde
ist nicht allein. Mit Gebimmel, schweif-
wedelnd und sogar ein wenig kläffend
kommt ein kleiner grauer Pintscher
hinter ihr zum Vorschein. Ein kleiner
Pintscher, der guter Laune zu sein
scheint, denn er flitzt heran wie aus
der Pistole geschossen, heran gegen den
Hund des abendlichen Herrn, jenem
lustigen, still mit sich zufriedenen
Hund. Dieser stutzt, er ist ungewiß,
was da kommt. Er legt sich sogar auf
den Bauch und nimmt eine Habacht-
Stellung ein, eine Haltung, die dem
kleinen Pintscher nicht entgeht, die sein
Tempo im Gegenteil sehr vermindert.
Er hat eö plötzlich nicht mehr eilig, er
macht einen Bogen, er kommt seitlich
heran.
Der Herr ruft etwas, den Namen
seines Hundes vermutlich. Es klingt
jovial. Man fühlt, hier ist nichts zu
befürchten. Und das Fräulein ruft auch
etwas. Etwas Zwitscherndes. Aber
auch bei ihr merkt man, sie ist keines-
wegs in Sorge.
Die Hunde umkreisen sich lautlos.
Sie springen sich an. Der Herr geht
lächelnd weiter. Ein halber, höflicher,
beinahe verständnisinniger Blick streift
dabei die Dame, die Besitzerin dieses
niedlichen Nichts von einem Hund.
Auch die Dame lächelt und geht für-
baß. Sie hat — man sieht es — anderes zu denken, während sie
hier geht. Es belustigt sie ein wenig, vielleicht —
Plötzlich fährt sie zusammen. Ein Gekrall, ein Gekreische, ein
rasendes Gekläff zerreißt die Luft. Wie sie sich umdreht, ist da
eine rotierende Wolke von Staub und Grasstücken, und die Hunde
sind übereinander her; die so harmlosen Hunde sind übereinander her.
Fifi! schreit die Dame und: O Gott! und: Nehmen Sie den
Hund da weg! Das abscheuliche Vieh! — und es fehlt nicht viel, und
sie fährt dem friedlichen Herrn inö Gesicht.
Dieser jedoch ist ebenfalls von der Partie. Oho! Sein Stock
pfeift dazwischen. Und einen Riemen hat er auch, und jetzt heult
Fifi auf, und das war nicht von dem feindlichen Hund, und das
Fräulein schreit mit, als hätte sie selbst den Hieb bekommen. Und
der Herr brüllt, und der fremde Hund heult, und eö ist eine sehr
lebhafte, laute, wilde Angelegenheit. Aber sie ist kurz. Aber sie
ist vorbei.
Fifi läuft zurück und winselt kläglich und hebt vorwurfsvoll und
anklagend das Pfötchen.
Biest, schreit der ungerührte Herr, und das Fräulein antwortet,
als hätte es ihr gegolten, und es geht noch ein bißchen so hin und
her. Bis die Entfernung zu groß wird. — —
Und in der Ferne wandelt der Herr dem abendlichen Himmel ent-
gegen mit feinem Hunde.
Kindermund!
In einer mittleren Stadt Westdeutschlands wird ein Klasienauffatz
geschrieben über Goethes „Hermann und Dorothea". Der korri-
gierende Lehrer findet im Hefte einer Schülerin folgenden Satz:
„Dorothea wurde stark an Leib und Seele durch den Verkehr mit
Hermann."
Ern lOjähriger Volksschüler schreibt über die Hausmaier: „Wenn
die Hausmaier sich sehr hochgearbeitet hatten, dann ließ er den König
einen Bubikopf schneiden und zwang ihn ins Kloster und setzte sich
auf den Thron."
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