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Romantisches Sonett

Entflieh mit mir, Gefährtin meiner Liebe,

Fern auf ein Eiland, das im Blau geborgen,

Wo efeualte Mauer das Getriebe

Und überfonntes Schweigen stillt das Sorgen.

Platanen führen hoch hinab zum Garten,

Wo weiße Götter Liebesnymphen rauben,
Gereimte Blumenbeete flüsternd warten,

Daß sie uns weifen in geheime Lauben.

Ich schling dir Rosen um die blanken Hüften,
Berausch den Sinn dir mit Mimosendllften;
Purpurgefühl singt aus Clematisranken,

Zypressen rauschen adlige Gedanken;

Fontänen steigen steil ins Sonnenlicht;

Und Schatten der Gemeinheit trifft uns nicht.

Hans Rudolf Rieder.

Unser Fremdes

Das tatest du? So fragen wir uns oft.

In fremde Augen meinen wir zu schauen,
Verständnislos, daß unser Fuß
Von vielen Wegen grade diesen wählte
Und nicht den andern ging zu anderm Ziel.
War unser Ich, das fühlt und denkt und redet,
Beherrscht von einem zweiten Ich und wagte
Nicht aufzuspringen, fremder Fesseln frei?

Geheimnisvoll, wie tiefer Gärten Dämmern,
Liegt unsrer Seele Grund. Und viele Leben,
Der Wirklichkeit entrückt, blühn draus empor,
Noch einmal Kraft in deinem Ich zu sein.

Wir tragen, unseres Wesens kaum bewußt,

Die Kette ungezählter Menschenleben,

Von deren Blut ein Tropfen in uns kreist.

Das tatest du? So fragen wir nicht mehr.
Das große Wir ist stärker als das Ich.

Günther P o g g s.

A m See

Junge Mädchen sitzen still im Sonnenlicht,
Ihre Locken zart im Winde wehen,

Ihre Blicke in die Ferne gehen,

Und sie atmen, lächeln — keine spricht.
Wellenklang und Lied in Bäumen.

Mövenschrei im hohen Blauen,

Alles ist ein mildes Träumen
Um die Herzen beider Frauen.

Doch ihr Wissen ist nur Spielen,

Noch nicht Schicksal, Frauenglut,

Ist das Glück, die Lebensflut
Reich und ahnungsvoll zu fühlen.

Ihre hellen Blicke streben
In das ferne Rauschen, Schäumen,

Und sie atmen, lächeln, schweben,

Und sie träumen.

Richard Henneberg.

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Register
Hans Rudolf Rieder: Romantisches Sonett
Günther Pogge: Unser Fremdes
Richard Henneberg: Am See
Willi Geiger: Fische
 
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