Der arme Holzhacker
Carl Girod
Meine Bekanntschaft mit Mimt
Von Ernst Herold
Idyll
Ein Kälbchen laß in süßer Ruh
im Gras bei einer bunten Kuh,
als heiß die liebe Sonne brannte.
Die bunte Kuh war seine Tante,
weil seine Mutter, welche zwar
schon tot, von ihr die Schwester war.
Dieweil sie der Verstorbnen ähnlich,
liebt sie das Kalb ganz ungewöhnlich.
Es schaute an sie „unverwandt",
obgleich es sie doch Tante nannt',
so daß der Bunten übervoll
die Seele samt dem Euter schwoll.
Ein Ochs, der Vetter dieser Kuh,
gesellte sich den beiden zu.
Er war bereits von Kindheit an
der Base herzlich zugetan
und hätte sicher sie gefreit,
wenn solches eine Möglichkeit;
denn diese Form der Wiederkäuer
entbehrt das nöt'ge Liebesfeuer.
Nun legen alle drei sich nieder
und horchen auf der Vöglein Lieder.
Der Ochs, vom Schwanz des Kalbs gestreichelt,
fühlt sich als Onkel sehr geschmeichelt.
Hier offenbart sich unverhüllt
ein liebliches Familienbild
in Innigkeit; des Herzens Triebe
nicht ganz gestillt und doch voll Liebe.
Man soll ein solch Idyll in Ehren
betrachten — aber ja nicht stören!
Waldemar Schmidt.
Ich bevölkere ein Kaffeehaus.
Einer haut auf dem Klavier herum, als mache
er Notstandsarbeiten im Holzzerkleinern. Einer
sägt auf einer Geige. Einer quält sein Saxophon.
Ueberschrift: Trio, spielend: „Leise flöhen
meine Lieder."
Ein mordsmäßiger Tabaksqualm ist in der
Bude. Man kommt sich vor, als hätte man sich
in den Auspufftopf eines Automobils geklemmt.
Am gegenüberstehenden Tisch räkelt schüchtern
sich ein kleines Mädel. Sie hat zuckersüße Bein-
chen. Man kann allerdings nur bis zu den
Knien sehen.
Sie schaut plötzlich mich an, ich sie. Ich lächle,
sie lacht. Die richtige Wellenlänge ist gefunden.
„Herr Ober, zahlen!'/
Mimi und ich gehen bereits eine halbe Stunde
im gleichen Schritt und Tritt durch schwach be-
leuchtete Vorstadtstraßen und sind uns einig.
Es ist eine wundervolle Nacht.
Die Gitter in den Gärten blühen, und die
Fliederbäume sind neu angestrichen. Irgendwo
bellt ein Frosch, quakt ein Hund. Ueber uns bren-
nen sechsunddreißig (doppelt gezählte) Sterne. E
ist unendlich — mindestens jedoch drei Kilometer
— romantisch im wahrsten Sinne des Wortes.
Dann stehen wir an der Tür ihres Hauses.
Rechts neben uns lacht eine Laterne, hinter
uns, links neben uns. Sehr hell, sehr peinlich.
Wir unterhalten uns dementsprechend vor-
sichtig. Wir hüllen uns in lauwarme Worte.
Wir schwärmen, wir träumen...
Vom neuesten Bubikopfschnitt und letzten
Hautana-Modell.
Ein vorüberglotzender Schupo zerstampft für
einen Augenblick unsere zarten Gefühle.
„Wann sehen wir uns wieder," fragt Mimi.
„Wenn wir uns treffen."
„Ach Sie... Du! Wann denn?"
„Uebermorgen, Mimi."
Linde Lüfte umtosen unsere Sinne!
„Ja, übermorgen kommst du zu mir, Bub,..."
und sie streichelt mein herrliches Gesicht,
„aber..."
„Was, Mimi," flöte ich innig.
„Sei lieb ...," sagt sie.
„Ja, Mimi," und ein ungekanntes Wollen
u;: : Dinengleich in mein Blut,
ß dich bitte rasieren."
