BENEDIKT
Eine unglaubliche Wintersporkgeschichte
von I. 21. Sowas
Als Benedikt sein achtundfünfzigjährigeS
Junggesellenleben ausgab und mit der drei-
undzwanzigjährigen Evcline Hochzeit machte,
steckten die Leute ihre Kopse keineswegs zu
außergewöhnlich kritischen Bemerkungen zu-
sammen, sondern begnügten sich mit den her-
kömmlichen Betrachtungen über die Kürze des
Brautkleides,über den Spezialschnitt des Bubi-
kopfs, über die günstigen EinkvmrnenSverhält-
nisse des Bräutigams als Bankdirektor und
2lufsichtsrak, über die in solchen Fällen wohl
geregelte Wohnungsfrage u. dgl. Denn um die
Zeit, in Ivelcher diese Geschichte spielt, war
das Problem der Altergbekämpfung dank
wiederholter internationaler Kongresse der Bio-
logen und Acrzte längst über die Steinach-
Doronofsschen Versuche hinausgediehen. Man
bedurfte zur gelegentlichen Renovierung eines
Menschen keiner umständlichen Operation
mehr, sondern jeder gewöhnliche Stadt- und
Landdoktor konnte die Sache mit einer ein-
fachen schmerzlosen Injektion erledigen, so daß
die Behandlung viel glatter, angenehmer und
wohlfeiler war als etwa der Ersatz eines
faulen Zahnes.
Eveline hatte bei der Hochzeit auch einen
fröhlichen, zuversichtlichen Eindruck gemacht
und dann ihren Gatten mit Vergnügen auf
längeren Reisen nach dem Süden begleitet.
Erst als sie im Spätherbst zurückgekommen
waren und ihr luxuriöses Heim bezogen hatten,
zeigte die junge Frau eine gewisse nervöse
Unruhe, abwechselnd mit tiefer Niederge-
schlagenheit und Melancholie. Stundenlang
konnte sie ihr reizendes Himmelfahrtsnäschen
an die Fensterscheiben drücken, um dem Wirbel-
tanz der letzten Blätter zuzusehen, und als
eines Tages der erste Rauhreif die kahlen
Zweiglein bekroch, da fand der heimkehrendc
Benedikt seinen Augapfel buchstäblich inTränen
aufgelöst. Die nun unvermeidliche Aussprache
ergab, daß Eveline von Haus aus eine unge-
mein schneidige und leidenschaftliche Winter-
sportlerin war, die vor ihrer Verehelichung
mit dem bekannten Vetter Ferdinand, einem
vorzüglichen Skilehrer, allsonntäglich die ge-
wagtesten Touren unternommen hatte und nun
eine unbezwingliche Sehnsucht nach ihren,
Bergwinter mit seiner grandiosen Erhabenheit
und majestätischen Schweigsamkeit empfand,
während Benedikt nicht nur des SkifahrenS
unkundig,sondern jedem Bewegungssport über-
haupt abgeneigt war, so daß sie nun (hier
unterbrach ein steinerweichenöeS Schluchzen
Evelines Darlegungen) für ewig, ewig darauf
verzichten mußte.
Für Benedikt war das ein großer Kummer.
Einerseits wollte er seinem angebetetcn Weib-
chen keinen Wunsch versagen, anderseits fühlte
er sich trotz seiner eigenen stattlichen Erscheinung
nicht ganz frei von dem nagenden Gefühle der
Eifersucht. Endlich siegte seine zärtliche Liebe,
und zur unbeschreiblichen Freude der dank-
überströmenden Eveline gestattete er ihr die
Fortsetzung der sonntäglichen Sportübungen,
Oie Eisheiligen
„Wer ist eigentlich der Patron des Winter-
sports?"
„So viel i weiß, der St. Moritz!"
DER SK1LEHKEK IS
I» I) It WESTESTASCIIE
Wo immer man auf Hölzern gleitet,
Da ist die Fallsucht stark verbreitet:
Kein Lattcnsritzc iß innnun,
Geschweige denn ein — Brettelhuhn!
Beacht' drum für die ersten Proben:
Der Kops des Fahrers kommt nach oben.
Die Füße sollen unten sein!
So sagt die Regel allgemein.
„Stemmbogen" macht man mit den Deinen,
Wo ße am Stcilhang nötig scheinen.
Doch ßnd's die Beine nicht gewohnt,
Bedient man ßch der Hinterfront.
