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FREILUFTSKIZZEN

VON SVEND FLEURONi MIT ZEICHNUNGEN VON KÄTHE OLSHAUSEN-SCHÖNBERGER

Auf Posten Heringsschwärme und Seeschwalben

Ein Wegübergang. Alte Schlagbäume auf den Seiten, damit der
Wagen nicht in den Graben rollen soll.. . Dabei eine Pappel mit
glänzenden Knospen — in der Pappel ein Vogel, eine kleine
Goldammer.

Sie sitzt auf Wache...

Seit das Schneegestöber aufhörte, das Eis den Griff lockerte
und die Sonne dem Bach im Graben Sprache gab, hat die Gold-
ammer bier auf Posten gesessen. Sie hütet etwas von Erde über-
stobnes, vom Schnee niedergedrücktes Kräuterzeug: steife, graubraune
Klettenftengel, Halme von Hundsgras, eingesponnen in Schlingfäden
von Winden. Diese Schätze gilt e6 zu hüten.

Die Hecke ist voller Goldammern und alle wissen, waS ein Nest
wert ist — wer eins besitzt, der hütet eö wohl.

In feine stillen Betrachtungen versunken, sitzt der Vogel mit
hängendem Schwanzpflock und ruhendem Kopf. Die Märzsonne ver-
leiht feinem Gefieder einen Schein, der an Huflattich und Gänse-
distel erinnert.

Auf Posten. Tag aus, Tag ein, feit Anfang März, als es dem
Vogel plötzlich klar wurde, dasi er die Winterruhe hinter den
Schobern des Bauers allzu lange genossen hatte. Wenn nun einer
käme, den Graben fände, die Pappel — und die Schätze!

Das Wetter wechselt: ein Schneeschauer wütet, Lenzregen ver-
dunkelt den Himmel. Die Goldammer hät die Nase zum Himmel
hinauf und duckt den Nacken. Aber beim kleinsten günstigen Wetter-
zeichen ist sie wieder auf ihrem Posten.

Sie sitzt und sieht auf ihre Herrlichkeiten im Graben, denen kein
Mensch einen Blick opfern mag. Heut morgen war sie da unten,
trank vom Wasser und zupfte harte, mikroskopisch kleine Samen
hervor, die nur sie kennt. Das grüne Blättergekräusel des wilden
Kerbels guckt schon hervor. Es lenzt, es sprießt.

Doppelte Wachsamkeit auf dem Posten ist notwendig. Aber weiter
in die Zukunft denkt der Philosoph nicht. Und er macht sich keine
Sorge deswegen, woher die Liebste kommen soll. Sie wird kommen.

Wenn das Feuer im Blute lodert, dann wird die Goldammer den
gelben Schopf sträuben und mit dem Schwänzchen schlagen. Dann
kann sie nicht länger still sitzen und nur in einem fort „Twit twit"
singen. Dann geht ihr das Herz durch mit dem Verstand, und von
Philosophie ist nicht mehr die Rede.

Dann verläßt die Goldammer ihren Posten.

Ein Heringöschwarm vom Meere draußen ist in die Förde einge-
bogen und im Begriff, den Stromlauf zu passieren. Winzige, silbern
glänzende Gesellen.

Die weißbäuchigen Seeschwalben haben sie schon erspäht. Mit
schwarzer Haube über feuerrotem Schnabel, die tiefgegabelten
Schwanzfedern gebeugt, stehen sie in einer Wolke über dem Strom.

Die Sonne leuchtet. Wo aber die Seeschwalben fischen, da ift'ö,
als ob der Regen herabftürzt: das Wasser schäumt und spritzt auf.
Große Tropfen lärmen und plätschern.

Alle Schnäbel sind gesenkt, alle Blicke wachen. Auf wippelnden,
schwippenden Flügeln wirbeln die Vögel aus der Wolke hinab.

Platsch, Platsch ... Einer nach dem andern dieser „Tropfen"
stürzt kopfüber ins Wasser. So schnell ist der Fall, daß sie ganz im
See verschwinden.

Aber andere stehen oben in der Wolke bereit... Andere sind im
Sturze begriffen. . . Und nun tauchen die ersten wieder aus dem
Wasser auf und heben sich empor, während neues Fallrauschen um
sie tönt.

Ein weißer Pflock im Schnabel, der glänzende Hering, verrät
Fang. Und sie verschwinden, nach der Lehmbank hin, wo schon
erfolgreiche Kameraden mit eingekniffenen Hälsen, gefräßig, als sollte
ihnen übel werden, den Fisch hinunterwürgen. Der starke Genuß
eines Augenblicks ist ihnen gewiß.

Einen verfolgt' ich mi tdem Fernglas. Zehnmal ging er hinab und
kam wieder herauf — vergebens. Dann endlich gab Neptun ihm
feinen Lohn, und er schwang sich mit dem Hering auf die Lehmbank.
Da fuhr eine große, dumme Lachmöwe dazu und haschte den
Hering.

Wie es so geht.

Ente und Erpel

Der Märzschnee kann stieben, Regenschauer können herabfegen,
der kalte Morgen mag Wege und Pfützen mit starrer Schicht ;u-
decken: e r merkt es nicht, so wenig wie s i e.

Die Hoffnung auf Vereinigung erfüllt beide. Er. glaubt, an. seine
Chance, und sie - daß sie der Chance wert ist.

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Svend Fleuron: Freiluftskizzen
Käthe Olshausen-Schönberger: Illustration zum Text "Freiluftskizzen"
 
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