4M
Carl Girod
Meine Bekanntschaft mit Mimt
Von Ernst Herold
Idyll
Ein Kälbchen laß in süßer Ruh
im Gras bei einer bunten Kuh,
als heiß die liebe Sonne brannte.
Die bunte Kuh war seine Tante,
weil seine Mutter, welche zwar
schon tot, von ihr die Schwester war.
Dieweil sie der Verstorbnen ähnlich,
liebt sie das Kalb ganz ungewöhnlich.
Es schaute an sie „unverwandt",
obgleich es sie doch Tante nannt',
so daß der Bunten übervoll
die Seele samt dem Euter schwoll.
Ein Ochs, der Vetter dieser Kuh,
gesellte sich den beiden zu.
Er war bereits von Kindheit an
der Base herzlich zugetan
und hätte sicher sie gefreit,
wenn solches eine Möglichkeit;
denn diese Form der Wiederkäuer
entbehrt das nöt'ge Liebesfeuer.
Nun legen alle drei sich nieder
und horchen auf der Vöglein Lieder.
Der Ochs, vom Schwanz des Kalbs gestreichelt,
fühlt sich als Onkel sehr geschmeichelt.
Hier offenbart sich unverhüllt
ein liebliches Familienbild
in Innigkeit; des Herzens Triebe
nicht ganz gestillt und doch voll Liebe.
Man soll ein solch Idyll in Ehren
betrachten — aber ja nicht stören!
Waldemar Schmidt.
Ich bevölkere ein Kaffeehaus.
Einer haut auf dem Klavier herum, als mache
er Notstandsarbeiten im Holzzerkleinern. Einer
sägt auf einer Geige. Einer quält sein Saxophon.
Ueberschrift: Trio, spielend: „Leise flöhen
meine Lieder."
Ein mordsmäßiger Tabaksqualm ist in der
Bude. Man kommt sich vor, als hätte man sich
in den Auspufftopf eines Automobils geklemmt.
Am gegenüberstehenden Tisch räkelt schüchtern
sich ein kleines Mädel. Sie hat zuckersüße Bein-
chen. Man kann allerdings nur bis zu den
Knien sehen.
Sie schaut plötzlich mich an, ich sie. Ich lächle,
sie lacht. Die richtige Wellenlänge ist gefunden.
„Herr Ober, zahlen!'/
Mimi und ich gehen bereits eine halbe Stunde
im gleichen Schritt und Tritt durch schwach be-
leuchtete Vorstadtstraßen und sind uns einig.
Es ist eine wundervolle Nacht.
Die Gitter in den Gärten blühen, und die
Fliederbäume sind neu angestrichen. Irgendwo
bellt ein Frosch, quakt ein Hund. Ueber uns bren-
nen sechsunddreißig (doppelt gezählte) Sterne. E
ist unendlich — mindestens jedoch drei Kilometer
— romantisch im wahrsten Sinne des Wortes.
Dann stehen wir an der Tür ihres Hauses.
Rechts neben uns lacht eine Laterne, hinter
uns, links neben uns. Sehr hell, sehr peinlich.
Wir unterhalten uns dementsprechend vor-
sichtig. Wir hüllen uns in lauwarme Worte.
Wir schwärmen, wir träumen...
Vom neuesten Bubikopfschnitt und letzten
Hautana-Modell.
Ein vorüberglotzender Schupo zerstampft für
einen Augenblick unsere zarten Gefühle.
„Wann sehen wir uns wieder," fragt Mimi.
„Wenn wir uns treffen."
„Ach Sie... Du! Wann denn?"
„Uebermorgen, Mimi."
Linde Lüfte umtosen unsere Sinne!
„Ja, übermorgen kommst du zu mir, Bub,..."
und sie streichelt mein herrliches Gesicht,
„aber..."
„Was, Mimi," flöte ich innig.
„Sei lieb ...," sagt sie.
„Ja, Mimi," und ein ungekanntes Wollen
u;: : Dinengleich in mein Blut,
ß dich bitte rasieren."
4M