Da sofl sich Stefan zurück in ein altes Pano-
ramagebäude, das sein schöngeschwungenes Bein
unbehindert umschloß. Und brütete. Ueber einer
grandiosen Idee: Wie der entstellende Leberfleck
eines Frauenantlitzes zum pikanten Schönheits-
pflästerchen gewachsen war, so wollte er sein Ge-
brechen zum begehrten äußeren Zeichen innerer
Erleuchtung umdeuten. Und ließ Prospekte
drucken. Mit der Ueberschrift: Im Anfang war
die Kurve! Damit fing er die üppigen Frauen.
Sprach von Einsteins Theorie der krummen
Räume. Von den Bahnen der Gestirne, vom
abnehmenden Mond und reklamierte alles Ge-
krümmte aus Natur und Geisteswelt für seine
These: Daß erst ein gekrümmtes linkes Bein den
Menschen innerlich und äußerlich veredle. Stefan
Zederblad hatte Glück. Seine Lehre wurde Mode.
Und sein Anhang wuchs ins Ungemessene. Bald
war er keine Abnormität mehr, sondern einer
unter vielen. Sein Wohnsitz, das Panorama-
llebäude, wurde zum Tempel, den unaufhörlich
das Gemurmel der bekehrten Menge erfüllte:
Onkel Philipp, mit Vergnügen,
Sollst du dich nach außen biegen!
Bis Stefan Zederblad starb und die Zahl seiner
Anhänger ins Heidentum zurücksank. Nur in
Zentralasien lebt noch eine Sekte, die seiner
Lehre nacheifert und ein krummes linkes Bein
für den Gipfel des Erstrebenswerten hält.
Zederblads Onkel Philipp jedoch krümmt sich
im Vierdimensionalen weiter und angelt herüber
in unsere Welt. Wir aber halten unser Herz in
beiden Händen und hüten uns, an Onkel Philipp
anzubeißen.
Die Meinungsaustausch-Ecke
der „Guten Hausfrau"
Von Beda Hafen
(In dieser Spalte veröffentlichen wir Einsendungen unserer
verehrten Leserinnen. Name und Wohnort werden nicht ver-
öffentlicht. Unser „Meinungsaustausch" hat allerorten, auch
in der Männerwelt, großen Anklang gefunden.)
Wie helf' ich mir in meiner Seelennot?
Ich und mein Mann sind seit zehn Jahren
glücklich verheiratet und haben ein reizendes
Kjnd, das unser und aller Nachbarn Augapfel
ist. Seit drei Monaten jedoch ist mein Glück stark
getrübt und droht zu zerbrechen. Seit dieser Zeit
kommt mein einst so zartfühlender Gatte des
öfteren nach Mitternacht nach Haufe, betritt das
eheliche Schlafzimmer und kitzelt mich dann in-
tensiv an der großen Zehe meines linken Fußes.
Die Folge davon ist, daß ich in einen Lach-
krampf verfalle und unser innigst geliebtes Nest-
häkchen aus dem Schlummer wecke. Ist einer ge-
liebten Mitleserin Aehnliches passiert? Kann mir
eine Geschlechtsgenossin einen Rat erteilen, wie
dem Uebel abzuhelfen ist?
Die arme Frau Anna
Antwort:
Arme Frau Anna!
Ihr Fall ist noch nicht zum Verzweifeln! Um-
wickeln Sie jedesmal, wenn Ihr Gatte ausgeht,
die große Zehe Ihres linken Fußes mit einer
fünf- bis siebenfachen Lage Leukoplast und ziehen
Sie einen dicken Wollstrumpf darüber! Pro-
batum est.
Eine erfahrene Frau aus dem Volke.
Zeichnung von R. Rost
„Ihr Mann hat sich das Rauchen abgewöhnt? Da gehört aber viel Energie dazu!"
„Ja, ja, die Hab ich auch!"
