„Immer rote Seidenblusen . . .
Klump gab einen Räusperer mannhaft von
sich. Und dann beschimpfte er seine Hausfrau.
Sie neppe ihn schandbar. Dabei sei die Bude
mehr als einfach. Ich dagegen . . . mit diesem
Klubsessel . . . Und was ich denn zahle?
Ich nannte die Ziffer, 30 Mk. „Aber nimmer
lange. Sie wissen doch, daß ich nächstes Se-
mester in Heidelberg studiere?"
Klump machte mir Samtaugen. S o entzückt
war er über die Tatsache meiner Abreise. „Ihre
Bude . . . Ihre Bude . . ." japste er . . .
„Aber meine Hausfrau vermietet nur semester-
weise . . ."
„Für ein Jahr miet ich . . . für ein ganzes
Jahr . . ."
Die Witwe Bianca, die wie stets an der Tür
gelauscht hatte, war sofort zur Stelle. Der
Vertrag wurde perfekt. Klump mußte für drei
Monate vorauszahlen, denn Frau Bianca hatte
herbe Grundsätze. Klump versetzte allerlei. Wozu
brauchte er eine goldene Erb-Uhr, wenn ein
Leder-Sessel ihn über die Zeit hinwegtäuschen
würde? Wozu Krimstecher und Photoapparat?
„Ich werde Ihnen das nie, nie vergessen", sagte
Zeichnung von Josef Geis
er. „Ich werde Ihnen immer dankbar sein?
Wann aber reisen Sie endlich ab?"
Zwei Tage später reiste ich. Ich verabschiedete
mich von Herrn Klump, der sehr gerührt war.
„Ich bin zwar völlig pleite . . . aber Ihr Klub-
sessel wird mich trösten. Ich Hab auch Zenta
davon erzählt. Auch sie wird in diesem Klub-
sessel immer Ihrer gedenken."
„Wieso wird sie das?" erwiderte ich gemüts-
roh. Und dann rief ich Herrn Obermeier, den
Dienstmann.
Der kam, betrachtete den Klubsessel mit trans-
porttündiger Abschätzung, ging an ihn heran
und lud ihn sich auf die Schultern. „Ins Möbel-
leihinstitut „Schmücke dein Heim" sagte ich kurz.
Mit brechenden Augen sah mein Feind uns
davonziehen.
Ich habe jetzt einen Feind auf Lebensdauer.
Er wohnte sechs Monate lang bei der Witwe
Bianca in einem Zimmer des vierten Stockes.
Auf hartem Lager saß er und brütete Trübes.
Und nachts kamen bisweilen zwei Mäuschen und
knabberten in der Mauer. Aber ich glaub nicht,
daß das ein rechter Trost für ihn war . . .
B v m k r u m m e n O n k e l
Philipp
Eine Groteske von Maxim Schuberth.
830 Jahre, nachdem Gottfried von Bouillon die
nach ihm benannte Fleischbrühe erfunden hatte,
bestellte Stefan Zederblad im Gasthaus „Zur
beschwichtigten Ameise" eine Tasse Bouillon. Wir
dürfen uns diese historische Reminiszenz erlauben,
da wir von Stefan Zederblad und seinem
System, der psychoanalyrischen Eurythmik spre-
chen. Und beide im großen geschichtlichen Zu-
sammenhang geschaut sein wollen.
Stefan Zederblads Rumpfrollen ist im
Baedeker mit drei Sternen vermerkt und seine
Keulenschwünge vermögen ein Medium jederzeit
in Trance zu versetzen. Und dieser Mann,
dessen Wahlspruch lautete: Harmonie ist Leben,
Disharmonie ist Tod, war zum Wannenbad ver-
urteilt. Zum Wannenbad! Denn nie hätte er
die leichte Disharmonie, die seine Beine zum X
verkrümmte, im öffentlichen Bad zur Schau ge-
stellt. Ist es weiter nötig, zu erwähnen, daß diese
Beine an seinem Herzen nagten? Und er sich
bemühte, sotane — rein äußere — Divergenz zu
beseitigen? Mit allen Mitteln.