Der „Quersprung", o verehrte Dame,
Ist eine rasche Haltmaßnahme,
Die meist vorn, Hindernis — verkracht.
Worauf man einen — Kopfsprung macht!
Der „Umsprung" wird als Sprung geschildert,
Der unsre Schußfahrt hemmt und niiidert.
Oer erste Umsprung tut das auch,
Beim zweiten stiegst du auf den Bauch!
Doch der gewiegte Sportler leugnet.
Daß stch der Bauch zur Schußfahrt eignet.
Auch der Betroffne merkt es schnell:
Das Bauchfell ist kein Eeehundsfell!
Oer „Schwung" jedoch, mein lieber Junge,
Wird ganz im Gegensatz zum „Sprunge"
Durch lange Bogenforni bestimmt.
Wobei man ans den Boden kimmt.
Beda Hafen
soferne der ritterliche Detter Ferdinand bereit
sei, ihr weiterhin Anleitung und Schutz zu
gewähren.
Ferdinand sagte zu, und der Winter wäre
wohl zu allseitiger Zufriedenheit verlaufen,
wenn nicht gerade damals ein weiterer inter-
nationaler Liologen-Kongreß stattgefunden
hätte, auf dem ein Professor aus Sydney
sensationelle Mitteilungen über seine neuen
Spezialversuche auf dem Gebiete der tierisch-
menschlichen UebertragungSmöglichkeiten zum
allgemeinen Besten gegeben hätte. Während
nian mit dem bisherigen — meist aus Asten
gewonnenen —- Serum nur die im Menschen
schon früher vorhanden gewesenen Fähigkeiten
wieder auffrischen konnte, wußte dieser Ge-
lehrte aus den verschiedensten Säugetieren
Präparate zu gewinnen, mit denen die hervor-
stechendsten körperlichen Eigenschaften der be-
trestendcn Tiere auf den Menschen neu über-
pflanzt werden konnten, auch wenn er sie vor-
her nie besessen hatte. Naheliegenderweise
hatte der Gelehrte seine ersten ausgedehnteren
Experimente mit den in seiner Heimat massen-
haft vorkommenden Riesenkänguruhs gemacht,
die stch bekanntlich durch sehr entwickelte, zum
Abschnellen geeignete, mit langen, stachen,
brettartigen Pfoten versehene Hinterbeine aus-
zeichnen und ohne jede Dressur gewaltige
Sprünge ausführcn, mit denen ste scheu und
stüchtig das Land durchkreuzen. Alle mit
K änguruhserum geimpften Leute wandten sich
sofort dem Skisport zu und erzielten fabel-
hafte Rekordleistungen, wenn sie auch vorher
noch nie Bretter an den Füßen gehabt hatten.
Kaum war Benedikt mit der Lektüre dieses
Zeitungsberichtes zu Ende, als er beschloß,
seinem lieben Frauchen eine ganz besondere
Weihnachtsüberraschung zu bereiten. Er fuhr
heimlich nach dem Tagungsorte Moskau und
belvog den eben abreisenden Australier, ihm
einen Topf Känguruhserum samt Gebrauchs-
anweisung abzutreken.
Am Morgen nach der Bescherung, als
Eveline und Ferdinand init dem zweiten Früh-
zug in die Berge gerollt waren, machte sich
Benedikt an die Injektion, die um so leichter
selbst auSgeführt werden konnte, als sie in
der Nähe der Beuge- und Strecksehncn an
Oberschenkel, Unterschenkel und Fußgelenken
anzubringen war. In Anbetracht seiner Jahre
und seiner völligen Sportsungewohntheit ver-
wendete er vorsichtshalber die stebeneinbalb-
fache Normaldosis. Mit einem Paar versteckt
aufbewahrter Skier nebst Zubehör bewaffnet
warf er stch sodann in ein Auto und eilte mit
dem Mittagszug nach der nämlicben End-
station, von der aus Eveline und Ferdinand
zufolge ihren oft wiederholten begeisterten
Schilderungen regelmäßig den Aufstieg zur
Sportshütte zu bewerkstelligen pstegten.
Schon im Kupec fühlte er in seinen unteren
Extremitäten eine unwiderstehliche federnde
Kraft, so daß er es kaum erwarten konnte,
bis er am Ziel war und anschnallen durfte.
