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gllustrationen
zu Tieck
von I. Werty

Ateliers mit Oberlicht zahlte, als Emil noch nicht Emil hieß, son-
dern einfach eine lebensgroße Gliederpuppe war, die wir ebensogut
Agathe hätten laufen können.

Mit der Zeit kostete er doch erheblich mehr.

Die Taufe war großartig. Der Täufling lag im Bett, sorgfältig
bekleidet mit einer Tüllgardine,
während ein reizender kleiner Lam-
penschirm sein Haupt zierte. Es
wurde in geheimer Wahl darüber
abgestimmt, ob das Kind ein Junge
oder Mädchen sein sollte. Von den
sechs anwesenden Paten stimmten
drei für männlich und drei für weib-
lich.

Albert stieg auf einen Stuhl und
hielt eine feine Rede: „Gerechtigkeit
ist Alles, Ihr Freunde! Alea jacta
sunt und Stimmengleichheit ist er-
zielt. Somit sei das Kind laut Frak-
tionsbeschluß sächlich! Vater- und
mutterlos steht es ernfam in der bösen
Welt, wie Kaspar Hauser selig. Wir
wollen eS zu einem nützlichen Mit-
glied der Gesellschaft erziehen. Sei-
nem Geschlecht entsprechend wollen
wir ihm die Namen geben: Kaspar,

Ramsay, Rosa, Emil. Der Ruf-
name ist zu unterstreichen!"

Hier fiel Albert vom Stuhl, denn
es war bereits ein vorgeschrittener
Abend, aber er beschädigte sich nur.
leicht.

Drei hielten den Täufling über die
Gummibadewanne und Albert nahm
die Sektflasche.

,,So seiest du, Kind sächlichen Ge-

schlechts, hinfort genannt: Kaspar, Ramsay, Rosa, Emil! Fahre
hin in Frieden!"



Anita, die Kunstgewerblerin in Lampenschirmen, saß am Klavier
und machte die Festmusik, wodurch sie der Katastrophe entging.

Man kann Kinder, auch wenn sie
sächlich sind, nicht taufen wie ein
Schiff. Zwar zerschellte die Sekt-
flasche vorschriftsmäßig an Emils
Nase, aber leider die Nase auch und
Georgs guter Anzug wurde zerschnit-
ten. Lothars Schädel mußte vernäht
werden wie auf einer Mensur, was
uns ja viel Spaß machte aber ihm
nicht, weil der Bindfaden so dick war.
Er sträubte sich so, daß wir ihn spä-
ter auf die Rettungswache bringen
mußten, wo es der Arzt in fünf
Minuten fertig bekam. Das Stück
Glas aus meinem Oberarm ließ sich
mit der Papierschere verhältnismäßig
leicht herauspopeln.

Albert selbst und das unglückliche
Emil machten uns am meisten zu
schaffen. Wir arbeiteten zwei Stun-
den und Albert konnte dann sein
Glas nicht mehr halten, weil feine
Hände so verwickelt waren. Wir muß-
ten ihn tränken.

Das Emil bekam seine Nase ge-
schient und der Schlitz in der rechten
Backe wurde zu einer blaßrosa Narbe
verarbeitet. Nur die verhältnismäßige
Aufgeweichtheit seiner unteren Ge-
sichtSpartie bereitete uns einige
Sorge.

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J. Werth: Illustrationen zu Tieck
 
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