Wir stoßen ein Hoch aus auf die Darmstäh-
lung, bringen die oben erwähnte Taste Bouillon
nicht mit vollem Unrecht in Zusammenhang mit
dieser Kur und freuen uns des Erfolges, den
Stefan mit ihrer Hilfe an seinem rechten Bein
zu verzeichnen hat. Die rechte Kur fürs rechte
Bein! Es war gerade geworden. Nicht so das
linke und eine also entstandene Asymmetrie ent-
stellte seinen Körper ärger denn je.
Wer wallfahrt heute noch nach Kevlaar? Wo
doch Couö den Hammer der Autosuggestion zu
schwingen weiß. Und alles Leid zertrümmern
kann. Stefan Zederblad studierte diese Methode.
Fand sie seiner Weltanschauung angemessen,
seiner psychoanalyrischen Eurythmik in gewissem
Sinne congenial und ging ans Werk.
Um den Strahl seiner unterbewußten Heilkraft
ms richtige Bein schießen zu lassen, unterschied er
scharf den Patienten vom Gesunden. Hieß sein
geheilles Bein Turnvater Jahn, fein linkes aber
Onkel Philipp. Und orgelte von früh bis spät:
Onkel Philipp, mit Vergnügen
Sollst du dich nach außen biegen!
Kein anderer Gedanke fand mehr Platz in
seinem Hirn, das unausgesetzt den wunderwir-
kenden Satz drosch. Langsam aber sicher bog
sich sein linkes Bein nach außen. Immer mehr.
Und überschritt bald zum Entsetzen seines Be-
sitzers die Gerade. Stefan Zederblad brachte den
verdammten Satz nicht mehr aus dem Kopf. Das
Bein krümmte sich weiter. Der Unglückliche ver-
suchte auf andere Gedanken zu kommen. Pumpte
Alkohol in sein zerwühltes Innenleben — und
fand sich auf der Straße besoffen den alten
Spruch gröhlend. Sein Bein aber um einige
Bogensekunden mehr nach ekrümmt.
Gab seine Eurythmik auf. en Fluß
des Verses förderte. Grisf ' r. Doch
der Gras-Ober erinnerte cklichem
Grade aus unbekannten Onkel
Philipp. Und immer wieder : Medizin
aus dem Unterbewußten zu ■ o daß
Onkel Philipps Krümmung au. - bald
den Verkehr behinderte.
Gute Unterhaltung
534
Klump gab einen Räusperer mannhaft von
sich. Und dann beschimpfte er seine Hausfrau.
Sie neppe ihn schandbar. Dabei sei die Bude
mehr als einfach. Ich dagegen . . . mit diesem
Klubsessel . . . Und was ich denn zahle?
Ich nannte die Ziffer, 30 Mk. „Aber nimmer
lange. Sie wissen doch, daß ich nächstes Se-
mester in Heidelberg studiere?"
Klump machte mir Samtaugen. S o entzückt
war er über die Tatsache meiner Abreise. „Ihre
Bude . . . Ihre Bude . . ." japste er . . .
„Aber meine Hausfrau vermietet nur semester-
weise . . ."
„Für ein Jahr miet ich . . . für ein ganzes
Jahr . . ."
Die Witwe Bianca, die wie stets an der Tür
gelauscht hatte, war sofort zur Stelle. Der
Vertrag wurde perfekt. Klump mußte für drei
Monate vorauszahlen, denn Frau Bianca hatte
herbe Grundsätze. Klump versetzte allerlei. Wozu
brauchte er eine goldene Erb-Uhr, wenn ein
Leder-Sessel ihn über die Zeit hinwegtäuschen
würde? Wozu Krimstecher und Photoapparat?
„Ich werde Ihnen das nie, nie vergessen", sagte
Zeichnung von Josef Geis
er. „Ich werde Ihnen immer dankbar sein?
Wann aber reisen Sie endlich ab?"
Zwei Tage später reiste ich. Ich verabschiedete
mich von Herrn Klump, der sehr gerührt war.
„Ich bin zwar völlig pleite . . . aber Ihr Klub-
sessel wird mich trösten. Ich Hab auch Zenta
davon erzählt. Auch sie wird in diesem Klub-
sessel immer Ihrer gedenken."
„Wieso wird sie das?" erwiderte ich gemüts-
roh. Und dann rief ich Herrn Obermeier, den
Dienstmann.
Der kam, betrachtete den Klubsessel mit trans-
porttündiger Abschätzung, ging an ihn heran
und lud ihn sich auf die Schultern. „Ins Möbel-
leihinstitut „Schmücke dein Heim" sagte ich kurz.