Während andere Leute langsain mit geschul-
terten Skiern die Hänge hinausstapften, stellte,
kurvte, schwang und schnellte sich Benedikt mit
einer nie gesehenen Gewandtheit und Kraft
aus seinen Brettern in die Höhe und war
962
Eine unglaubliche Wintersporkgeschichte
von I. 21. Sowas
Als Benedikt sein achtundfünfzigjährigeS
Junggesellenleben ausgab und mit der drei-
undzwanzigjährigen Evcline Hochzeit machte,
steckten die Leute ihre Kopse keineswegs zu
außergewöhnlich kritischen Bemerkungen zu-
sammen, sondern begnügten sich mit den her-
kömmlichen Betrachtungen über die Kürze des
Brautkleides,über den Spezialschnitt des Bubi-
kopfs, über die günstigen EinkvmrnenSverhält-
nisse des Bräutigams als Bankdirektor und
2lufsichtsrak, über die in solchen Fällen wohl
geregelte Wohnungsfrage u. dgl. Denn um die
Zeit, in Ivelcher diese Geschichte spielt, war
das Problem der Altergbekämpfung dank
wiederholter internationaler Kongresse der Bio-
logen und Acrzte längst über die Steinach-
Doronofsschen Versuche hinausgediehen. Man
bedurfte zur gelegentlichen Renovierung eines
Menschen keiner umständlichen Operation
mehr, sondern jeder gewöhnliche Stadt- und
Landdoktor konnte die Sache mit einer ein-
fachen schmerzlosen Injektion erledigen, so daß
die Behandlung viel glatter, angenehmer und
wohlfeiler war als etwa der Ersatz eines
faulen Zahnes.
Eveline hatte bei der Hochzeit auch einen
fröhlichen, zuversichtlichen Eindruck gemacht
und dann ihren Gatten mit Vergnügen auf
längeren Reisen nach dem Süden begleitet.
Erst als sie im Spätherbst zurückgekommen
waren und ihr luxuriöses Heim bezogen hatten,
zeigte die junge Frau eine gewisse nervöse
Unruhe, abwechselnd mit tiefer Niederge-
schlagenheit und Melancholie. Stundenlang
konnte sie ihr reizendes Himmelfahrtsnäschen
an die Fensterscheiben drücken, um dem Wirbel-
tanz der letzten Blätter zuzusehen, und als
eines Tages der erste Rauhreif die kahlen
Zweiglein bekroch, da fand der heimkehrendc
Benedikt seinen Augapfel buchstäblich inTränen
aufgelöst. Die nun unvermeidliche Aussprache
ergab, daß Eveline von Haus aus eine unge-
mein schneidige und leidenschaftliche Winter-
sportlerin war, die vor ihrer Verehelichung
mit dem bekannten Vetter Ferdinand, einem
vorzüglichen Skilehrer, allsonntäglich die ge-
wagtesten Touren unternommen hatte und nun
eine unbezwingliche Sehnsucht nach ihren,
Bergwinter mit seiner grandiosen Erhabenheit
und majestätischen Schweigsamkeit empfand,
während Benedikt nicht nur des SkifahrenS
unkundig,sondern jedem Bewegungssport über-
haupt abgeneigt war, so daß sie nun (hier
unterbrach ein steinerweichenöeS Schluchzen
Evelines Darlegungen) für ewig, ewig darauf
verzichten mußte.
Für Benedikt war das ein großer Kummer.
Einerseits wollte er seinem angebetetcn Weib-
chen keinen Wunsch versagen, anderseits fühlte
er sich trotz seiner eigenen stattlichen Erscheinung
nicht ganz frei von dem nagenden Gefühle der
Eifersucht. Endlich siegte seine zärtliche Liebe,
und zur unbeschreiblichen Freude der dank-
überströmenden Eveline gestattete er ihr die
Fortsetzung der sonntäglichen Sportübungen,
Oie Eisheiligen
„Wer ist eigentlich der Patron des Winter-
sports?"
„So viel i weiß, der St. Moritz!"
DER SK1LEHKEK IS
I» I) It WESTESTASCIIE
Wo immer man auf Hölzern gleitet,
Da ist die Fallsucht stark verbreitet:
Kein Lattcnsritzc iß innnun,
Geschweige denn ein — Brettelhuhn!
Beacht' drum für die ersten Proben:
Der Kops des Fahrers kommt nach oben.
Die Füße sollen unten sein!
So sagt die Regel allgemein.
„Stemmbogen" macht man mit den Deinen,
Wo ße am Stcilhang nötig scheinen.
Doch ßnd's die Beine nicht gewohnt,
Bedient man ßch der Hinterfront.
Der „Quersprung", o verehrte Dame,
Ist eine rasche Haltmaßnahme,
Die meist vorn, Hindernis — verkracht.
