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pathische Zustände, wie sie in jener Familie
herrschen und wie sie wohl glücklicherweise
in der realen Welt unsrer gesitteten Kultur-
staatcn nur selten oder gar nicht Vorkommen.

Die Tochter (drückt ihm unterm Tisch zärtlich
die Hand): Guter Liebling!

Die Mutter: Glauben Sic das nicht, Schwie-
gersohn. Das kommt auch im wirklichen
Leben häufiger vor, als man ahnt.

Der Onkel: Da könne Se sich heilig druff
verlasse. Sc komme vor!

Der Dater: Die Welt ist ja so schlecht!

Die Mutter: Und das Volk ist sa so roh!

Der Sohn: Onkel, wann fangen wir mit dem
Skat. . .?

Der Dater: Wie der sich nur all das so aus-
dcnkt ln seinem Roman? Es ist doch ein
schwerer Beruf!

Der Schwiegersohn: Auch ich bewundere rück-
haltslos die eminenten Dualitäten dieses
Autors.

Die Tochter (drückt ihm unterm Tisch zärtlich
die Hand): Guter Liebling!

Der Onkel: E fein Romanchc!

Die Mutter: Wie der das nur so anfängt,
jeden Tag sein Kapitel pünktlich fertig zu
haben?

Der Dater: Dielleicht schreibt er die ganze
Geschichte auf einmal?

Der Onkel: Der wcrd sich schwer hüte! Wo's
ihm doch die Zeitung so leicht macht, alle Tag
bloß c kleins Kapitelchc zn schrciwe.

Der Schwiegersohn: Meine dahingehenden

persönlichen Informationen, die ich kürzlich
aus Interesse au dieser Materie erhob, er-
geben die völlige Korrektheit der Ansicht des
verehrten Herrn Dakers. Der Autor ist
de facto gehalten, sein fertig abgeschlosse-
nes Opus dem Zcitungsocrlag zu präsen-
tieren.

Die Tochter (drückt ihm unterm Tisch zärtlich
die Hand): Guter Liebling!

Der Onkel: 's ia es unbegreiflich Leistung!

Die Mutter: Ich bin so gespannt auf die
nächste Fortsetzung. Nun muß sich der Baron
doch bald erklären.

Der Daker: Wieso erklären?

Die Mutter: Nun, dag ist doch klar. Er wird
doch die Elly, die Tochter vom Fabrik-
direktor, heiraten.

Der Dater: Er denkt nicht dran, Mutter! Wo
die Fabrik doch schon die Hälfte der Arbeiter
entlasten mußte? Und bei den ewigen Strei-
tigkeiten in der Familie? Der Baron heiratet
die Kousinc, ■— da kannst du Gift drauf
nehmen.

Der Sohn: Kanu ich jetzt die Karten...?

Der Onkel: Da habt ihr zwa bcid' aber den
Roman wohl net richtig verstannc. Ach
mccht' drauf wette, daß das Kousinchc e alt
Jungfer wcrd und daß der Baron sich'g Lebe
nimmt wcgc seiner Schulde.

Oer Schwiegersohn: Auch diese Spekulation
dürfte auf unlogischen Voraussetzungen und
Trugschlüßen basieren. Wenn die Struktur
der Handlung gewahrt bleiben soll, so muß
mit zwingender Konsequenz die Fabrikdirek-
korstochtcr dem reichen Pferdehändler die
Hand reichen. Was aus dem Baron wird,
ist zunächst vollständig irrelevant.

Die Tochter (drückt ihm unterm Tisch zärtlich
die Hand): Guter Liebling!

Die Mutter: Kein Gedanke, Schwiegersohn.
Oer Baron und die Elly gehören zusammen.

Der Onkel: E oollkommc irrig Ansicht.

Auszug aus Aegypten Anna de Wale

ER PREDIGT DENEN
flETBRICHIN

Ihr Hellkn-Baiickert/ihr Satans-Astcn /
ihr malesiPi scheu Mode-Lassen/
auf? Laster-Pfuhlen ans Licht gespihn /
seyb ihr noch Fromen und Mädrichin?!

Wasi brahlt ihr mit eurem nakktni Fettste»
für allem Rolckc/ihr Lust-Mamsellgen?

Wals macht ihr iho sor Schnikk und Schuakk
ümb euren modrigen Mahdcn-Sakk?!

Mit cynemFeststen ümb-hrngt ihr den Nabel/
alst lebten wir alle im Heyden-Babel!

Der Nnter-Nokk war cyn Dugend Schass/
best schcmbt sich heulte der kleynstc Frass!!

Istt sihstu mit bekümmerten Mihnen
swo Bällgen dansten nebst swo Rubinen /
dir jeder kekke Porsche bcgrrystt/ >
scynd sie cyn bistgen hcran-gereyst't!

