I> I E ZEITLUPE
A t S
MEINEM NOTIZBUCH
Don K a r l ch c n
Ein neuer Heiliger
Die Feuerwehr hat den heiligen Florian zum
Schuhpatron, die Artillerie die heiligeBarbara,
die Pestkranken, die Kunstmaler, dieApothekcn-
bejitzer, alle, alle haben ste ihren Spezial-
heiligen. Aber da es jetzt neuartige Beschäfti-
gungen und Berufe gibt, so mangelt es hier
und da an einschlägigen Schutzpatronen. Da
sind zum Beispiel die Journalisten, ihnen fehlt
ein Spezialhciliger, und gerade ste sind doch
wirklich bei den vielen Anfechtungen, denen ste
in ihrem Berufe auSgeseht sind, eines beson-
deren Schutzpatrons sehr bedürftig. Es wird
daher alle interessierten Kreise sehr erfreuen,
daß, wie der „New Aork Herald" aus Rom
meldet, der heilige Vater den Florentiner Jour-
nalisten Jose Borst selig sprechen will. Wer
selig ist, der kann auch einmal heilig werden,
und dann werden wir Journalisten einen Be-
rufskollegen im Himniclsparlament sitzen haben,
und dann werden die Gehälter und Honorare
sicher erhöht werden, denn die Verleger haben,
soweit bekannt ist, vorläusig noch keine Aus-
sicht, einen eigenen Heiligen zu bekommen. Aber
was wird unser Schutzpatron für ein Symbol
erhalten? Einen Füllfederhalter, eine Schreib-
odcr eine Rokationöniaschine?
Der Reichsmoralwart
Was Kunst ist, bestimmt der Reichgkunst-
wart. Aber zur Feststellung dessen, was un-
sittlich ist, dafür fehlt uns die richtige Behörde.
Wie sollen Maler, Verleger und Schriftsteller
sachgemäß verurteilt werden, wenn die Sach-
verständigen so häusig versagen, weil ihnen als
Angehörigen obengenannter Berufe dag nor-
male sittliche Empsinden abhanden gekommen
ist. Hier kann nur der Reichsmoralwart Ab-
hilfe schaffen. Der muß natürlich ein einfacher
Mann aus dem Volke sein, dem ja das sittliche
Empfinden seit den Zeiten der allen Germanen
innewohnt. Der Reichsmorallvark nimmt
automatisch das vom Staatsanwalt geforderte
Aergernis, und unsere Kunst und Literatur sind
mit einem Schlage von allem Schmutz und
Schund befreit.
sieter B > u s.
OIE DA fl ENBITR1HOSE
AN HER SEINE
Sprach die Maid: „Es ist nur billig,
Daß ich mich in allem ein',
Wag ich oben bin, das will ich
Künftighin auch unten fein!"
Und sie stellte sich in Pose,
Oben glattes Bubihaupt,
Unten in die Bubihose
Ihre Beine eingeschraubt.
Mann sein will die Jungfrau einfach
Auch im Letzten, was ihn ziert;
Morgen komnit vielleicht ein Steinach,
Der den „Rest" noch transformiert!
Enterich
BOLZENSCHIESSEN
Ein thüringischer Glasbläser ließ seinen Erst-
ling dieser Tage mit Wajsec taufen, das er zu
diesemZwecke aus dem heiligen Jakobsbrunnen
bei Sichern in Palästina während des Welt-
krieges entnommen hatte. — Der vorsorgliche
Nrann! Den Vorwurf übereilter Verwendung
seines Wassers kann man ihm jedenfalls nicht
machen.
»
Marschall Foch und der König von Belgien
streiten sich vor der Oeffcntlichkeit ihrer Länder,
wer von ihnen den Widerstand an der Iser
zuerst verlangt habe. — Warum? Wünschen
sie eine Gehaltserhöhung? T.
Die Hauptsache ist eine würdige Ausdrucks-
weise! Früher, na ja, da sagte und schrieb man:
„Eleonore Düse wird morgen als Gioranda
gastieren", — heute würde sich die zweite
Brautjungfer im „Freischütz" beleidigt fühlen,
lvenn es nicht mindestens hieße: „Fräulein
Ouetfchton wurde, wie wir vernehmen, von
der Intendanz eingeladen, die Rolle der zweiten
Brautjungfer im,Freischütz' zu übernehmen."
Was ich noch sagen wollte: Im Warenhaus
Müller hat es am i. November einige Ver-
änderungen gegeben: Der Buchhalter Meier
wurde von der Augsburger Filiale an das
dortige Hauptbuch berufen, der Mittelschüler
Moritzchen hat einen Ruf als Lehrling an-
genommen, die Stenotypistin Frl. Schnipp-
schnapp hat sich entschlosten, von morgens
8 Uhr bis abends Diktate zu kreieren, und der
Ausläufer Gustav wurde eingeladen, die Pakete
auf die Post zu bringen.
Der rumänifcheMarquisPofa: „OKönigin,
das Pumpen ist doch schön!"
Es gehört sehr viel Unverstand dazu, eine
unverstandene Frau zu sein.
Schon mancher sah die Hände an verdutzt,
Weil Druckerschwärze sie ihm arg beschmutzt.
Hingegen wird nur selten einer stutzig,
Macht Druckerschwärze ihm die Seele schmutzig.
Atonale Musik
Ich Hab' sie niemals ausgepsiffen,
Ich schneid' nur ein verdutzt Gesicht —
Ein Schlangenmensch kann mich verblüffen,
Doch mich erschüttern kann er nicht.
