AWFABER
DIE BESTEN
BLEI-KOPIER.-TINTENd.FARBSTIFTE
•DER GEGENWART*
Abend, erblickte Peter einen Knäuel wild sich
balgender Menschen, und ein glücklicher In-
stinkt sagte ihm, daß hier das Gesuchte zu
sinden sein müsse. Er hatte recht geahnt; er
befand sich am Schlachtfeld um die letzten
Bäume. Polizisten sperrten ab, Winkelriedc
stürmten ... Uebergehen wir, was alles Onkel
Peter blühte, ehe er mit Tannenbaum und
eingetriebenem Hut das Gelände verließ; um
Halbsechs Uhr stand er mit Siegergefühlen
dor uns-„Ich dachte schon, du kämst
überhaupt nicht wieder!" sagte meine Frau
und warf einen Blick auf den Baum,
„na, nun schraub den Besen, den du da
mitgebrachk hast, nur schleunigst ein!"
Onkel Peter hat mir nie in seinem
Leben einen so enttäuschten Blick zuge-
worfen. Nachher, als alle Gäste ver-
sammelt waren und die seltsame Schön-
heit unseres TannenbaumS — eines
etwas schiefen und pittoresk zerfressenen
Wunders seiner Art — beäugten und
sauersüß lobten, nahm er mich beiseite
und erzählte mir, dem Weinen nahe auf
seine nadclzerschundenen Hände weisend,
die Geschichte seiner Heldenfahrt. Aber
kaum war er mit ihr zu Ende und
äußerte mir die Absicht, nun doch lieber
nach Hause gehen zu wollen, als meine
Frau den Flügel öffnete und vorschlug,
gemeinschaftlich ein paar Weihnachts-
licder zu singen.
Nun muß man Onkel Peter kennen!
Er ist ein Mensch, dem sogar das Reden
auSgeht, wenn ihm ein paar Leute zu-
hören — aber singen! Singen, wenn
andere einem zuschauen! Mit offenem Munde dasitzen
und singen! Das sollte man Onkel Peter nicht zumuten.
. Als meine Frau in die Tasten schlug und als
das erste Lied, das gesungen werden sollte, sich ent-
puppte: „O Tannenbaum, o Tannenbaum!" — da
sprang Onkel Peter wie von der Tarantel gestochen
vom Stuhl auf, stüchtete zur Tür hinaus und ward
nicht mehr gesehen.
Meine Frau aber drehte sich auf ihrem Sitz um,
schüttelte den Kopf und sagte: „Diese Junggesellen sind
doch unberechenbar! ..
DAS STÜCK ZUCKER
Don Friedrich Stieoc.
„Nein, Fritz, du darfst keinen Kuchen essen!"
Die Stimme meiner Mutter klang etwas be-
dauernd, aber doch sehr bestimmt. „Der Arzt hat
es verboten."
Natürlich! So ging eö ja immer, das kannte
man schon. Die Geschwister saßen um den Tee-
tisch herum und stopften sich die Backen voll. Mein
Bruder Werner konnte die eingeschobene Masse
B r c t t s ch n c > d e r.
(Fortsetzung S. D021.)
etwaigen Bestellung
man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehmen * 1926/JUGEND Nr- 50
10J9
DIE BESTEN
BLEI-KOPIER.-TINTENd.FARBSTIFTE
•DER GEGENWART*
Abend, erblickte Peter einen Knäuel wild sich
balgender Menschen, und ein glücklicher In-
stinkt sagte ihm, daß hier das Gesuchte zu
sinden sein müsse. Er hatte recht geahnt; er
befand sich am Schlachtfeld um die letzten
Bäume. Polizisten sperrten ab, Winkelriedc
stürmten ... Uebergehen wir, was alles Onkel
Peter blühte, ehe er mit Tannenbaum und
eingetriebenem Hut das Gelände verließ; um
Halbsechs Uhr stand er mit Siegergefühlen
dor uns-„Ich dachte schon, du kämst
überhaupt nicht wieder!" sagte meine Frau
und warf einen Blick auf den Baum,
„na, nun schraub den Besen, den du da
mitgebrachk hast, nur schleunigst ein!"
Onkel Peter hat mir nie in seinem
Leben einen so enttäuschten Blick zuge-
worfen. Nachher, als alle Gäste ver-
sammelt waren und die seltsame Schön-
heit unseres TannenbaumS — eines
etwas schiefen und pittoresk zerfressenen
Wunders seiner Art — beäugten und
sauersüß lobten, nahm er mich beiseite
und erzählte mir, dem Weinen nahe auf
seine nadclzerschundenen Hände weisend,
die Geschichte seiner Heldenfahrt. Aber
kaum war er mit ihr zu Ende und
äußerte mir die Absicht, nun doch lieber
nach Hause gehen zu wollen, als meine
Frau den Flügel öffnete und vorschlug,
gemeinschaftlich ein paar Weihnachts-
licder zu singen.
Nun muß man Onkel Peter kennen!
Er ist ein Mensch, dem sogar das Reden
auSgeht, wenn ihm ein paar Leute zu-
hören — aber singen! Singen, wenn
andere einem zuschauen! Mit offenem Munde dasitzen
und singen! Das sollte man Onkel Peter nicht zumuten.
. Als meine Frau in die Tasten schlug und als
das erste Lied, das gesungen werden sollte, sich ent-
puppte: „O Tannenbaum, o Tannenbaum!" — da
sprang Onkel Peter wie von der Tarantel gestochen
vom Stuhl auf, stüchtete zur Tür hinaus und ward
nicht mehr gesehen.
Meine Frau aber drehte sich auf ihrem Sitz um,
schüttelte den Kopf und sagte: „Diese Junggesellen sind
doch unberechenbar! ..
DAS STÜCK ZUCKER
Don Friedrich Stieoc.
„Nein, Fritz, du darfst keinen Kuchen essen!"
Die Stimme meiner Mutter klang etwas be-
dauernd, aber doch sehr bestimmt. „Der Arzt hat
es verboten."
Natürlich! So ging eö ja immer, das kannte
man schon. Die Geschwister saßen um den Tee-
tisch herum und stopften sich die Backen voll. Mein
Bruder Werner konnte die eingeschobene Masse
B r c t t s ch n c > d e r.
(Fortsetzung S. D021.)
etwaigen Bestellung
man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehmen * 1926/JUGEND Nr- 50
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