Darsu/so kennt man an dihsen Mamsellge»
sogar die allcr-kissligsten Stellgen /
dardran sich dail der Bhn-Mäntsch crgesst/
sobald eyne Jüngster sich nihder-scsst!!

Rnd man stc erst auff dcm Brett-Rad sissen
und aust-gcbleht dorch die Gasigen stisscn/
den ohn-verschcmbtcn Wind im Gesicht/
da» kömbt das Lcsstc ans Dagcs-Licht!

Ihr wcyst uns alles mit grosicm Rersukken/
euch gukkt der Deyffcl ausi allen Lukkrn/
verluhdert seyd ihr istt dorch und dorch/
nicht eyne glaubt an den Klapper-Storch!!

Rnd müsste würcklich eyne dran glauben/
so sucht sic den Raget su ucrdrcybeu!

O tempora! O inanitas!
O vanitatum vanitas!!

Beda Hasen

Sauls Tod Anna de Wale

Dce Dater: Da hast du recht, aber mit deiner
eignen Anschauung bist du noch zehnmal
mehr aus dem Holzweg, Georg.

Die Mutter: Versteht sich.

Der Schwiegersohn: Es muß doch jedem den-
kenden Menschen klar sein, daß der Pferde-
händler die führende Rolle im Roman schon
längst übernommen hat, sozusagen den ruhen-
den Pol in der Erscheinungen Flucht bildet,
um den sich mm alles gruppiert.

Die Tochter (drückt ihm unterm Tisch zärtlich
die Hand): Guter Lieb...

Der Onkel: Wolle Se daniit vielleicht sage,
daß wir iebrigc ka denkende Mensche net
sein?

Der Schwiegersohn: Ich muß solche Insinua-
tionen entschieden zurückweiscn.

Die Tochter (drückt ihm unterm Tisch zärtlich
die Hand): G» . ..

Oie Mutter: Trotzdem sollten Sic auch die
Meinungen andrer gelten lasten, Herr
Schwiegersohn, die allerdings nicht die Fähig-
keit haben, sich so gebildet auozudrückcn wie
Sic. Oer Baron heiratet die Elly und damit
basta!

Der Onkel: Ich kann net finde, daß der Herr
Schwiegersohn so c besonders gebildetes
Menschekind sein soll. Sonst würd er ver-
stehe, daß all sei Hypothese lebcr de Elly
und die Pfcrdchehändler grad so meschuggc
sein wie eure Ansichtc.

Der Schwiegersohn: Erlauben Sic mal!

Oer Onkel: Nix erlaub' ich Ihne.

Die Mutter: Dein Ton wird allmählich recht
unpassend, Georg.

Der Dater: Halt' du lieber deinen Mund und
laß' uns Männer die Sache erledigen. —
Ich weiß wahrhaftig nicht, wie man auf den
törichten Gedanken kommen kann, der Baron
würde die Elly heiraten. Ja, was soll er
denn mit der dummen Gans um Himmels
willen?

Oer Onkel: Jedes Kind wcrd einsche, daß der
Baron sich erschieße oder vergifte muß.

Oer Sohn: Ich will jetzt endlich Skat...

Der Schwiegersohn: Die Logik kann zu keiner
andern Lösung führen als: Elly und der
Pferdehändler, — Oixi!

Oer Onkel: Sc sollte sich lieber bemühe, junger
Mann, von uns Alte zu lerne, anstatt solche
Dolksrcdc hier zu halte, wo ka Sinn habe,
und mit griechische Brocke um sich zu wersc.

Oer Schwiegersohn: Ich verbitte mir...

Oer Onkel: Se habe sich gar nichts zu verbitte.

Die Mutter: Wir werden ja morgen sehen,
wer recht hat.

Oer Vater: Na, du ganz gewiß nicht, und der
Georg mit seiner albernen Ansicht noch
weniger.

Der Onkel: Aach von dir laß ich mir solche
Kritik nnncr ka Umständ gefalle. Oer Onkel
Schorsch hat doch wohl noch e anner Men-
schekenntnis als ihr alle zusamme.

Oer Schwiegersohn: Um Menschenkenntnis

handelt cs sich hier überhaupt nicht, sondern
lediglich. . .

Der Onkel: Schweige Sc still, junger Mann!

Oie Mutter: Wenn ihr euch hier zanken wollt,
so geht hinaus!

Der Dater: Du mit deiner dummen Behaup-
tung hast die ganze Geschichte verschuldet,
Mutter!

Oer Onkel: Oe Franc wolle sich ja heut in
alles eneinmische.

Oie Mutter: Vergiß nur nicht, daß du hier bei
uns zu Gast bist, Georg!

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Anna de Wale: Auszug aus Ägypten
Anna de Wale: Sauls Tod
Beda Hafen: Er predigt denen Weybrichin
 
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