Das Barometer
R. Rost
Meine Beine — und kein Kavalier? Nun wird'ö aber ernst mit der Wirtschaftskrise!"
EINE GOLF-LEGENDE
VON WALTER M.F. BECKER
Englands berühmtester Golfchampion war gestorben. Tiefe Trauer
herrschte im Lande. Die Zeitungen widmeten ihm lange Leitartikel.
Die illustrierten Blätter brachten ganze Seiten mit seinen Bildern,
die ihn, den großen Künstler, in allen Lebenslagen und allen Stel-
lungen zeigten. Auf den Straßen wurden Ansichtspostkarten mit
Trauerrand verkauft und gingen ab wie die PlumkakeS zur Weih-
nachtszeit. Überall, wo man hinkam, wurde von ihm gesprochen, von
ihm, dem großen Larry Hardon, der nun keinen seiner berühmten
Triebschlägc mehr ausführen würde, die den kleinen weißen Ball nüt
einem fast unhörbaren „Klick" abfaufen ließen in schnurgerader und
immer höher ansteigender Flugbahn dem Ziel des „Grüns" entgegen.
Wer immer von der großen Golf-
gemeinde diesen Schlag des Larry
Hardon gesehen, ja, miterlebt hatte,
den überkam noch nachträglich ein
Feiertagsgefühl, untermischt mit gel-
bem Neid. Alle versuchten es ihm
gleich zu tun und keinem war es je
gelungen. Und nun war dieses
Phänomen vom Golfplatz des Lebens
geschieden, fortgewischt und ausgelöscht.
Sein Begräbnis wurde mit ungeheu-
rem Pomp begangen. Hinter dem
Sarge gingen die besten Golfspieler
Englands. Seine Golfschläger wur-
den auf einem schwarzen Kissen hinter
dem Sarge hergetragen und sein Lieb-
lingS-Caddie trottete, in Tränen auf-
gelöst, neben diesen letzten Emblemen
von Larry HardonS Lebenswcrk. In
Schottland, der Hochburg des Golf,
wurde einen Monat lang mit schwar-
zen Bällen gespielt und die Trauer
wollte kein Ende nehmen.
Aber dies alles sah Larry Hardon nicht mehr. Schneller noch und
höher, als je einer dieser weltberühmten Tricbschläge von ihm ge-
gangen war, schnellte er durch den Weltenraum dem Himmel ent-
gegen. Als er an die Pforte kam, die zur Seligkeit führte, stand
Petrus hinter dem Hinunelsgitter und blickte auf die Erde hinab.
Mit einem leichten Kopfnicken trat Larry an die Sperre und sagte,
so wie er jeden Morgen dem Klubdiener von St. Andrews Golf Club
zu sagen pflegte: „Good morning, schönes Wetter nicht wahr?"
Aber Petrus gab hierauf keine Antwort, musterte den Ankömmling
von oben bis unten und sagte endlich: „Wer sind Sie?"
Larry Hardon war platt. Das war ihm noch niemals passiert.
Erst fand er keine Worte, dann fiel
ihm endlich ein, daß er ja tot war und
gab seine Personalien, wobei er alle
Championate der letzten zehn Jahre
aufzählte. Petrus hörte kaum hin und
sah in seinem Kontobuch nach. Dann
öffnete ein Engel, an dem Larry schon
von weitem konstatierte, daß dieser
niemals ein guter Golfspieler werden
würde, weil die Beinstellung ganz un-
korrekt war, die Himmelstür. Larry
trat ein. Er ging auf Petrus zu,
machte mit ihm 8hake hands und
fragte dann: „I beg your pardon,
Mr. Petrus, wo sind hier die Golf-
links?" Petrus machte ein Gesicht wie
einer, der beim Wettspiel um den
Klubpokal beim letzten Loch in den
Bunker gespielt hat und sagte mit
knurrender Stimme: „Ich glaube,
Herr Hardon, Sie verkennen die
Situation. Sie sind hier im Himmel.
