der Reiterin an seinem Körper. In einem mehr improvisierten als
eleganten Telemark hielt Hans an, setzte die Reiterin ab, schmiß den
schweren Rucksack weg, össncte ihn, warf Schokoladen- und Kuchen-
pakete, Biskuits, Pasteten, Schinken, Backhühner, Rauchfleisch,
Likör- und Weinslaschen, Lektüre und Bekleidungsstücke mit fast affen-
artiger Geschwindigkeit weit abseits in den Schnee, wickelte Edith in
seinen Lodenmantel und verstaute das Mädchen, das große Augen
machte, in den Untiefen seines Rucksacks, den er dicht unter ihren
Armen zuknüpste, schwang die Last aus seinen Rücken und jagte in
aufrechter, leicht vorgeneigter Haltung dem Tale zu.
Eö ivar bereits Abend geworden, als Hans mit dem lebendigen
Bündel auf dem Rücken ini Dorfgasthauö ankam. f)m HauSgang
stand der Hausknecht. „Geben Sie uns sofort zwei Zimmer, davon
eines geheizt!" Der Hausknecht stieg die Treppe hoch, Hans folgte,
nahm oben sachte den Rucksack ab und befreite Edith aus ihrer eigen-
artigen Gefangenschaft. DaS Feuer prasselte bereits im Ofen. Beide
waren allein. Edith, in einem alten
Polstersessel sitzend, probierte die Be-
wegungssähigkeit der Arme. Sie
funktionierten nicht ordnungsgemäß.
Fragend stand Hans vor Edith. Sie
erhob sich mit einem kurzen Ruck vom
Sessel: „Dreh das Licht aus, Hans!"
f)hre Worte klangen im Befehlston.
HanS gehorchte. „Oben in meinem
Rucksack liegt ein Hemd. Nimm eS
heraus!" — Hans legte im Halb-
dunkel das Hemd aus die Bettdecke.
„Tritt hinter meinen Rücken, Hans,
und kleide mich um!" HanS entkleidete
Edith vollständig. Sein Herz schlug
wohl schneller, aber seine Hand zitterte
nicht. Aber ein quälender Gedanke
war in ihm: sollte sic nicht merken,
daß sie ganz im Lichtscheine der großen
elektrischen Lampe steht, die draußen
über dem Wirtschastsschild hing? Sollte
sie nicht wissen, daß sie vor dem großen
Spiegel steht, der die letzten Reize
ihres Körpers verrät? Als er aber
ihre Augen im Spiegel suchte, sah er,
daß sie zu Boden gerichtet waren. Er
bekleidete das Ntädchen mit dem Hemd
und half ihm ins Bett. —
„Nun mach Licht!" Es geschah.
„Und nun stellst du zwei Stühle hier bei meinem Kopf vor mein
Bett, holst das andere Bett aus deinem Zimmer und bettest dich auf
die Stöhle! Den Kops kannst du aus mein zweites Kopfkissen legen!"
Nrit staunenswerter Geschicklichkeit und Schnelligkeit traf HanS
die befohlenen Vorkehrungen. Edith hielt ihre Augen geschlossen,
obwohl ße ihrem Partner daS Gesicht zukehrte. HanS betrachtete
sie lange und kain zur Ueberzeugung, daß der Schlaf bei ihr ein-
gekehrt sei. Da küßte er zweimal sachte ihre Lippen. Diese waren
eiskalt und das Ntädchen schien nicht zu atmen. HanS griff nach
der linken Brust der Schlummernden, um den Herzschlag zu kon-
trollieren. Die Brust war warm, das Herz ging regelmäßig. In einer
ihm kaum recht zum Bewußtsein gekominenen Sinnlichkeitsanwandlung
küßte er beide Brüste des Mädchens, dessen Körper bei dieser Be-
rührung leicht zu schauern schien. Dann löschte er das Licht aus
und schlief vor Müdigkeit ein. — Bei Tagesanbruch zupfte ihn Edith
an den Haaren: „Höre, HanS," begann sie, „eines von uns muß die
gemeinschaftliche Heimat verlassen,
ssch kann einem Mann nicht mehr
unter die Augen treten, der meinem
Körper so nahe gekommen ist. DaS
Los soll entscheiden!" „Arme, dann
könntest du ja nie einen Gatten be-
sitzen", entgegnete ihr Hans. Sie aber
bedeutete ihm mit fast feierlicher
Stimme: „Eö gibt wohl etwas, das
diesen Mangel beheben kann, die
Liebe!" „2ch liebe dich, Edith", kam
es hastig von Hansens Lippen. „DaS
weiß ich", entgegnete daS Mädchen.
„Du hast also nicht geschlafen, alö ich
dich ..." HanS zögerte, den _ Satz zu
beendigen. Edith sagte ernst: „Ich
habe wohl lange geschlafen. Als du
gestern die Schokolade und Kuchen-
pakete wegwarsst, glaubte ich, ich wäre
dir gleichgültig. Als du dann aber auch
Schinken und Pasteten, Backhühner
und Alkohol dem Schnee überliefertest,
da wußte ich bestimmt, daß du mich
liebst. Bei dem letzten Wort neigte
Edith ihr Gesicht opferwillig dem Ge-
sichte Hansens zu. Er tat einen Auf-
schrei und riß das Mädel in die Arme.
Engverschlungen küßte sich das Paar
— stundenlang.
Willy Hallsteinf
PAPA I M S K )<; i: i, Ä N I» K
„Oäs kann i gar Point Mensch nif sage, wie mir’s isch,
die ganze Welt isch nur zum Ekle!"