Ein kleiner Scherz für 5 Pfennig
In der geruhigen Vorkriegszeit besuchte ich ein-
mal ein Städtchen an der Sieg. Gegen Abend
angekommen, machte ich noch einen kleinen
Spaziergang durch die Straßen und fand manch'
malerisches Eckchen. In einem Schaufenster der
oberen Stadt fielen mir einige Ansichtskarten
als besonders hübsch ins Auge, so daß ich mir
einige kaufte und sie abends an Bekannte schickte.
Den nächsten Tag schlenderte ich vor Abfahrt
meines Zuges noch ein Stündchen durch die
Stadt und fand zufällig in der Auslage eines
kleinen Buchbinder- oder Papierladens dieselbe
Ansicht, die mich schon am Abend vorher so ent-
zückt hatte. Ich wollte sie mir zur Erinnerung
mitnehmen. Beim Oesfnen der Ladentür wurde
ich zunächst von einem lärmvollen endlosen Ge-
bimmel der Ladenglocke und dann von einem
alten Buchbindermeister in blauer, verkleisterter
Schürze begrüßt. „Wa—wa—was wünschen
S—s—sie?" „Geben Sie mir bitte zwei von den
Ansichtskarten aus Ihrem Schaufenster; wissen
Sie, die Ansicht mit der alten Brücke!" —
„B—b—bitte s—s—sehr." Dabei überreichte er
mir die beiden Karten. „Was bin ich schuldig?"
— „F—f—f—fünf—z—z—zehn Pfennig." Ich
legte die fünfzehn Pfennig auf den Ladentisch,
konnte es mir aber nicht verkneifen, dazu zu
sagen: „Wie kommt das nur eigentlich? Gestern
abend kaufte ich bei Ihrem Kollegen da oben in
der Stadt dieselben Karten und bezahlte für zwei
Stück nur zehn Pfennig?" — Darauf sah mich
der tüchtige Meister durch seine Stahlbrille an
und antwortete: „I—j—j—jaaah! Der verdient
nicht so viel dran!" —
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ramagebäude, das sein schöngeschwungenes Bein
unbehindert umschloß. Und brütete. Ueber einer
grandiosen Idee: Wie der entstellende Leberfleck
eines Frauenantlitzes zum pikanten Schönheits-
pflästerchen gewachsen war, so wollte er sein Ge-
brechen zum begehrten äußeren Zeichen innerer
Erleuchtung umdeuten. Und ließ Prospekte
drucken. Mit der Ueberschrift: Im Anfang war
die Kurve! Damit fing er die üppigen Frauen.
Sprach von Einsteins Theorie der krummen
Räume. Von den Bahnen der Gestirne, vom
abnehmenden Mond und reklamierte alles Ge-
krümmte aus Natur und Geisteswelt für seine
These: Daß erst ein gekrümmtes linkes Bein den
Menschen innerlich und äußerlich veredle. Stefan
Zederblad hatte Glück. Seine Lehre wurde Mode.
Und sein Anhang wuchs ins Ungemessene. Bald
war er keine Abnormität mehr, sondern einer
unter vielen. Sein Wohnsitz, das Panorama-
llebäude, wurde zum Tempel, den unaufhörlich
das Gemurmel der bekehrten Menge erfüllte:
Onkel Philipp, mit Vergnügen,
Sollst du dich nach außen biegen!
Bis Stefan Zederblad starb und die Zahl seiner
Anhänger ins Heidentum zurücksank. Nur in
Zentralasien lebt noch eine Sekte, die seiner
Lehre nacheifert und ein krummes linkes Bein
für den Gipfel des Erstrebenswerten hält.
Zederblads Onkel Philipp jedoch krümmt sich
im Vierdimensionalen weiter und angelt herüber
in unsere Welt. Wir aber halten unser Herz in
beiden Händen und hüten uns, an Onkel Philipp
anzubeißen.
