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Aus „Los Desastres de la Guerra'1 Francisco Goya

IST MEINE HOSE BLAU?

VON FRIEDRICH FREKSA

Im Jahre des Heils 1908 erhielt die bayerische Mittelstadt
Waldenburg-Schönau eine Garnison von zwei Bataillonen. Das
ermöglichte dem Herrn Magistratssekretär Ignatius Pfaffenbühler
die Ausführung seines langgehegten Wunsches, das Mädchen zu
heuern, auf das er sein Auge seit drei Jahren geworfen hatte,
da er das obere Stockwerk seines von einer Tante ererbten
Häuschens als Offiziersquartier abgeben konnte.

Die Ehe des jungen Paares konnte glücklich genannt werden.
Sah es die junge Frau ihrem Gatten sogar gerne nach, daß er
zweimal in der Woche den Stammtisch im „Goldenen Adler" auf-
suchte, allwo er am Honoratiorentisch, zwar am unteren Ende,
aber immerhin unter den Machthabern der Stadt, seinen Platz
wichtig ausfüllte. Leider brachte es seine Stammtischehre mit sich,
daß er, um seine häusliche Unabhängigkeit zu zeigen, mehr trank
als ihm gut und not war. Und besonders die eingefleischten
Junggesellen in der Bekanntschaft, zumal der Archivassessor
Dr. Mathias Klingler, hatten große Freude daran, den jungen
Ehemann jedesmal in einem bedenklichen Zustande vor seiner
Haustüre abzugeben.

Wäre nun seine Frau Eheliebste Hedwig böse gegen ihn ge-
wesen, hätte sie geschmollt oder gezürnt, so wäre ohne Zweifel bei
dem stolzen und eigenwilligen Charakter des Herrn Magistrats-
sekretärs Versteifung und Vertröstung auf die Bierseligkeit der
Stammtischabende die Folge gewesen. Da sie ihm aber niemals
etwas nachtrug, und nur höchstens, wenn sie aus dem Schlaf
auffuhr, rief: „Wie hast du mich so furchtbar erschreckt!" so ging
Ignatius in sich. Und da ihn eines Sonntags die Freunde wieder
einmal zum Bleiben drängten, schlug er mit der Faust auf den

Tisch und rief: „Nein, i tu's meinem Weiberl nit mehr an!"
Und erhob sich, trotzdem der Archivassessor warnte: „Bleib doch,
Ignatius, sicher bist du doch nicht mehr auf den Beinen!"

Er aber scherte sich um nichts und. statt der gewohnten Einuhr-
stunde betrat er sein Haus bereits kurz vor zwölf. Er entledigte
sich seiner Stiefel, denn er wollte sein junges Weiberl nicht wecken,
darum erschrak er um so mehr, als sie ihm beim Oesfnen der
Schlafzimmertür entgegenrief:

„Bitte, mach kein Licht, ich habe so unerträgliche Kopfschmerzen!"

In seiner einjährigen Ehe hatte Ignatius bereits erfahren, daß
Kopfschmerzen bei einer jungen Frau bedeutungsvoll find. Da er
Buße tun wollte, zündete er kein Licht an, und entkleidete sich im
Dunkeln, trotzdem das nicht angenehm war. Da er das Bett be-
steigen wollte, bat seine Frau noch einmal:

„Ignatius, geh in die Küche und hole mir eine Zitrone!"

Ueberschäumend in aufopferungsvoller Liebe sagte er: „Gewiß.
Liebe!" streichelte ihr, ein wenig täppisch zwar, über Wangen und
Hals, griff dann im Dunkeln umher, packte die Hose, zog sie an
und tastete sich in die Küche. Hier schlug er Licht und suchte nach
der Zitrone, die er endlich auch glücklich fand. Da fiel von ungefähr
sein Blick aus die Hose. Fassungslos starrte er auf sie herab. Diese
Hose, die vorher noch schwarz und grau gestreift war, leuchtete
hellblau um seine Schenkel. So weit also war es mit seiner
Trunkenheit schon gekommen, daß er blau sah. Gebrochen sank er
aus die Spülbank nieder und brütete still mit Entsetzen vor sich
hin.

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Register
Francisco José de Goya y Lucientes: Zeichnung aus "Los Desastres de la Guerra"
Kurt Friedrich-Freksa: Ist meine Hose blau?
 
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