Hier werden Psalmen gesungen und
Spanische Tänzer Georg Pfeil f
107
R. Rost
Meine Beine — und kein Kavalier? Nun wird'ö aber ernst mit der Wirtschaftskrise!"
EINE GOLF-LEGENDE
VON WALTER M.F. BECKER
Englands berühmtester Golfchampion war gestorben. Tiefe Trauer
herrschte im Lande. Die Zeitungen widmeten ihm lange Leitartikel.
Die illustrierten Blätter brachten ganze Seiten mit seinen Bildern,
die ihn, den großen Künstler, in allen Lebenslagen und allen Stel-
lungen zeigten. Auf den Straßen wurden Ansichtspostkarten mit
Trauerrand verkauft und gingen ab wie die PlumkakeS zur Weih-
nachtszeit. Überall, wo man hinkam, wurde von ihm gesprochen, von
ihm, dem großen Larry Hardon, der nun keinen seiner berühmten
Triebschlägc mehr ausführen würde, die den kleinen weißen Ball nüt
einem fast unhörbaren „Klick" abfaufen ließen in schnurgerader und
immer höher ansteigender Flugbahn dem Ziel des „Grüns" entgegen.
Wer immer von der großen Golf-
gemeinde diesen Schlag des Larry
Hardon gesehen, ja, miterlebt hatte,
den überkam noch nachträglich ein
Feiertagsgefühl, untermischt mit gel-
bem Neid. Alle versuchten es ihm
gleich zu tun und keinem war es je
gelungen. Und nun war dieses
Phänomen vom Golfplatz des Lebens
geschieden, fortgewischt und ausgelöscht.
Sein Begräbnis wurde mit ungeheu-
rem Pomp begangen. Hinter dem
Sarge gingen die besten Golfspieler
Englands. Seine Golfschläger wur-
den auf einem schwarzen Kissen hinter
dem Sarge hergetragen und sein Lieb-
lingS-Caddie trottete, in Tränen auf-
gelöst, neben diesen letzten Emblemen
von Larry HardonS Lebenswcrk. In
Schottland, der Hochburg des Golf,
wurde einen Monat lang mit schwar-
zen Bällen gespielt und die Trauer
wollte kein Ende nehmen.
Aber dies alles sah Larry Hardon nicht mehr. Schneller noch und
höher, als je einer dieser weltberühmten Tricbschläge von ihm ge-
gangen war, schnellte er durch den Weltenraum dem Himmel ent-
gegen. Als er an die Pforte kam, die zur Seligkeit führte, stand
Petrus hinter dem Hinunelsgitter und blickte auf die Erde hinab.
Mit einem leichten Kopfnicken trat Larry an die Sperre und sagte,
so wie er jeden Morgen dem Klubdiener von St. Andrews Golf Club
zu sagen pflegte: „Good morning, schönes Wetter nicht wahr?"
Aber Petrus gab hierauf keine Antwort, musterte den Ankömmling
von oben bis unten und sagte endlich: „Wer sind Sie?"
Larry Hardon war platt. Das war ihm noch niemals passiert.
Erst fand er keine Worte, dann fiel
ihm endlich ein, daß er ja tot war und
gab seine Personalien, wobei er alle
Championate der letzten zehn Jahre
aufzählte. Petrus hörte kaum hin und
sah in seinem Kontobuch nach. Dann
öffnete ein Engel, an dem Larry schon
von weitem konstatierte, daß dieser
niemals ein guter Golfspieler werden
würde, weil die Beinstellung ganz un-
korrekt war, die Himmelstür. Larry
trat ein. Er ging auf Petrus zu,
machte mit ihm 8hake hands und
fragte dann: „I beg your pardon,
Mr. Petrus, wo sind hier die Golf-
links?" Petrus machte ein Gesicht wie
einer, der beim Wettspiel um den
Klubpokal beim letzten Loch in den
Bunker gespielt hat und sagte mit
knurrender Stimme: „Ich glaube,
Herr Hardon, Sie verkennen die
Situation. Sie sind hier im Himmel.
Hier werden Psalmen gesungen und
Spanische Tänzer Georg Pfeil f
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