Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
in sich hincinhorchcnd, fest — und schlnfl
.lc Türe ein, rannte zischend und schnaubend
Durchs Stiegenhaus, so — wie Kinder am Rinn-
' e"L entlang, „Eisenbahnfähren" spielen.

--Transmissionen her, der Motor kommt...!"
und er lief strickgerade auf einen Obstkarren zu,
ipannte sich wie ein Milchwagenhund davor —
U"d rannte und rannte mit ihm durch die staub-
ueschnciten Straßen ...

Immer zu, über Asphalt, Granit und Schotter.
Aon seiner Stirn tropfte ihm ein heißer Regen
>ns Gesicht.

Und schon liefen die Wege in weiche Wiesen
mnein. Schuttabladeplätze lagen als erbrochenes
^vßstadtessen dazwischen eingestreut. Lukas

uberrante alles.

Und

, -- immer noch den Obstkarren hinter sich

^uZ'ehend, übersah er den Rand der Kiesgrube,

der

Inh seinen Weg überquerte. Fühlte einen

^ .-v innen .OH'q uueiqueu.tr.

Augenblick die Erde ohne Boden — und brach
>n die Tiefe ab. Der Karren über ihn her...!

. Rosemarie kam mit dem Wagenbesißer und
^Mein Gendarm hart hinter ihm hergerannt. Als
j'e ihn mit dem Karren tief unten in der Grube
landen, war der Motor in ihm zur Ruhe ge-
winn,'

den

lein

en. Schön lag er da... Und er hatte nur
einen Fehler, um gänzlich vollkommen zu
— er war jetzt tot.

Ter Saft der roten Trauben, die vom Wagen
Sesallen waren, rann mit Lukas Blut zusammen,
>ndes das Herz sehnlichst dem ewigen Heizer
und göttlichen Transformator dieser Maschine
ZUslog.

WANDERBUCHBLATT

VON MAX JUNGNICKEL

In einer einsamen, verrumpelten Stadt bin
ich. Wie aus einem Ritterbilderbuche genommen,
so liegt sie da. Und das Gasthaus, wo ich wohne,
ist eine Schenke, wo an festen, ewigen Tischen
noch Spuren sitzen von Messern, die an der
Holzplatte herumwetzten. Und wenn die Abend-
lampe brennt und rußt und sunzelt, dann glaubt
nian Landsknechtswürfel rollen zu hören und
die Flüche angetrunkener Feldobristcn.

Und die Kammer, wo ich wohne, liegt unterm
Dach. Der Flügelschlag der Glocken zittert
darüber. Die Sonne sehe ich zuerst im ganzen
Städtchen. Und die Sterne kann ich fast greifen.
Die Treppe, die zu meiner gegiebelten, weiß-
getünchten Kammer führt, knarrt und knurrt und
rumpelt und knarrt. —

Ach Gott, ich wäre wohl schon längst ein-
geschlafen oder abgereist, wenn die knarrende
Treppe nicht da wäre. Sie ist es, die mein Herz
wach hält und mir manche heimliche Freude
bringt. Jedesmal, wenn die Treppe knarrt, dann
denke ich an Besuch. Aber wer soll mich denn
besuchen? Ich bin ja fremd hier. — Und doch:


Am Strand von Via

Ich denke immer, daß mich jemand aussucht, daß
er mir Grüße bringen will oder mit mir sprechen
will. Ich denke das solange, bis die knarrende
Treppe wieder mäuschenstill daliegt. — Ach
nein, ich bin gar nicht böse darüber, daß es eine
Täuschung war, eine seltsame Einbildung. Ich
empfand es nicht einmal als Täuschung. Es war
für mich ein stilles, verwunschenes Glücksgefühl,
hier, in dieser Verlorenheit, in dieser frühlings-
überblühten Stadt. —

Und gestern knarrte die Treppe wieder. Und
wieder war die selige Spannung, das fiebernde
Glücksgefühl in mir. Und auf einmal tat sich
meine Tür auf. — Ich bekam wirklich Besuch.
Und das war so schön. Ich hatte sozusagen
zweimal Besuch. Das erste Mal, als die Treppe
knarrte und das zweite Mal, als sich die Tür
öffnete. — Das ist vielleicht alles nicht viel, was
ich erzähle; aber für mich ist es doch jo etwas
wie ein schönes Erlebnis.

Und noch eins: Seit dem frühen Morgen habe
ich mein Fenster auf. Meine Kammer wird zum
geöffneten Vogelkäfig. Drei Spatzen sind van
draußen hereingeflogen und sitzen und piepsen
und umsliegen mich. — Ich freue mich schon auf
die Nacht. Der ganze Himmel kommt in meine
Kammer und hängt sich über mein Bett. 1889

iU

1



G.Nyman-Bgbert

551
Index
Greta Nyman-Egbert: Am Strand von Viareggio
Max Jungnickel: Wanderbuchblatt
 
Annotationen