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D e r Sekretär

Ein kleines Couplet

Im Frankenfälscherprozcß erklärte der
Sekretär des Prinzen Windischgrätz durch-
weg, er wisse von gar nichts, er sei nur
der Sekretär gewesen ...

Man fragt mich immer bei Gericht,
wer mich beauftragt', wer?

Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht,
ich bin der Sekretär!

Und was ich las, und was ich schrieb,
zerschmolz in mir wie Schmer —
ich bin kein Mensch, nur ein Prinzip —•
ich bin der Sekretär!

Der Sekretär, das ist ein Schrank,
in dem geheimnisschwer
manch schönes Dokument versank —
ich bin der Sekretär! -

Ob man mich aufstellt oder legt,
mich schief nimmt oder quer, —
verschlossen bleib ich unentwegt:

Ich bin der Sekretär!

Vielleicht paßt mein geheimes Schloß,
damit ich offen wär',
zu einem — gold'nen Schlüssel bloß?
_Ich bin der Sekretär!

A. D. N.

Lin einzig Volk von —
feindlichen Brüdern

Eines habe ich aus dem leidigen
Flaggenstreit doch gelernt, nämlich das
Wort „Gösch". Der die das Gösch ist eine
Art verschämtes Schönheitspflästerchen,
z. B. aus meiner alten, geflickten Hose habe
ich hinten eine „Gösch". Die übrige Hose
ist gestreift, die Gösch aber ist kariert, und
wenn mich der Dr. Luther nach dem
Muster meiner Hose fragen sollte, kann ich
ihm, je nach Bedarf, antworten: „Die Hose
ist gestreift" oder „Die Hose ist kariert".
Ich glaube, ich habe Talent zum Reichs-
kanzler.

Nun, jetzt wird ja vielleicht der Flaggen-
streit durch einen Kompromiß beigelegt.
Zwei Vorschläge liegen vor. Die Schwarz-
Rot-Goldenen schlagen vor: eine große
schwarz-rot-goldene Flagge, jedoch darf der
Flaggenmast früher einmal schwarz-weiß-
rot angestrichen gewesen sein. Die Schwarz-
Weiß-Roten schlagen vor: eine große,
schwarz-weiß-rote Flagge, jedoch darf der
Mann, der die Flagge hißt, eine schwarz-
rot-goldene Rosette in der Westentasche
tragen.

Ich bin überzeugt: es muß eine Kleinig-
keit sein, zwischen diesen beiden Vorschlägen
eine „mittlere Linie" zu finden...

K a r l ch e n.

TelcdnunZ von R. Rost

Beim Flaggenschneider

„Mein Gott, Frau Germania, von welcher
Farbe ich auch die Fahne mache, die Leute
werden immer schimpfen!"

Der e r r e i ch t e N o r d p o l

Die leere Stelle am Globus,

Da wo man den Nordpol sich denkt,

Hat ordnungsliebende Bürger
Seit alten Zeiten gekränkt.

Jetzt aber herrscht Jubel und Freude,
Jetzt hat man erreicht den Punkt,

Aus den kein Mensch noch bis heute
Neugierig die Nase getunkt.

Als Cook uns und Peary betrogen,

Da blieb noch ein Zweifelsrest,

Nun ist jedes Mißtraun verflogen,

Man hat ihn! Und hält ihn fest.

Zwar wird keine Suppe drum wärmer,
Es lindert nicht Not und Pein,

Die Phantasie wird nur ärmer. —
Aber Ordnung muß sein.

Florian.

Das Lied vom Patriarchen

Der Patriarch von Venedig hat sämtlichen
Geistlichen, und zwar auch solchen, die sich
vorübergehend in Venedig aufhalten, den
Besuch der großen internationalen Kuusk-
ausstellung verboten.

Der Patriarch lebt herrlich in der Welt,
Für ihn nur sind die Buidln ausgestellt!
Er sieht das Nackte ganz allein,

Ich möchte Patriarch auch sein!

Der kleine Priester über muß
Zu seinem peinvoll-schmerzlichen Verdruß
Fern von Versuchung, keusch und rein
Und ohne jeden Makel sein.

Nichts gibt es, was ihn juckt und sticht,
Antoniuswonnen kennt er nicht;

Die kennt der Patriarch allein —

Ich möchte Patriarch auch sein!

HansPfefferkorn.

Vier Flaggen und die
Eisbären

Byrd und Amundsen haben den Nordpol
überflogen. Sie haben dort nichts Leben-
diges wahrnehmen können. Die Eisbären
haben sich wahrscheinlich vor der Kultur
verkrochen. Byrd und Amundsen haben
vier Flaggen auf den Nordpol geworfen:
zwei Sternenbanner, das norwegische Tuch
und die italienische Trikolore. Dann sind
sie davongeflogen.

Als die Flieger weg waren, find die
Eisbären wieder zum Vorschein gekommen,
und sie haben die Flaggen angeglotzt: die
amerikanische, die norwegische und die
italienische, dann haben sie sie ein bißchen
zerrissen und aus ihre Eßbarkeit untersucht.

Die Eisbären fanden die Flaggen un-
schmackhaft.

Die glücklichen Entdecker des Nordpols
halten nichts von der Kultur der Eisregion.
Die Eisbären des Nordpols sind ihrerseits
von der Ungenießbarkeit der Kultur über-
zeugt. Man ist quitt und alles ist wieder
gut. R i - R i.

Verkürzung der
„Langen Kerls" in England

Für die englischen Garderegimenter ist
das obligatorische Körpermaß um vier Zoll
herabgesetzt worden, weil sich die Montur
für ein kleineres Maß wesentlicher billiger
stellt.

Das ist auch eine Form von Abrüstung!
Eine neue Zeit ist hereingebrochen und
drückt der Garde sichtbar ihren Stempel
auf. Die großen Ideale vergangener
Epochen schrumpfen zusammen. Das phy-
sikalische Gesetz, daß Kälte die Körper zu-
sammenzieht, manifestiert sich hier in einem
besonders überraschenden Beispiel: der
Finanzminister konnte sich nicht für die
langen Kerls erwärmen, und feine Kälte
läßt sie kompagnienweise um vier Zoll
fallen. Hoffentlich sangen die Schneider
keinen Sympathiestreik mit den abgesägten
Langen an — eine rückläufige Bewegung
würde hier besonders unangenehm sein.
Bleibt aber die Regierung fest, so kann
leicht bei der nötigen Konsequenz die
Schaffung eines neuen Gardetyps gelingen,
der den rationalen Grundsätzen der Neu-
zeit entspricht: die Garde der „kurzen
Kerls". Wer einmal mit Absägen ansängt,
hört bekanntlich nur schwer wieder aus;
wenn erst der billigste Mann prinzipiell als
der beste anerkannt worden ist, wird die
Kürze Triumphe feiern, wenigstens bei der
Parade. Der Stolz der zwölften Korn
steht dann ganz an deren Ende: „L
least.“

436
Register
T.: Verkürzung der "Langen Kerls" in England
Ri-Ri: Vier Flaggen und die Eisbären
Hans Pfefferkorn: Das Lied vom Patriarchen
Hans Florian: Der erreichte Nordpol
Karlchen: Ein einzig Volk von - feindlichen Brüdern
Richard Rost: Beim Flaggenschneider
A. D. N.: Der Sekretär
 
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