960
eleganten Telemark hielt Hans an, setzte die Reiterin ab, schmiß den
schweren Rucksack weg, össncte ihn, warf Schokoladen- und Kuchen-
pakete, Biskuits, Pasteten, Schinken, Backhühner, Rauchfleisch,
Likör- und Weinslaschen, Lektüre und Bekleidungsstücke mit fast affen-
artiger Geschwindigkeit weit abseits in den Schnee, wickelte Edith in
seinen Lodenmantel und verstaute das Mädchen, das große Augen
machte, in den Untiefen seines Rucksacks, den er dicht unter ihren
Armen zuknüpste, schwang die Last aus seinen Rücken und jagte in
aufrechter, leicht vorgeneigter Haltung dem Tale zu.
Eö ivar bereits Abend geworden, als Hans mit dem lebendigen
Bündel auf dem Rücken ini Dorfgasthauö ankam. f)m HauSgang
stand der Hausknecht. „Geben Sie uns sofort zwei Zimmer, davon
eines geheizt!" Der Hausknecht stieg die Treppe hoch, Hans folgte,
nahm oben sachte den Rucksack ab und befreite Edith aus ihrer eigen-
artigen Gefangenschaft. DaS Feuer prasselte bereits im Ofen. Beide
waren allein. Edith, in einem alten
Polstersessel sitzend, probierte die Be-
wegungssähigkeit der Arme. Sie
funktionierten nicht ordnungsgemäß.
Fragend stand Hans vor Edith. Sie
erhob sich mit einem kurzen Ruck vom
Sessel: „Dreh das Licht aus, Hans!"
f)hre Worte klangen im Befehlston.
HanS gehorchte. „Oben in meinem
Rucksack liegt ein Hemd. Nimm eS
heraus!" — Hans legte im Halb-
dunkel das Hemd aus die Bettdecke.
„Tritt hinter meinen Rücken, Hans,
und kleide mich um!" HanS entkleidete
Edith vollständig. Sein Herz schlug
wohl schneller, aber seine Hand zitterte
nicht. Aber ein quälender Gedanke
war in ihm: sollte sic nicht merken,
daß sie ganz im Lichtscheine der großen
elektrischen Lampe steht, die draußen
über dem Wirtschastsschild hing? Sollte
sie nicht wissen, daß sie vor dem großen
Spiegel steht, der die letzten Reize
ihres Körpers verrät? Als er aber
ihre Augen im Spiegel suchte, sah er,
daß sie zu Boden gerichtet waren. Er
bekleidete das Ntädchen mit dem Hemd
und half ihm ins Bett. —
„Nun mach Licht!" Es geschah.
„Und nun stellst du zwei Stühle hier bei meinem Kopf vor mein
Bett, holst das andere Bett aus deinem Zimmer und bettest dich auf
die Stöhle! Den Kops kannst du aus mein zweites Kopfkissen legen!"
Nrit staunenswerter Geschicklichkeit und Schnelligkeit traf HanS
die befohlenen Vorkehrungen. Edith hielt ihre Augen geschlossen,
obwohl ße ihrem Partner daS Gesicht zukehrte. HanS betrachtete
sie lange und kain zur Ueberzeugung, daß der Schlaf bei ihr ein-
gekehrt sei. Da küßte er zweimal sachte ihre Lippen. Diese waren
eiskalt und das Ntädchen schien nicht zu atmen. HanS griff nach
der linken Brust der Schlummernden, um den Herzschlag zu kon-
trollieren. Die Brust war warm, das Herz ging regelmäßig. In einer
ihm kaum recht zum Bewußtsein gekominenen Sinnlichkeitsanwandlung
küßte er beide Brüste des Mädchens, dessen Körper bei dieser Be-
rührung leicht zu schauern schien. Dann löschte er das Licht aus
und schlief vor Müdigkeit ein. — Bei Tagesanbruch zupfte ihn Edith
an den Haaren: „Höre, HanS," begann sie, „eines von uns muß die
gemeinschaftliche Heimat verlassen,
ssch kann einem Mann nicht mehr
unter die Augen treten, der meinem
Körper so nahe gekommen ist. DaS
Los soll entscheiden!" „Arme, dann
könntest du ja nie einen Gatten be-
sitzen", entgegnete ihr Hans. Sie aber
bedeutete ihm mit fast feierlicher
Stimme: „Eö gibt wohl etwas, das
diesen Mangel beheben kann, die
Liebe!" „2ch liebe dich, Edith", kam
es hastig von Hansens Lippen. „DaS
weiß ich", entgegnete daS Mädchen.
„Du hast also nicht geschlafen, alö ich
dich ..." HanS zögerte, den _ Satz zu
beendigen. Edith sagte ernst: „Ich
habe wohl lange geschlafen. Als du
gestern die Schokolade und Kuchen-
pakete wegwarsst, glaubte ich, ich wäre
dir gleichgültig. Als du dann aber auch
Schinken und Pasteten, Backhühner
und Alkohol dem Schnee überliefertest,
da wußte ich bestimmt, daß du mich
liebst. Bei dem letzten Wort neigte
Edith ihr Gesicht opferwillig dem Ge-
sichte Hansens zu. Er tat einen Auf-
schrei und riß das Mädel in die Arme.
Engverschlungen küßte sich das Paar
— stundenlang.
Willy Hallsteinf
PAPA I M S K )<; i: i, Ä N I» K
„Oäs kann i gar Point Mensch nif sage, wie mir’s isch,
die ganze Welt isch nur zum Ekle!"
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