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Hilft, Hilft!

. . . Und als ich kam nach Kleinkrotzenthal,

Mir Feld und Au zu belinsen,

Da sah ich — o Schrecken — mit einem Mal
Plakate am Bahnhof grinsen:

„Die trutzige Laura von Krotzenthal"

Festdrama zur Jubelfeier.

Allwöchentlich Sommers siebenmal.

Regie: Herr Schauspieler Meier.

Ich floh, als ob mein gesträubtes Haar
Millionen Affen mir lausen.

Das Wetter war schön, das Wetter war klar,

Ich fuhr nach Niederseehausen.

Ha, Schrecken und Jammer und toi-toi-toi,

Was las ich mit Wimmern und Grausen?
„Zweihundert Darsteller! Ausstattung neu!"
„Der Burgvogt von Niederseehausen!"

Mir wurde ganz schwummlig, mir wurde schwach,
Ich fleuchte auf jagenden Sohlen:

Vielleicht kannst in Untertipfelbach
Du deine Nerven erholen?

O dreimal wehe, o dreimal ach!

Das Hirn gerinnt mir zu Sülze!

„Die Schweden in Untertipfelbach"

„Verfasser: Herr Lehrer Schulze."

v \

Ich fuhr nach Käsbach, nach Hinkelsnest,
Festspiele, wohin ich verschlagen!!

Ich knickte zusammen, es gab mir den Rest,
Einen Putsch verspürt' ich im Magen.

O neue Seuche, die Deutschland erfuhr!

Ich stöhne, ich brülle, ich tobe:

Wo find' ich als Festspiel ein Stückchen Natur
Ohne Jamben und Maskengardrobe?

Ka r l ch e n.

Die Phrase, die ich liebe

Anläßlich einer immerhin begrüßenswerten
Umfrage der „Literarischen Welt": „Welche sti-
listische Phrase hassen Sie am meisten?" hat
meines Erachtens Hedwig Courths-Mahler den
Vogel insofern absichtshalber nicht auf den Kopf
getroffen, als sie es letzten Endes an sich von der
Hand wies, sozusagen mit einer dicken Berta auf
Sperlinge zu schießen, beziehungsweise den aus
den tiefsten Klüften der Seele geborenen Begriff
des Hassens irgendeiner Wörtergruppe gegenüber
in den Mund zu nehmen, die mehr oder minder
dem Zufall in die Schuhe zu schieben ist und den
Stempel der Bedeutungslosigkeit schlechterdings
an der Stirne geschrieben trägt.

Gleichwohl dürfte niemand anstehen, ihr voll
und ganz beizupflichten. Einer stilistischen Phrase
richtiggehenden Haß angedeihen zu lassen, erscheint
zweifelsohne als irgendwie zu hoch gegriffen.

Umgekehrt liegt das Verhältnis bei der Liebe!
Unsere Zuneigung mit Inbrunst auch an Kleinig-
keiten zu hängen, zählt fraglos zu den süßesten
Gewohnheiten des Daseins. Wir lieben unsere
Anverwandten, wir lieben eine milde Zigarre,
einen bequemen Stiefel usw. Warum nicht auch
eine feststehende stilistische Phrase?

Also: Welche stilistische Phrase lieben Sie
am meisten?

Selbstverständlich jene, welche mit uns auf
vertrautestem Fuße steht, welche uns wegen ihrer
Anhänglichkeit ans Herz gewachsen ist, welche
uns jeden Morgen am Kaffeetisch ins Auge fällt,
bald handgeschrieben, bald maschinengetippt, bald

typengedruckt, bald kühn an der Spitze eines
Schriftwerks, bald verschämt in der Mitte, bald
freundlich am Ende, bald fordernd, bald wer-
bend, bald flehend — immer aber fest Umrissen
im Gleichmaß ihrer ewig wiederkehrenden Form,
einprägsam in der schlichten Deutlichkeit ihres
Klanges, rührend in der Harmlosigkeit ihres

Inhalts . . . Eben während ich diese Zeilen zu
Papier bringe, erhalte ich von der Post wieder
sieben Briefschaften. Jede anders und jede an-
derswoher. Keine aber ohne die liebgewordene
stilistische Phrase: „. . . unter Benützung
inliegender Zahlkarte . . ."

I. A. Sowas.

.Zeichnungen von Fr. Heubner

„Junger Mann — behalten Sie den Kopf oben."

Redensarten

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Ernst Ullmann: Jazz
Friedrich (Fritz) Heubner: Redensarten
J. A. Sowas: Die Phrase, die ich liebe
Karlchen: Hilfe, hilfe!
 
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