Damwild Erna Pinner
DER MENSCH IM ZEICHEN DES VERKEHRS
FÜNF SATI REN VON FR
Der Fußgänger
Er hat immer recht — so denkt er —, nur wird sein Recht stets
schnöde mit Füßen getreten — so denkt er wieder.
Daß ihm der Fußweg gehört, weiß er kaum noch, er beansprucht
gleicherweise den Fahrdamm, auf dem er mit Vorliebe kleinere Ver-
sammlungen von ungefähr halbstündiger Dauer abhält. Überquert
er den Fahrweg, so schaut er weder rechts noch links, denn im Unter-
bewußtsein seiner Seele schlummert ihm der Gedanke, daß seinet-
wegen jeder Verkehr ftillzuftehen hat. Wagt es ein Radler oder Auto-
lenker, ihn durch Signale darauf aufmerksam zu machen, daß ein
Fahrweg auch zum Fahren da ist, so ist der Fußgänger tief empört
und er wird, kaum daß er zu Hause ist, zur Feder greifen. Das Er-
gebnis ist dann ein — selbstverständlich anonymer — Erguß als „Stimme
aus dem Leserkreise" in der Zeitung über die wachsende Rücksichts-
losigkeit der Fahrer und die dagegen wehr- und hilflosen Fußgänger.
Dreimal wehe aber dem Lenker jedweden Fahrzeuges, dem ein
Fußgänger in die Räder gelaufen ist. Eine eben noch menschenleere
Straße wimmelt wie ein Ameisenhaufen, und während man den
Unglücklichen begafft, der sich schlimmstenfalls eine Verletzung des
Rockärmels zugezogen hat, dringt aus jeder Seele ein abgründiger
Fluch über den ruchlosen Täter, der seine Schandtat teuer bezahlen
muß, wenn ihm nicht sofort Polizei schützend zur Seite steht.
Ihr alle, die ihr vom 1 PS. Hafermotor angefangen bis zur
140 PS. Mercedes-Limousine durch die Straßen fahrt: Ehret den
Fußgänger, denn er sowie seine Sitten und Gebräuche sind heilig und
die Stimme des Volkes gibt ihm stets recht!
Der Radfahrer
Was ist ein Radfahrer? Nichts als die Verkörperung der dem
Fußgänger eigentümlichen Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit, die
man auf zwei gummibereifte Räder gesetzt hat.
AN Z RUDOLF WINKLER
Ist der Fußgänger zu dem Entschluß gekommen, sich ein Fahrrad
zuzulegen, so kauft er sich zunächst eine Radlaufglocke oder eine
Speichenklingel, dann erst das Rad. Die Glocke befestigt er nach
Möglichkeit derart an seinem Rade, daß sie ununterbrochen laut,
vernehmlich und herzzerreißend bimmelt, denn das ist schön und er-
freut alle Mitmenschen.
Wie der Fußgänger auf dem Fahrweg, so fühlt sich der Radfahrer
nur auf dem Fußweg richtig heimisch. Dort läßt er alle seine blber-
legenheit fühlen, während es auf dem Fahrweg Straßenbahnen,
Laftautomobile und ähnliche Erfindungen gibt, die gehässig genug
sind, vor ihm nicht in die Goffe zu kriechen.
Der!Motorradfahrer
Das ist die schlimmste Gattung des homo sapiens, die man von
Rechtswegen mit Stumpf und Stiel ausrotten müßte.
Glaubt nicht, daß ein kommunistischer Putsch im Gange ist, wenn
ihr Geräusche hört, die dem Rattern unzähliger Maschinengewehre,
durchsetzt mit Geschützfeuer ähneln. Täuscht euch nicht, denn eö ist
Scotch-Terrier Erna Pinner
14
DER MENSCH IM ZEICHEN DES VERKEHRS
FÜNF SATI REN VON FR
Der Fußgänger
Er hat immer recht — so denkt er —, nur wird sein Recht stets
schnöde mit Füßen getreten — so denkt er wieder.
Daß ihm der Fußweg gehört, weiß er kaum noch, er beansprucht
gleicherweise den Fahrdamm, auf dem er mit Vorliebe kleinere Ver-
sammlungen von ungefähr halbstündiger Dauer abhält. Überquert
er den Fahrweg, so schaut er weder rechts noch links, denn im Unter-
bewußtsein seiner Seele schlummert ihm der Gedanke, daß seinet-
wegen jeder Verkehr ftillzuftehen hat. Wagt es ein Radler oder Auto-
lenker, ihn durch Signale darauf aufmerksam zu machen, daß ein
Fahrweg auch zum Fahren da ist, so ist der Fußgänger tief empört
und er wird, kaum daß er zu Hause ist, zur Feder greifen. Das Er-
gebnis ist dann ein — selbstverständlich anonymer — Erguß als „Stimme
aus dem Leserkreise" in der Zeitung über die wachsende Rücksichts-
losigkeit der Fahrer und die dagegen wehr- und hilflosen Fußgänger.
Dreimal wehe aber dem Lenker jedweden Fahrzeuges, dem ein
Fußgänger in die Räder gelaufen ist. Eine eben noch menschenleere
Straße wimmelt wie ein Ameisenhaufen, und während man den
Unglücklichen begafft, der sich schlimmstenfalls eine Verletzung des
Rockärmels zugezogen hat, dringt aus jeder Seele ein abgründiger
Fluch über den ruchlosen Täter, der seine Schandtat teuer bezahlen
muß, wenn ihm nicht sofort Polizei schützend zur Seite steht.
Ihr alle, die ihr vom 1 PS. Hafermotor angefangen bis zur
140 PS. Mercedes-Limousine durch die Straßen fahrt: Ehret den
Fußgänger, denn er sowie seine Sitten und Gebräuche sind heilig und
die Stimme des Volkes gibt ihm stets recht!
Der Radfahrer
Was ist ein Radfahrer? Nichts als die Verkörperung der dem
Fußgänger eigentümlichen Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit, die
man auf zwei gummibereifte Räder gesetzt hat.
AN Z RUDOLF WINKLER
Ist der Fußgänger zu dem Entschluß gekommen, sich ein Fahrrad
zuzulegen, so kauft er sich zunächst eine Radlaufglocke oder eine
Speichenklingel, dann erst das Rad. Die Glocke befestigt er nach
Möglichkeit derart an seinem Rade, daß sie ununterbrochen laut,
vernehmlich und herzzerreißend bimmelt, denn das ist schön und er-
freut alle Mitmenschen.
Wie der Fußgänger auf dem Fahrweg, so fühlt sich der Radfahrer
nur auf dem Fußweg richtig heimisch. Dort läßt er alle seine blber-
legenheit fühlen, während es auf dem Fahrweg Straßenbahnen,
Laftautomobile und ähnliche Erfindungen gibt, die gehässig genug
sind, vor ihm nicht in die Goffe zu kriechen.
Der!Motorradfahrer
Das ist die schlimmste Gattung des homo sapiens, die man von
Rechtswegen mit Stumpf und Stiel ausrotten müßte.
Glaubt nicht, daß ein kommunistischer Putsch im Gange ist, wenn
ihr Geräusche hört, die dem Rattern unzähliger Maschinengewehre,
durchsetzt mit Geschützfeuer ähneln. Täuscht euch nicht, denn eö ist
Scotch-Terrier Erna Pinner
14