Die Meinungsaustausch-Ecke
der „Guten Hausfrau"
Von Beda Hafen
(In dieser Spalte veröffentlichen wir Einsendungen unserer
verehrten Leserinnen. Name und Wohnort werden nicht ver-
öffentlicht. Unser „Meinungsaustausch" hat allerorten, auch
in der Männerwelt, großen Anklang gefunden.)
Wie helf' ich mir in meiner Seelennot?
Ich und mein Mann sind seit zehn Jahren
glücklich verheiratet und haben ein reizendes
Kjnd, das unser und aller Nachbarn Augapfel
ist. Seit drei Monaten jedoch ist mein Glück stark
getrübt und droht zu zerbrechen. Seit dieser Zeit
kommt mein einst so zartfühlender Gatte des
öfteren nach Mitternacht nach Haufe, betritt das
eheliche Schlafzimmer und kitzelt mich dann in-
tensiv an der großen Zehe meines linken Fußes.
Die Folge davon ist, daß ich in einen Lach-
krampf verfalle und unser innigst geliebtes Nest-
häkchen aus dem Schlummer wecke. Ist einer ge-
liebten Mitleserin Aehnliches passiert? Kann mir
eine Geschlechtsgenossin einen Rat erteilen, wie
dem Uebel abzuhelfen ist?
Die arme Frau Anna
Antwort:
Arme Frau Anna!
Ihr Fall ist noch nicht zum Verzweifeln! Um-
wickeln Sie jedesmal, wenn Ihr Gatte ausgeht,
die große Zehe Ihres linken Fußes mit einer
fünf- bis siebenfachen Lage Leukoplast und ziehen
Sie einen dicken Wollstrumpf darüber! Pro-
batum est.
Eine erfahrene Frau aus dem Volke.
Zeichnung von R. Rost
„Ihr Mann hat sich das Rauchen abgewöhnt? Da gehört aber viel Energie dazu!"
„Ja, ja, die Hab ich auch!"
Ein kleiner Scherz für 5 Pfennig
In der geruhigen Vorkriegszeit besuchte ich ein-
mal ein Städtchen an der Sieg. Gegen Abend
angekommen, machte ich noch einen kleinen
Spaziergang durch die Straßen und fand manch'
malerisches Eckchen. In einem Schaufenster der
oberen Stadt fielen mir einige Ansichtskarten
als besonders hübsch ins Auge, so daß ich mir
einige kaufte und sie abends an Bekannte schickte.
Den nächsten Tag schlenderte ich vor Abfahrt
meines Zuges noch ein Stündchen durch die
Stadt und fand zufällig in der Auslage eines
kleinen Buchbinder- oder Papierladens dieselbe
Ansicht, die mich schon am Abend vorher so ent-
zückt hatte. Ich wollte sie mir zur Erinnerung
mitnehmen. Beim Oesfnen der Ladentür wurde
ich zunächst von einem lärmvollen endlosen Ge-
bimmel der Ladenglocke und dann von einem
alten Buchbindermeister in blauer, verkleisterter
Schürze begrüßt. „Wa—wa—was wünschen
S—s—sie?" „Geben Sie mir bitte zwei von den
Ansichtskarten aus Ihrem Schaufenster; wissen
Sie, die Ansicht mit der alten Brücke!" —
„B—b—bitte s—s—sehr." Dabei überreichte er
mir die beiden Karten. „Was bin ich schuldig?"
— „F—f—f—fünf—z—z—zehn Pfennig." Ich
legte die fünfzehn Pfennig auf den Ladentisch,
konnte es mir aber nicht verkneifen, dazu zu
sagen: „Wie kommt das nur eigentlich? Gestern
abend kaufte ich bei Ihrem Kollegen da oben in
der Stadt dieselben Karten und bezahlte für zwei
Stück nur zehn Pfennig?" — Darauf sah mich
der tüchtige Meister durch seine Stahlbrille an
und antwortete: „I—j—j—jaaah! Der verdient
nicht so viel dran!" —
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