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DIE AMSEL

Nach G. Gezelle
VON PA UL ZECH

Wenn die Bäume langsam dunkeln
Und ein Stern schon funkeln will:
Steht dein Herz nicht plötzlich still
Vor dem späten Lied der Amsel?

Auf des Baumes höchster Rute,
Über nebelgrauem Halm,

Flöter sie den Abendpsalm
In den Atemhauch der Fernen.

Froh in ihrer Kehle streiten
Söldner Hall und Widerhall,
Brausend wie Posaunenschall
Und so zart wie Violinen.

Und du weißt nicht, ob sie leise
Zwiesprach mit den Zweigen tauscht
Oder, schon vom Mond berauscht,
Hinsinkt zu den Zittergräsern.

Weißt nicht, ob sie sich dem Munde
Eines Fieberkranken neigt
Und das Wort, das er verschweigt
Aufschreit, daß es Christus höre.

Froh in ihrer Kehle streiten
Soldner Hall und Widerhall,
Brausend wie Posaunenschall
Und so zart wie Violinen.

Und du weißt nur, daß sie schöner
Aufbrennt mit dem Abendftern
Und den Lobgesang des Herrn
Lehren will uns Erdensöhnen.

Weißt nur, daß sie wie wir Alle
Nur ein Staubkorn ist im All
Und mit Fink und Nachtigall
Steine anrührt, bis sie klingen,

Bis wir selber Amseln werden
Und, befreit vom Erdenstaub,

Nester baun im Silberlaub
Der gottewigen Gestirne.

Alfred Kunst

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