992
A t S
MEINEM NOTIZBUCH
Don K a r l ch c n
Ein neuer Heiliger
Die Feuerwehr hat den heiligen Florian zum
Schuhpatron, die Artillerie die heiligeBarbara,
die Pestkranken, die Kunstmaler, dieApothekcn-
bejitzer, alle, alle haben ste ihren Spezial-
heiligen. Aber da es jetzt neuartige Beschäfti-
gungen und Berufe gibt, so mangelt es hier
und da an einschlägigen Schutzpatronen. Da
sind zum Beispiel die Journalisten, ihnen fehlt
ein Spezialhciliger, und gerade ste sind doch
wirklich bei den vielen Anfechtungen, denen ste
in ihrem Berufe auSgeseht sind, eines beson-
deren Schutzpatrons sehr bedürftig. Es wird
daher alle interessierten Kreise sehr erfreuen,
daß, wie der „New Aork Herald" aus Rom
meldet, der heilige Vater den Florentiner Jour-
nalisten Jose Borst selig sprechen will. Wer
selig ist, der kann auch einmal heilig werden,
und dann werden wir Journalisten einen Be-
rufskollegen im Himniclsparlament sitzen haben,
und dann werden die Gehälter und Honorare
sicher erhöht werden, denn die Verleger haben,
soweit bekannt ist, vorläusig noch keine Aus-
sicht, einen eigenen Heiligen zu bekommen. Aber
was wird unser Schutzpatron für ein Symbol
erhalten? Einen Füllfederhalter, eine Schreib-
odcr eine Rokationöniaschine?
Der Reichsmoralwart
Was Kunst ist, bestimmt der Reichgkunst-
wart. Aber zur Feststellung dessen, was un-
sittlich ist, dafür fehlt uns die richtige Behörde.
Wie sollen Maler, Verleger und Schriftsteller
sachgemäß verurteilt werden, wenn die Sach-
verständigen so häusig versagen, weil ihnen als
Angehörigen obengenannter Berufe dag nor-
male sittliche Empsinden abhanden gekommen
ist. Hier kann nur der Reichsmoralwart Ab-
hilfe schaffen. Der muß natürlich ein einfacher
Mann aus dem Volke sein, dem ja das sittliche
Empfinden seit den Zeiten der allen Germanen
innewohnt. Der Reichsmorallvark nimmt
automatisch das vom Staatsanwalt geforderte
Aergernis, und unsere Kunst und Literatur sind
mit einem Schlage von allem Schmutz und
Schund befreit.
sieter B > u s.
OIE DA fl ENBITR1HOSE
AN HER SEINE
Sprach die Maid: „Es ist nur billig,
Daß ich mich in allem ein',
Wag ich oben bin, das will ich
Künftighin auch unten fein!"
Und sie stellte sich in Pose,
Oben glattes Bubihaupt,
Unten in die Bubihose
Ihre Beine eingeschraubt.
Mann sein will die Jungfrau einfach
Auch im Letzten, was ihn ziert;
Morgen komnit vielleicht ein Steinach,
Der den „Rest" noch transformiert!
Enterich
BOLZENSCHIESSEN
Ein thüringischer Glasbläser ließ seinen Erst-
ling dieser Tage mit Wajsec taufen, das er zu
diesemZwecke aus dem heiligen Jakobsbrunnen
bei Sichern in Palästina während des Welt-
krieges entnommen hatte. — Der vorsorgliche
Nrann! Den Vorwurf übereilter Verwendung
seines Wassers kann man ihm jedenfalls nicht
machen.
»
Marschall Foch und der König von Belgien
streiten sich vor der Oeffcntlichkeit ihrer Länder,
wer von ihnen den Widerstand an der Iser
zuerst verlangt habe. — Warum? Wünschen
sie eine Gehaltserhöhung? T.
Die Hauptsache ist eine würdige Ausdrucks-
weise! Früher, na ja, da sagte und schrieb man:
„Eleonore Düse wird morgen als Gioranda
gastieren", — heute würde sich die zweite
Brautjungfer im „Freischütz" beleidigt fühlen,
lvenn es nicht mindestens hieße: „Fräulein
Ouetfchton wurde, wie wir vernehmen, von
der Intendanz eingeladen, die Rolle der zweiten
Brautjungfer im,Freischütz' zu übernehmen."
Was ich noch sagen wollte: Im Warenhaus
Müller hat es am i. November einige Ver-
änderungen gegeben: Der Buchhalter Meier
wurde von der Augsburger Filiale an das
dortige Hauptbuch berufen, der Mittelschüler
Moritzchen hat einen Ruf als Lehrling an-
genommen, die Stenotypistin Frl. Schnipp-
schnapp hat sich entschlosten, von morgens
8 Uhr bis abends Diktate zu kreieren, und der
Ausläufer Gustav wurde eingeladen, die Pakete
auf die Post zu bringen.
Der rumänifcheMarquisPofa: „OKönigin,
das Pumpen ist doch schön!"
Es gehört sehr viel Unverstand dazu, eine
unverstandene Frau zu sein.
Schon mancher sah die Hände an verdutzt,
Weil Druckerschwärze sie ihm arg beschmutzt.
Hingegen wird nur selten einer stutzig,
Macht Druckerschwärze ihm die Seele schmutzig.
Atonale Musik
Ich Hab' sie niemals ausgepsiffen,
Ich schneid' nur ein verdutzt Gesicht —
Ein Schlangenmensch kann mich verblüffen,
Doch mich erschüttern kann er nicht.
992