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PREISABBAU

Wir hatten da in Mexiko einen bildschönen Klub beisammen.
Allen voran Iupp Schmitz aus Köln am Rhein. Wir nannten ihn
den Döbbelju. Verwegen, gerissen, entschlossen, - ein Kerl, dev
wußte, was er wollte und in die Welt paßte. Kein besserer Schütze
und Reiter landaus und landein. Und spielte abends in Old-WilliamS
Bar einen Skat, — ä la bonne heure! Ihr hättet ihn sehen
sollen: Stach beim Grand das Herz-Aß mit dem Buben und spielte
die Herz-Zehn einfach nach. Die Mitspieler kriegten kein Bein auf
die Erde sozusagen. Donnerwetter, war das eine Sauferei jeden
Abend. Kurzum, es hätte ein Idyll fein können, wenn nicht der Bar-
wirt Old-William so ein ausgemachter Schuft gewesen wäre.

Sobald er spitzte, daß uns ein paar Silberdollar locker saßen,
ging er an die Wand, wo die Getränkepreise mit Kreide angeschrieben
waren und erhöhte sie. Weil die Marktnotierungen steigende Ten-
denz zeigten, — wir sollten nur im Blatt Nachsehen. Dabei war Old-
William ein ganz feiger Hund. Wenn wir einschnappten wegen seines
Wuchers, schickte er seine Tochter Mary an unseren Tisch. Ein
SatanSweib, — verflucht und zugenäht. Sobald sie herantänzelte,
— schwarzes Kleidchen, roteö Tuch und mit den Augen wackelte:
,,WaS belieben die Herren noch zu trinken?" — dann sauste ihre
Mitgift durch unseren vermehrten Konsum um Punkte in die Höhe.

Nur Döbbelju scherte sich einen Dreck um sie, lachte uns als
„knatschjeck" aus, zählte seine Karten und behauptete: Gewonnen!
Und ausgerechnet auf ihn hatte es Mary abgesehen, — das war ganz
unverkennbar.

Nun geht's los. Wir lagen wieder einmal fest vor Anker. Draußen
zwitscherte der Sturm wie eine Jazzband mit allen Schikanen. In
der Bar eine Luft, — eine Luft, die selbst uns auf die Nerven ging.
Wir hatten schon allerlei Sachen hinter die Binde gequetscht. Da
rudert Old-William wieder an die Wand und erhöhte die Preise,
aber wie! Es war ein glatter Skandal und wurde Döbbelju zu bunt.
Er steht auf, schiebt auf den Wirt loS: „Gentleman, — ich heirate
Eure Tochter!" Der macht Augen wie der steinerne Roland, den sie

anno 1276 als Zeichen der Gerichtsbarkeit über Kopf und Hals an
das Rathaus zu Jüterbog genagelt haben. Aber ehe der Wirt nur
einen Ton aus der Kehle bringt, brüllt Döbbelju noch einmal: „Ich
heirate Mary, — verstanden!" — „Holt den Pfarrer!" schrie er zu
uns herüber. Sofort trudelten Bill und ich ab. Wir saßen ohnedies
in einer Pechsträhne und waren für die Unterbrechung dankbar.

Der Pastor wohnte nicht weit, schlief aber schon und die Haustür
war fest verschlossen, weil die Altargeräte im Hause verwahrt wer-
den. Das Schloß hatte als solide Arbeit zu gelten. Wir quälten uns
minutenlang ohne jede Erfolgsaussicht. Dazu dies Hundewetter!
Darum platzte uns die Geduld. Wir rissen die westliche Giebelwand
aus der Villa und schleiften den Pfarrer wie er war, mitsamt seiner
Bettlade in die Bar. Dort war alles in Butter: Mary hatte einen
funkelnagelneuen grünen Kamm ins Haar gesteckt. Nach zehn Minu-
ten war sie Lady Schmitz und besaß die deutsche Staatsangehörigkeit.
Der Pfarrer brauchte gar nicht aus dem Bett, erhielt drei Dollar
für die Trauung und fünf Dollar für die Hausreparatur. Dann
trugen wir ihn wieder heim.

Als Bill und ich zurückkamen, war ein Mordsradau in der Bar.
Döbbelju hatte seinen Schwiegervater sofort nach der Trauung mit
Kaliber 7,9 Spezialmodell über den Haufen geschossen. Das war
nun eine Familienangelegenheit und ging keinen Fremden etwas an.
Zu diesem Zweck hatte Döbbelju ja das Verwandtschaftsverhältnis
geschaffen. Er band schon die Schürze um als Erbe und Barbesitzer.

Aber nun kommt die Gemeinheit: Ging an die Wand und setzte
die Preise hinauf! Wegen Geschäftsübernahme und seiner Spesen
für Trauung und Beerdigung. Teufel noch einmal, hatten wir eine
Wut. Doch da tänzelte Mary schon heran: „Was belieben die Her-
ren ..." Und wir soffen weiter und wagten kein Wort. Wie gesagt:
ein Satansweib.

Doch seitdem kann ich wild werden, sobald einer bei der Debatte
über Preisabbau so daherrcdet: Ja, wenn ich am Ruder wäre, dann
sollten Sie einmal sehen, wie alles billiger wird . . . Karl Rabe

öwillen, lehn dich da nicht an, die Bank wackelt!" F. Heubner

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Register
Friedrich (Fritz) Heubner: Zeichnung ohne Titel
Karl Rabe: Preisabbau
 
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