Mit brechenden Augen sah mein Feind uns
davonziehen.
Ich habe jetzt einen Feind auf Lebensdauer.
Er wohnte sechs Monate lang bei der Witwe
Bianca in einem Zimmer des vierten Stockes.
Auf hartem Lager saß er und brütete Trübes.
Und nachts kamen bisweilen zwei Mäuschen und
knabberten in der Mauer. Aber ich glaub nicht,
daß das ein rechter Trost für ihn war . . .
B v m k r u m m e n O n k e l
Philipp
Eine Groteske von Maxim Schuberth.
830 Jahre, nachdem Gottfried von Bouillon die
nach ihm benannte Fleischbrühe erfunden hatte,
bestellte Stefan Zederblad im Gasthaus „Zur
beschwichtigten Ameise" eine Tasse Bouillon. Wir
dürfen uns diese historische Reminiszenz erlauben,
da wir von Stefan Zederblad und seinem
System, der psychoanalyrischen Eurythmik spre-
chen. Und beide im großen geschichtlichen Zu-
sammenhang geschaut sein wollen.
Stefan Zederblads Rumpfrollen ist im
Baedeker mit drei Sternen vermerkt und seine
Keulenschwünge vermögen ein Medium jederzeit
in Trance zu versetzen. Und dieser Mann,
dessen Wahlspruch lautete: Harmonie ist Leben,
Disharmonie ist Tod, war zum Wannenbad ver-
urteilt. Zum Wannenbad! Denn nie hätte er
die leichte Disharmonie, die seine Beine zum X
verkrümmte, im öffentlichen Bad zur Schau ge-
stellt. Ist es weiter nötig, zu erwähnen, daß diese
Beine an seinem Herzen nagten? Und er sich
bemühte, sotane — rein äußere — Divergenz zu
beseitigen? Mit allen Mitteln.
Wir stoßen ein Hoch aus auf die Darmstäh-
lung, bringen die oben erwähnte Taste Bouillon
nicht mit vollem Unrecht in Zusammenhang mit
dieser Kur und freuen uns des Erfolges, den
Stefan mit ihrer Hilfe an seinem rechten Bein
zu verzeichnen hat. Die rechte Kur fürs rechte
Bein! Es war gerade geworden. Nicht so das
linke und eine also entstandene Asymmetrie ent-
stellte seinen Körper ärger denn je.
Wer wallfahrt heute noch nach Kevlaar? Wo
doch Couö den Hammer der Autosuggestion zu
schwingen weiß. Und alles Leid zertrümmern
kann. Stefan Zederblad studierte diese Methode.
Fand sie seiner Weltanschauung angemessen,
seiner psychoanalyrischen Eurythmik in gewissem
Sinne congenial und ging ans Werk.
Um den Strahl seiner unterbewußten Heilkraft
ms richtige Bein schießen zu lassen, unterschied er
scharf den Patienten vom Gesunden. Hieß sein
geheilles Bein Turnvater Jahn, fein linkes aber
Onkel Philipp. Und orgelte von früh bis spät:
Onkel Philipp, mit Vergnügen
Sollst du dich nach außen biegen!
Kein anderer Gedanke fand mehr Platz in
seinem Hirn, das unausgesetzt den wunderwir-
kenden Satz drosch. Langsam aber sicher bog
sich sein linkes Bein nach außen. Immer mehr.
Und überschritt bald zum Entsetzen seines Be-
sitzers die Gerade. Stefan Zederblad brachte den
verdammten Satz nicht mehr aus dem Kopf. Das
Bein krümmte sich weiter. Der Unglückliche ver-
suchte auf andere Gedanken zu kommen. Pumpte
Alkohol in sein zerwühltes Innenleben — und
fand sich auf der Straße besoffen den alten
Spruch gröhlend. Sein Bein aber um einige
Bogensekunden mehr nach ekrümmt.
Gab seine Eurythmik auf. en Fluß
des Verses förderte. Grisf ' r. Doch
der Gras-Ober erinnerte cklichem
Grade aus unbekannten Onkel
Philipp. Und immer wieder : Medizin
aus dem Unterbewußten zu ■ o daß
Onkel Philipps Krümmung au. - bald
den Verkehr behinderte.
Gute Unterhaltung
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