Worauf man einen — Kopfsprung macht!
Der „Umsprung" wird als Sprung geschildert,
Der unsre Schußfahrt hemmt und niiidert.
Oer erste Umsprung tut das auch,
Beim zweiten stiegst du auf den Bauch!
Doch der gewiegte Sportler leugnet.
Daß stch der Bauch zur Schußfahrt eignet.
Auch der Betroffne merkt es schnell:
Das Bauchfell ist kein Eeehundsfell!
Oer „Schwung" jedoch, mein lieber Junge,
Wird ganz im Gegensatz zum „Sprunge"
Durch lange Bogenforni bestimmt.
Wobei man ans den Boden kimmt.
Beda Hafen
soferne der ritterliche Detter Ferdinand bereit
sei, ihr weiterhin Anleitung und Schutz zu
gewähren.
Ferdinand sagte zu, und der Winter wäre
wohl zu allseitiger Zufriedenheit verlaufen,
wenn nicht gerade damals ein weiterer inter-
nationaler Liologen-Kongreß stattgefunden
hätte, auf dem ein Professor aus Sydney
sensationelle Mitteilungen über seine neuen
Spezialversuche auf dem Gebiete der tierisch-
menschlichen UebertragungSmöglichkeiten zum
allgemeinen Besten gegeben hätte. Während
nian mit dem bisherigen — meist aus Asten
gewonnenen —- Serum nur die im Menschen
schon früher vorhanden gewesenen Fähigkeiten
wieder auffrischen konnte, wußte dieser Ge-
lehrte aus den verschiedensten Säugetieren
Präparate zu gewinnen, mit denen die hervor-
stechendsten körperlichen Eigenschaften der be-
trestendcn Tiere auf den Menschen neu über-
pflanzt werden konnten, auch wenn er sie vor-
her nie besessen hatte. Naheliegenderweise
hatte der Gelehrte seine ersten ausgedehnteren
Experimente mit den in seiner Heimat massen-
haft vorkommenden Riesenkänguruhs gemacht,
die stch bekanntlich durch sehr entwickelte, zum
Abschnellen geeignete, mit langen, stachen,
brettartigen Pfoten versehene Hinterbeine aus-
zeichnen und ohne jede Dressur gewaltige
Sprünge ausführcn, mit denen ste scheu und
stüchtig das Land durchkreuzen. Alle mit
K änguruhserum geimpften Leute wandten sich
sofort dem Skisport zu und erzielten fabel-
hafte Rekordleistungen, wenn sie auch vorher
noch nie Bretter an den Füßen gehabt hatten.
Kaum war Benedikt mit der Lektüre dieses
Zeitungsberichtes zu Ende, als er beschloß,
seinem lieben Frauchen eine ganz besondere
Weihnachtsüberraschung zu bereiten. Er fuhr
heimlich nach dem Tagungsorte Moskau und
belvog den eben abreisenden Australier, ihm
einen Topf Känguruhserum samt Gebrauchs-
anweisung abzutreken.
Am Morgen nach der Bescherung, als
Eveline und Ferdinand init dem zweiten Früh-
zug in die Berge gerollt waren, machte sich
Benedikt an die Injektion, die um so leichter
selbst auSgeführt werden konnte, als sie in
der Nähe der Beuge- und Strecksehncn an
Oberschenkel, Unterschenkel und Fußgelenken
anzubringen war. In Anbetracht seiner Jahre
und seiner völligen Sportsungewohntheit ver-
wendete er vorsichtshalber die stebeneinbalb-
fache Normaldosis. Mit einem Paar versteckt
aufbewahrter Skier nebst Zubehör bewaffnet
warf er stch sodann in ein Auto und eilte mit
dem Mittagszug nach der nämlicben End-
station, von der aus Eveline und Ferdinand
zufolge ihren oft wiederholten begeisterten
Schilderungen regelmäßig den Aufstieg zur
Sportshütte zu bewerkstelligen pstegten.
Schon im Kupec fühlte er in seinen unteren
Extremitäten eine unwiderstehliche federnde
Kraft, so daß er es kaum erwarten konnte,
bis er am Ziel war und anschnallen durfte.
Während andere Leute langsain mit geschul-
terten Skiern die Hänge hinausstapften, stellte,
kurvte, schwang und schnellte sich Benedikt mit
einer nie gesehenen Gewandtheit und Kraft
aus seinen Brettern in die Höhe und war
962